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Die "Secessionen" waren 3 Künstlergruppen in Wien, München und Berlin, die sich vor über 100 Jahren gründeten - auch als Abspaltung vom vorherrschenden konservativen Kunstkanon. Ihr gehörten solch namhafte Künstler an wie Gustav Klimt. Bilder aller drei "Secessionen" sind jetzt in Berlin zu sehen, darunter erstmals 60 Bilder von Gustav Klimt. Aber die Ausstellung, die von der Alten Nationalgalerie und dem Wien-Museum kuratiert wird wirft auch einen Blick auf die frauen in diesen Künstlergruppen, die die Kunstgeschichte bislang, wie so oft, übersehen hat.
Die Judith - Gustav Klimts weltbekannte "Femme Fatal" - eine biblische Frauenfigur, voller Erotik.
Dass sie nach Berlin gekommen ist, ist eine kleine Sensation. Denn eigentlich darf das kostbare Gemälde nicht mehr auf Reisen gehen. Ein Werk, das den Maler weltberühmt machte, nicht aber sein Modell.
Ursula Storch, Kuratorin
"Man weiß nichts über die Dame, die Modell gestanden hat, Gustav Klimt hat ja sonst Damenportraits im Sinne von Portraits gemalt und für so ein Sujet hat sich eine Dame der Gesellschaft nicht hergegeben."
Anders die beiden Damen, rechts und links der Judith:
1899 malt Klimt noch im impressionistischen Stil. Serena Pulitzer Lederer, die Tochter seines Sammlers.
3 Jahre später portraitiert er Emilie Flöge, seine engste Gefährtin, und findet zu einer neuen künstlerischen Handschrift.
Ralph Gleis, Kurator
"Angeregt durch seine vielfältigen Aufnahmen von Inspirationen z.B. von japanischer Kunst - sehr viel Flächigkeit, keine tiefenräumliche Erschließung mehr, wir haben das eigentliche Muster als einen Protagonisten des Werkes und es verselbstständigt sich von der eigentlichen Figur."
Mit seiner Suche nach künstlerischer Individualität ist Klimt nicht allein. Er ist einer der prominentesten Vertreter der Secessionen, ein Kunstphänomen der Jahrhundertwende:
In München, Wien und Berlin bilden sich neuartige Künstlerverbände, die gegen die Akademien rebellieren.
Ralph Gleis, Kurator
"Secession heißt Abspaltung. Man hat sich abgewandt von den Akademien und den großen Jahresausstellungen, wo man manchmal 3-4 Tausend Werke ausgestellt hat, und wo es kaum noch die Sicht auf den einzelnen Künstler gab. Und die Secessionen machen hier einen Schnitt und organisieren die eigenen Ausstellung in ihren eigenen Häusern mit ihrer eigenen Jury und die waren durchaus von einem elitären Geist getragen."
Der Münchner Symbolist Franz Stuck und der Berliner Impressionist Max Liebermann gehören zu den führenden Köpfen. Die Ausstellung zeigt, wie sich die Künstler gegenseitig inspirierten.
Ursula Storch, Kuratorin
"Es kannten sich damals alle und die Vernetzungen zwischen den 3 Secessionen waren sehr eng. Und sie kannten natürlich gegenseitig ihre Werke. Stuck hat seine Pallas Athene gemalt und Gustav Klimt malt dann 1898 die seine und die nimmt eindeutig Bezug auf die Pallas Athene von Franz Stuck."
Die Secessionen reflektieren auch eine Welt im Umbruch.
Es sind neue Themen, die die Künstler aller Secessionen verbindet. keine Historienbilder, kein Glanz und Gloria der Herrscher, sondern das Leben von Bürgern.
Die Ausstellung zeigt die künstlerische Vielfalt und sie würdigt die Arbeiten der bislang wenig beachteten Künstlerinnen der Secessionen.
Ursula Storch, Kuratorin
"Es war für Frauen in der Zeit normalerweise nicht möglich an einer Akademie zu studieren. Sie durften zum Beispiel auch keine Akt-Studien machen, sie waren sehr eingeschränkt, teilweise auch auf private Frauen-Malschulen, die es gegeben hat. Das heißt, das viele Themen für sie ausgeschlossen waren und sie waren auch in Ausstellungen weniger repräsentiert, ganz einfach weil es weniger malende Frauen oder eben Künstlerinnen gegeben hat."
Max Liebermann, der große Figurenmaler dieser Zeit, begegnet der Künstlerin Dora Hitz und ihrem Gemälde "Kirschenernte" auf Augenhöhe. Die Wiener Bildhauerin Ilse Twardowski-Conrat hatte es dagegen schwerer.
Ursula Storch, Kuratorin
"Diese auch körperlich schwere Arbeit mit Marmor zum Beispiel ist zur damaligen Zeit unweiblich erschienen, Ilse Twardowski-Conrat hat hier eine Büste zu Johannes Brahms gemacht, es gab damals in Wien einen großen Wettbewerb, leider hat ein männlicher Künstler die Büste realisiert."
"Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit" - Das Motto Der Wiener Secession.
Ein Highlight der Ausstellung: der Katzenfresser von Elena Luksch–Makowsky.
Ursula Storch, Kuratorin
"Ich denke, dass sie da einfach eine Figur, die am Rande der Gesellschaft steht, zeigen wollte. Das ist ihr sehr gut gelungen. Das ist auch so eine Momentaufnahme, wo man das Gefühl hat, dass dieser Typ so ein bisschen aus dem Schatten kommt und auch gleich wieder verschwindet. Das ist ein Clochard, der offensichtlich eine Katze gefangen hat, mit der Absicht, sie zu essen."
In den Museumsshop hat es der Katzenfresser allerdings noch nicht geschafft. Hier ist wieder Klimts Judith gefragt - als Puzzle, Haarspange oder Brillenetui.
Autorin: Charlotte Pollex