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Sie lernten sich 1947 in seinem Atelier in Melbourne kennen: Der 27-jährige Fotograf Helmut Newton und die 26-jährige Schauspielerin June Browne. 22 Jahre lange fotografierte June, die inzwischen Newton hieß, nur privat. Aber 1970 wurde Newton, inzwischen weltberühmt, vor einem Fotoauftrag krank - seine Frau sprang für ihn ein. Von diesem Tag an begann ihre öffentliche Karriere als Fotografin. Sie nannte sich nun Alice Springs. Und begann eigene Wege zu gehen. Vor 2 Jahren starb Alice Springs 98jährig und 17 Jahre nach ihrem Mann. Jetzt wurde ihr fotografischer Nachlass und der Hausstand der beiden aus Monte Carlo nach Berlin in die Helmut Newton Stiftung gebracht.
Es ist Liebe auf den ersten Blick als Helmut Newton seine June 1947 zum ersten Mal fotografiert. Ein Jahr später heiraten sie. June Newton ist seine Muse und kuratiert seine Ausstellungen. Erst über 20 Jahre später wird sie eine renommierte Fotografin. Sie nennt sich Alice Springs. 2021 starb sie 98-jährig. Jetzt zeigt die Helmut Newton Stiftung die Retrospektive "Alice Springs". Ihre Karriere als Fotografin begann per Zufall: Als Helmut Newton 1970 wegen einer Grippe nicht fotografieren kann, springt sie ein und macht ihr erstes Werbebild für die Zigarettenmarke "Gitanes".
June Newton alias Alice Springs, 2009
"I will gehen, habe ich gesagt, ich habe eine Kamera, wenn es nicht funktioniert, kannst Du es nächste Woche nachholen, aber zumindest kann ich es dem Jungen, dem Fotomodell sagen. Er akzeptierte von mir fotografiert zu werden. Die Bilder gingen zum Kunden, und der Scheck kam zu Helmut Newton zurück, und dann hatte ich eine neue Karriere, ein neues Geschäft."
June Newton wird 1923 in Melbourne geboren. Sie feiert erste Erfolge als Schauspielerin, während Helmut Newton noch unbekannt ist. Er fotografiert sie in der Rolle der "Salomé". Als Schauspielerin sensibilisiert sie Newton für das Rollenspiel bei der Inszenierung seiner Akt-Modelle. Sie gibt ihm viele Tipps für das Model-Shooting. Nacktheit ist für beide etwas ganz Natürliches. Im Alltag fotografieren sie sich gegenseitig.
June Newton alias Alice Springs, 2009
"Wir waren gerade beim Abendessen in der Küche, wie immer in Paris. Und ich habe eine Zigarette geraucht, und ich habe mich eben entspannt und Helmut hatte wie immer eine Kamera in der Hand, und er sagte: "Mach so Juni", "Do that Juni", und ich machte es."
Matthias Harder, Kurator, "Alice Springs Retrospektive"
"Ich glaube, das war ein tolles Wechselspiel der beiden. Also sie haben sich ja seit den 50er-Jahren eigentlich gegenseitig porträtiert, also lange bevor June Newton als Fotografin richtig reüssierte und dieses Bild im Hintergrund ist aus den Achtzigern. Man sieht Helmut Newton mit ihrem Hut, mit ihren Pumps. Und es ist dieses Rollenspiel, was zwischen den beiden schon unglaublich früh begann."
June Newton nennt sich in den 1970er Jahren Alice Springs, macht Modefotos für die Titelseiten internationaler Frauenmagazine. Im Gegensatz zu Newton, der seine Models aufwendig inszeniert, fotografiert sie ihre spontan, zeigt sie in ihrer Natürlichkeit. Bekannt wird sie mit einer großen Kampagne: Hier eines der Werbebilder für den legendären Pariser Friseur Jean Louis David. Sie macht auch Porträts: Zum Beispiel vom Schriftsteller William S. Bouroughs, Maler Gerhard Richter oder Modeschöpfer Karl Lagerfeld. Alice Springs öffnet sie emotional, fängt intensiv deren Blicke ein. Auch noch nie gezeigte Fotos von Alice Springs sind in der Ausstellung zu entdecken: Zum Beispiel ein Porträt des Philosophen Michel Foucault. Ihm entlockt sie ein herzliches Lachen. Alice Springs Schauspielerfahrung vor und hinter der Kamera kommt ihr dabei zugute. In der Ausstellung sehen wir Porträtbilder von Alice Springs und Helmut Newton nebeneinander. Hier ein Bild von Schauspielerin Catharine Deneuve. Alice Springs fotografiert sie privater und intimer als ihr Mann Helmut Newton - der inszeniert sie lasziv und mit geschickter Lichtregie.
Matthias Hader, Kurator
"Helmut Newton hat in den drei Fällen in den gleichen drei Feldern gearbeitet wie June Newton und tun hat es insbesondere im Porträt zu einer Meisterschaft gebracht. Ja, wenn wir die Bilder in Gegenüberstellung sehen, da hat vielleicht Helmut Newton gar nicht herangereicht. Es sind wirklich Menschenbilder voller Seele, die June Newton alias Alice Springs geschaffen hat. Und das ist ihre ganz große Leistung, auch in der Fotogeschichte."
In der Ausstellung ist auch der sogenannte "Living Room", das Wohnzimmer des Künstlerpaares zusehen. An den Wänden: Ein Bild von Andy Warhol, Roy Lichtenstein und auch der verhüllte Berliner Reichstag.
Matthias Harder, Kurator
"Helmut Newton hatte ja immer ein Heimweh auch an seine Geburtsstadt Berlin und Helmut und June waren ja sehr, sehr häufig hier. Und das ist im Grunde auch dieses Porträt, was June von ihm gemacht hat vor dem Reichstag, was hier rein collagiert ist. Und so treffen sich die beiden in ihrem Werk immer wieder, und die eine ist ohne den anderen nicht denkbar und umgekehrt."
Ein unzertrennliches Ehepaar mit einem großen Werk, das unterschiedlicher nicht sein kann.
Autorin: Margarete Kreuzer