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Rudolf Mosse hatte seit den 1870er Jahren ein Verlagsimperium errichtet und eine bedeutende Kunstsammlung aufgebaut. Seine Familie musste nach 1933 fliehen, die Kunstwerke wurden beschlagnahmt und versteigert. Seine Erben leben heute in den USA.
Man muss weit reisen, um diese Geschichte zu erzählen, die einmal in Berlin begann - bis nach Kalifornien. Dort in Berkeley, lebt Roger Strauch. Im Hauptberuf Unternehmer, im Nebenberuf Sprecher der Erben von Rudolf Mosse aus Berlin.
Roger Strauch, Sprecher Erbengemeinschaft Rudolf Mosse
"Ich stecke seit zehn Jahren in diesem Projekt. Wir haben über 1000 Objekte auf der Webseite lostart.de aufgelistet. Diese Kunstwerke sind der Familie, die ich vertrete, gestohlen worden. Und sie müssen zurückgegeben werden – der Gerechtigkeit halber."
Die Kunstwerke, von denen Roger Strauch spricht, waren Teil der Sammlung von Rudolf Mosse, seinem jüdischen Stiefurgroßvater. Ein Selfmademan, der im Kaiserreich aus dem Nichts ein Zeitungsimperium aufgebaut hatte und zu einem der reichsten Männer des Landes wurde. Am Leipziger Platz hatte er sich ein prächtiges Palais bauen lassen und dort ein Privatmuseum eingerichtet – mit einer Sammlung von alten Meistern über deutschen Realismus bis zu Max Liebermann – wenn es um die Suche nach den Kunstwerken geht, spricht Roger Strauch von "dem Projekt".
Roger Strauch, Sprecher Erbengemeinschaft Rudolf Mosse
"Ich musste herausfinden, was für Mittel ich für dieses Projekt brauchte. Ich benötigte juristische und investigative Unterstützung. Wir arbeiten auch mit akademischen Forschern zusammen – und so lernten wir Dr. Meike Hoffmann kennen."
Denn "das Projekt" führt wieder nach Berlin – an der Freien Universität beschäftigt sich die Provenienzforscherin Meike Hoffmann mit der Suche nach Kunstwerken, die einst der Familie Mosse gehörten. Seit sechs Jahren arbeiten deutsche Institutionen mit den Erben Rudolf Mosses zusammen. Eine Kooperation, die in dieser Form damals neu war.
Meike Hoffmann, Provenienzforscherin FU Berlin
"Das hat es vorher nicht gegeben. Vorher standen sich beide Seiten eigentlich immer konträr gegenüber, weil sie einfach unterschiedliche Interessen haben. Mir ist aber wichtig, dass wir doch versuchen, uns besser zu verstehen; uns einander anzunähern. Eben halt nicht nur gegeneinander zu arbeiten, sondern gemeinsam versuchen das damalige Geschehen aufzuarbeiten."
"Das damalige Geschehen" – Roger Strauch wusste lang nichts davon.
Roger Strauch, Sprecher Erbengemeinschaft Rudolf Mosse
"Meine Eltern haben mir sehr wenig von ihrer Herkunft erzählt. Wir verstanden, dass sie wegen etwas, dass man "Flucht" nennt, Deutschland verlassen mussten. Erst mit 12 oder 13 Jahren sah ich einen verstörenden Film über den Holocaust – und ich zog meine Schlüsse aus dem, was ich in dem Film sah und fragte meine Mutter: Was ist los, hat das etwas mit uns zu tun?"
Rudolf Mosse starb 1920 – seine Familie führte den Verlag fort. Nach der Machtübernahme der Nazis musste die Familie fliehen. Ihr Privateigentum wurde beschlagnahmt. Auch die Kunstsammlung, sie wurde 1934 versteigert und in alle Winde zerstreut.
33 Kunstwerke sind inzwischen an die Erben um Roger Strauch restituiert – aber die Kunstsammlung wieder zu vereinen, das ist utopisch. Von 25 weiteren Werken weiß man zwar, wo sie sich befinden - zu einer Rückgabe aber ist es nicht gekommen.
Meike Hoffmann, Provenienzforscherin FU Berlin
"Die Reaktionen sind tatsächlich sehr unterschiedlich. Die Institutionen sind gewillt, zurückzugeben. Bei den Privatbesitzern ist es in den allermeisten Fällen so, dass hier eine ablehnende Haltung zunächst einmal mit unserer Anfrage erzeugt wird. Und diese ablehnende Haltung reicht dann von Angst bis Aggression."
Eine Geschichte mit friedlichem Ende ist die des "jungen Löwen" von August Gaul – im Innenhof des Mossepalais überstand er den Zweiten Weltkrieg, während um ihn herum alles in Trümmer lag. Er ist noch immer in Berlin, die Staatlichen Museen haben ihn erst restituiert und dann zurückgekauft – heute erinnert er in der James-Simon-Galerie an das Schicksal der Mosses.
Auch diese ägyptische Kanope, ein Gefäß für Eingeweide, ist zurückgegeben worden. Rudolf Mosse hatte Grabungen in Ägypten finanziert. Aber Raubkunst gab es nicht erst seit 1933. Vielleicht, sagt Roger Strauch, besaß Rudolf Mosse diese Kanope selbst zu Unrecht.
Roger Strauch, Sprecher Erbengemeinschaft Rudolf Mosse
"Nun kann man natürlich fragen, ob wir die Besitzer eines Objekts sind, auf die eine andere Institution oder eine Privatperson Anspruch als Eigentümer erhebt. Das ist möglich. Wir würden einen solchen Anspruch sehr ernst nehmen – so wie wir ernst genommen werden wollen."
Autor: Steffen Prell