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Am 24.06.1948 blockierten die sowjetischen Alliierten als Antwort auf die Währungsreform in den Westsektoren und Westzonen alle Zufahrtswege nach Westberlin und riegelten damit die Stadt von jeder Versorgung ab. Wir zeigen die im Aufbau befindliche Ausstellung "Blockierte Sieger - geteiltes Berlin: 75 Jahre Luftbrücke". Diese Gedenkausstellung wird erstmals neben dem "Alliierten-Museum" auch vom "Museum Karlshorst" kuratiert - damit wird die sowjetische Seite in dem Ereignis auch beleuchtet.
Peter Klinkenberg, Zeitzeuge
"Der Flugplatz Tempelhof ist noch immer ein Magnet für die Jugend. Hier sieht man den pausenlosen Flugbetrieb, hier werden die neuesten Modelle begutachtet."
Für die Kinder in Westberlin war es eine spektakuläre Zeit: 1948 landet im Schnitt alle drei Minuten eine Maschine der Alliierten in Tempelhof. Peter Klinkenberg war damals 14 Jahre alt, als er als Schaulustiger zum Flughafen kam.
Peter Klinkenberg, Zeitzeuge
"Das bin ich. Das bin ich, auf dem Trümmerberg. Das ist ein Foto, das ich kenne. Das bin ich und das ist ein Freund von mir."
Fast ein Jahr lang wird West-Berlin durch die Luftbrücke versorgt. Tausende Tonnen Fracht werden täglich eingeflogen. Die Piloten sind besonders bei den Kindern beliebt. Der Amerikaner Gail Halverson wirft kurz vor der Landung Schokoladenpäckchen mit einem selbstgebasteltem Taschentuchfallschirm ab. Die Aktion spricht sich schnell rum und ist bis heute legendär.
Peter Klinkenberg, Zeitzeuge
"Dieser eine Pilot, der dann kurz vor der Landung am Flughafen Tempelhof was zum Fenster rauswirft, einen Beutel mit Kaugummi und Bonbons und Schokolade und so weiter, das weiß ich auch, daher stammte der Begriff Rosinenbomber.
Peter Klinkenberg erinnert sich an den ohrenbetäubenden Lärm der Maschinen vor 75 Jahren: Es war der Sound der Hoffnung.
Peter Klinkenberg, Zeitzeuge
"Das konnte so laut sein, wie es wollte, es war eine positive Erinnerung, denn, da kommt Hilfe, Gott sei Dank kommt Hilfe - von oben."
West-Berlin ist damals abgeschnitten: Die Sowjets blockieren die Versorgung der Westsektoren.
"… führt zu schwersten Einschränkungen für die Bevölkerung."
Peter Klinkenberg, Zeitzeuge
"Das war alles am Ende total gesperrt. Überall waren Schlagbäume errichtet und DDR, also ostdeutsche Grenztruppen usw. wurden da eingesetzt. Polizei und die Sowjets achteten darauf, dass da niemand durchkommt."
Die Versorgung von 2 Millionen West-Berlinern ist nur über drei Flugkorridore möglich. Die Piloten fliegen in fünf Ebenen übereinander. Jeder hat nur einen Landeversuch. Fast eine halbe Million Tonnen Lebensmittel gelangen so in die Stadt. Beim Ausladen helfen die Berliner. Der Großteil der Ladung war allerdings nicht Nahrung, sondern ein anderer ebenfalls wichtiger Rohstoff!
Peter Klinkenberg, Zeitzeuge
"Also im Wesentlichen waren das Säcke mit Kohle, mit denen dann die Kraftwerke beliefert wurden. Jede Nacht war es dunkel. Mit Ausnahme: Heute von Mitternacht bis 2:00 Uhr früh ist der Bezirk dran, der Strom hat. Und ab 2:00 Uhr war dann wieder dunkel. Also Kerzen auf dem Küchentisch. Und dann kam der nächste Bezirk dran, der dann wieder von 2:00 bis 4:00 Uhr Strom kriegte. Und da haben sich die Hausfrauen alle einen Wecker gestellt und fingen dann an zu bügeln, zu kochen. Und dann immer der Moment, oh, jetzt ist wieder dunkel."
Für Peter Klinkenberg war die Erfahrung der Luftbrücke prägend, wie für viele West-Berliner in der Nachkriegszeit.
Peter Klinkenberg, Zeitzeuge
"Die Erfahrungen damals während der Blockade waren eben eher so ein tolles Erlebnis. Aber die politischen Konsequenzen oder das, was die Erwachsenen befürchteten, das kam uns als Junge noch nicht so richtig in den Sinn. Aber man hatte immerhin so viel West-Luft geschnuppert, dass es klar war, als die DDR etabliert wurde, dass das für mich keine Zukunft ist."
Vor der Abflughalle erinnert jetzt eine Ausstellung an 75 Jahre Luftbrücke. Neben dem West-Alliierten- und dem Gatow-Museum ist erstmals auch das Museum Karlshorst beteiligt. Ein Novum: Der Blick auf die damaligen Blockierer.
Doris Müller-Toovey, Militärhistorisches Museum der Bundeswehr Flugplatz Gatow, Projektleitung
"Das ist die Erzählung von dem großen Erfolg, von der logistische Meisterleistung der Luftbrücke. Ist auch alles richtig aber es ist halt eben nur ein Teil der Geschichte."
Mit der Open-Air-Ausstellung will man diese Geschichte nun um weitere Sichtweisen ergänzen.
Doris Müller-Toovey, Militärhistorisches Museum Gatow, Projektleitung
"Man Muss die Geschichte mal anders erzählen, aus mehreren Perspektiven. Dazu gehört die Perspektive der Siegermächte. Und auch das sind ja dann schon wieder mehrere Perspektiven mindestens zwei Westalliierte, Sowjetunion und natürlich auch aus der Perspektive derer, die blockiert worden sind, die Berliner, die West-Berlinerinnen und Berliner."
Für den Historiker und Co-Kurator Jörg Morré vom Museum Karlshorst geht es um mehr als das Gedenken an die Rosinenbomber und Kennedys berühmten Satz 15 Jahre später: "Ich bin ein Berliner". Diese Ausstellung soll genauso zeigen, dass die Rosinenbomber auch eine politische Botschaft an Bord hatten.
Jörg Morré, Direktor des Museums Berlin-Karlshorst
"Also gerade jetzt hier mit dem Denkmal hier im Rücken, mit der Freiheitsglocke im Rathaus Schöneberg: "Rosinenbomber bringen uns die Freiheit". Das ist so ein Mythos, der mir zu sehr auf Hochglanz gebürstet ist. Der amerikanische Präsident hat diese Rosinenbomber nicht losgeschickt, um hier irgendwie die Kommunalverfassung von Berlin zu retten, sondern das passte in das große Konzept der USA, natürlich als eine globale Macht mit einem bestimmten Lebensweg: American Way of Life. Das war aber rein machtpolitisch motiviert. Aber die Freiheit ist da auch, ja, das ist das schöne Etikett, mit dem diese Machtpolitik besser verkauft werden konnte."
Diese etwas andere Sicht auf die Luftbrücke bringt eine weitere Perspektive auf die Geschichte. Vielleicht regt sie zu Debatten an – aber auch das will diese Ausstellung.
Autor: Max Burk