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Als Frank Castorf die Volksbühne in Berlin verließ folgte Sophie Rois Regisseur René Pollesch ans Deutsche Theater. Als Chris Dercon die Volksbühne nach einem kurzen, aber folgenschweren Intermezzo wieder verließ, folgte Rois ihrem Lieblingsregisseur, der dort seit 2021 Intendant ist, wieder an die Volksbühne. Jetzt kommt am 3.6. die letzte Premiere am Großen Haus in der zu Ende gehenden Spielzeit. René Pollesch hat wieder mal den Text zunächst allein geschrieben und arbeitet gerade mit diesem Text und seinen Schauspielern ein Stück aus. Das ist Chaos auf höchstem Niveau. Mittendrin: Die Star-Schauspielerin Sophie Rois.
Wir treffen Sophie Rois zwei Tage vor der Premiere, an ihrem Geburtstag. Sie feiert nicht, sie arbeitet.
Sophie Rois, Schauspielerin
"Ich finde es super, dass ich hier bin. Stell Dir vor, ich muss den ganzen Tag so herumsitzen und trinken und essen. Und dauernd kommt jemand vorbei und sagt "Hm". Und dann musst du sagen "Hm". Ich finde das super, hier zu sein mit den Leuten. Die sagen zwar auch alle "Hm", aber dann freue ich mich und man hat etwas zu tun. Und nachher kann man schön trinken."
Und noch etwas gibt es zu feiern: Sophie Rois ist wieder da! An der Volksbühne. Charme, Grandezza, Wahnsinn - eine Flammenwerferin der Heiterkeit und Extase. 25 Jahre arbeitete sie hier mit großartigen Schauspielern und Regisseuren - und immer wieder mit Frank Castorf.
"Wenn ihrs… Wenn ihrs nicht fühlt, ihr werdets nicht erjagen. Wenn es nicht aus der Seele dringt… Wenn es nicht aus der Seele dringt und mit urkräftigem Behagen die Herzen aller Hörer zwingt…"
"Nee, warte mal… mit urkräftigem Behagen, die Herzen aller Hörer zwingt, dann sitzt ihr immer nur allein zusammen."
"Faust" war ihre letzte Inszenierung unter Frank Castorf. 2017 musste er gehen. Mit ihm verlor das Haus nicht nur ein hervorragendes Ensemble, sondern auch seinen legendären Ruf.
Sophie Rois, Schauspielerin
"Ich war neulich in der Deutschen Oper und hab mir Castorfs "Macht des Schicksals" angeschaut. Es fängt so an, dass man denkt: "Oh Mann, Frank, du mit deinem Holzhammer hier und dort und da". Und dann kriegt das über die Zeit einen Sog und die Mittel, und die Art von Schönheit, die das kriegt, und diese Wirkung. Und ich dachte: Ja, verdammt, das kann nur der, dieses komische marxistisch-materialistische Kasperltheater, wo ich denke, dass habe ich auch alles inhaliert."
Mit der Derconisierung der Volksbühne endete auch für Sophie Rois eine Ära. Sie kündigte ihren Vertrag und wechselte ans Deutsche Theater, wo sie mit René Pollesch weiter arbeitete. Nach sechs Jahren kehrt sie zurück. Ein Comeback? Ein Neustart?
Sophie Rois, Schauspielerin
"Es ist etwas komplett anderes hier zurückzukommen. Aber das wusste ich auch. Das ist jetzt kein Schock oder so. Das war mir auch klar. Ich dachte auch, wie ordne ich mich hier ein. Ich habe keine Lust so zu tun, als würde ich jetzt hier den heißesten Scheiß verkaufen. Ich bin keine 25 mehr. Das müssen jetzt auch andere machen. Ich kann meinen eigenen Stiefel machen, so ist das mit der Rückkehr."
"Das Spielen - ich mach‘s immer lieber. Vielleicht auch weil ich genauer weiß, was ich will, woran ich Geschmack habe, woran ich Freude habe. Und, was bei Frauen vielleicht auch noch dazu kommt. Man kriegt im Alter eine andere Autorität. Wenn Du mit 25 sagst "Das will ich nicht", dann bist du eine Zicke. Wenn du mit 60 sagst "Nee, das lassen wir jetzt lieber mal bleiben", dann wird darüber nicht mehr diskutiert. Und das finde ich angenehm. Und vielleicht komme ich jetzt auch mit guter Laune zurück, weil von einem Punkt von Aussichtslosigkeit aus zu starten, ist nicht das Schlechteste."
Sophie Rois in Rot! Und in dem Bühnenbild von Hans Mayer. Ist das altmodisch oder hip? Den "heißesten Scheiß" jedenfalls darf man von ihrem Wiedereinstand nicht erwarten.
Sophie Rois, Schauspielerin
"Wir haben ja schon einen anderen Titel. Wir heißen nicht "We are young, we are cute", wir heißen nicht "Instinction", wir heißen nicht "Monosau", wir heißen "Mein Gott, der Pfarrer."
"Herr Pastor, ich bin so froh, dass sie nicht an sich selbst glauben. Das ist so sympathisch."
- "Die Menschen sitzen im Irrenhaus, weil ihnen der Glauben fehlt. Und wenn der Glauben fehlt, ist alles aus."
"Der Glaube an sich selbst ist das gängigste Merkmal eines maroden Menschen."
- "Ich bin so froh, dass sie nicht an sich selbst glauben. Das ist so sympathisch."
Sophie Rois, Schauspielerin
"Ich weiß gar nicht, wie wir darauf kamen. Jedenfalls tauchen tatsächlich in dem Stück einige Fragen auf, die das Christentum aufwirft. Jetzt kam natürlich auch die Frage: Wieso beschäftigst du dich denn damit? Wo man dann nur sagen kann: Du beschäftigst dich auch damit die ganze Zeit. Du weißt es nur nicht. Denn wir sind alle geprägt von seit 2000 Jahren Christentum, ob uns das passt oder nicht. Selbst der eingefleischteste Atheist ist damit die ganze Zeit beschäftigt. Die Frage ist nur, ob man von dieser Prägung ein Bewußtsein hat."
Es geht also um christliche Dinge. Und den Glauben - an sich selbst, an Gott oder an gar nichts. Aber vor allem geht es um Sophie Rois. Gottseidank, sie ist wieder hier, an der Volksbühne! Und voller Lust.
"Jetzt scharrt das Pferdchen gerade schon mit den Hufen."
"Jetzt bin ich aber erleichtert, ich dachte schon das wäre mein Leben."
- "Ach so, das ist gar nicht dein Leben. Dann geh ich mal wieder."
"Nein, nicht weglaufen."
Autor: Lutz Pehnert