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"Unser Fluss... Unser Himmel" spielt 2006 in Bagdad am Tigris. Wie lebt es sich in einem besetzten Land, das auch nach dem Krieg nicht zur Ruhe kommt? Voller Waffen und Gewalt? Eine alleinerziehende Mutter schlägt sich mit ihrer Tochter durch. Eine eindringliche Geschichte, die uns vielleicht besser verstehen lässt. Eine der Darstellerinnen ist Berlinerin.
Vor über 40 Jahren kam sie nach Berlin: Meriam Abbas. Geboren wurde sie 1970 in Bagdad, zwölf Jahre hat sie in dieser Stadt gelebt, ging da zur Schule, verbrachte ihre Kindheit. Sie hat zwei Kulturen in sich, so sagt sie, aber die arabische hat sie hinter sich gelassen. Wir treffen Meriam Abbas in ihrem Kiez, in einem Café im Gleisdreieck-Park. Für die Dreharbeiten zu dem Film ist sie nach all den Jahren erstmals wieder in das Land ihrer Kindheit gereist.
Meriam Abbas, Schauspielerin
"Das ist echt total schwer zu beschreiben. Das war sehr emotional für mich. Ich hab das gar nicht so erwartet, war natürlich auch sehr aufgeregt und das war ein Bad der Gefühle, wie sagt man auf Deutsch: Eine Dusche der Gefühle. Das sind Gerüche, das sind Geräusche, das sind die Menschen."
Abbas spielt eine alleinstehende Frau, unglücklich verliebt – niedergeschlagen. Geblieben aber ist ihr die Kraft sich aufzulehnen, gegen die neuen Machthaber im besetzen Irak.
Filmausschnitt: "Unser Fluss... Unser Himmel"
"Warum trägst du kein Kopftuch? Was fällt euch ein, sie einfach so unverschleiert auf die Straße zu lassen!"
- "Ja, ja, wir klären das schon."
"Du bist eine Schande!"
- "Machen sie nicht son Wind!"
"Kümmer dich nicht um den Typ. Dijla, nicht..."
- "Hey, wo wollen sie hin? Kommen sie zurück! Sie alter Feigling! Sie sind eine Schande!"
Mit dem Drehbuch für diesen Film von Regisseurin Maysoon Pachachi hat sie zunächst gefremdelt.
Meriam Abbas, Schauspielerin
"Ich gebe zu, dass mir der Stoff erstmal oder auch diese Geschichten, die sie erzählen wollte oder dann erzählt hat, erstmal tatsächlich fremd war. Ich kann mich aber erinnern, dass mich die Szenen sehr bewegt haben, dass mir die Figuren sehr nah gekommen sind."
Der Film "Unser Fluss... Unser Himmel" führt uns zurück in eine Zeit vor 20 Jahren.
Eine Zeit im Irak, die viele vielleicht vergessen und manche auch verdrängt haben.
Frühjahr 2003: US-Präsident George W. Bush lässt sich mit einem Kampfjet auf einen Flugzeugträger bringen, der gegen den Irak im Einsatz ist. "Mission Accomplished" steht auf dem Banner über den Köpfen der Soldaten: "Auftrag erfüllt". Frieden und Demokratie soll die Mission "Iraqi Freedom" bringen. Tatsächlich aber beginnen ein jahrlanger Krieg der US-Besatzer und ein Bürgerkrieg.
Der Film spielt im Jahr 2006, 3 ½ Jahre nach der US-Invasion.
Maysoon Pachachi, Regisseurin
"Ich war überzeugt, dass eigentlich immer nach Kriegen, wenn das Schießen aufhört, die Leute denken ’Okay, es ist zu Ende’. Aber natürlich ist es nicht zu Ende. Der Krieg geht weiter in den Menschen und er zerstört das Leben der Menschen."
- "Reema, wo bleibst du denn, wir müssen los!"
Die alleinerziehende Schriftstellerin Sara und ihre 9-jährige Tochter Reema versuchen, inmitten des Terrors, Normalität zu simulieren und vor allem am Leben zu bleiben.
Filmausschnitt "Unser Fluss... Unser Himmel"
"Steig endlich ein, du Scherzkeks."
- "An der Hauptstraße gab es gestern eine Explosion, ich möchte nicht, dass die Mädchen das sehen."
"Na klar, ich fahr woanders lang."
Darina Al Joundi, Schauspielerin
"Es zerstört die Menschen innerlich. Das bleibt in ihnen für den Rest ihres Lebens. Das ist etwas, das nie wieder geheilt werden kann."
"Mama..."
Da ist auch der völlig traumatisierte Haider, dessen Mutter umgekommen ist und der fortwährend nach ihr sucht.
"Mama... Mama... Mama..?"
Der Film folgt keiner klassischen Dramaturgie. Er erzählt in Episoden die Schicksale von Menschen in einem Stadtteil von Bagdad, die verwandt miteinander oder einfach nur Nachbarn sind. Die einzelnen Geschichten dieses Films sind wie Splitter nach einem Bombenanschlag – zusammengesetzt ergeben sie das, was früher einmal normales Leben war.
Meriam Abbas – so sagt sie - hat durch die Dreharbeiten hautnah erlebt, wie gegenwärtig und immer noch aktuell dieser Krieg ist – seine Folgen sind bis heute nicht vorbei. Im Irak nicht und weltweit. Und genau das will die irakische Regisseurin mit diesem Film zeigen.
Maysoon Pachachi, Regisseurin
"Ich war absolut gegen diesen Krieg. Und wie sich zeigt, war es wie eine Blaupause für das, was in der Ukraine gerade los ist. Sie haben doch gehört, was Joe Biden gesagt hat: ‚Das ist eine illegale Okkupation eines souveränen Landes. Und wir Amerikaner machen sowas nicht’. Und man denkt: Ach, tatsächlich...?!"
Autor: Ulf Kalkreuth