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Ein Stück DDR-Geschichte in Gefahr: Das sogenannte Generalshotel auf dem Gelände des BER. Der Prachtbau wurde Ende der 40er Jahre für sowjetische Militärs errichtet und aufs feinste ausgestattet. Jetzt könnte er einem Parkplatz für die Flugzeuge der Bundesregierung zum Opfer fallen, obwohl er unter Denkmalschutz steht. Wie erhaltenswert ist das bauliche Erbe der Deutschen Demokratischen Republik?
Lange her, dass man am alten Flughafen Schönefeld übers Rollfeld gefahren ist. Eine Reisegruppe mit einer Mission macht sich auf den Weg zu einem freistehenden Gebäude auf dem Flughafengelände.
Das Generalshotel steht hier seit fast 75 Jahren. Noch.
Haiko Türk, Landesdenkmalamt Brandenburg
"Wenn ich das heute das erste Mal sehe, es blutet einem das Herz, das ist ganz klar."
Das Haus soll abgerissen werden – im Spätsommer sollen schon die Bagger rollen, wenn sie nicht aufgehalten werden.
Haiko Türk, Landesdenkmalamt Brandenburg
"Der Bau ist einmalig, so ein Denkmal haben wir bei den 14-tausend Denkmalen auf der brandenburgischen Denkmalliste nicht nochmal, nicht annähernd."
In den späten Vierzigern, als in Berlin Trümmer geräumt werden, wird für die sowjetische Militärverwaltung eine repräsentative Villa auf das Flughafengelände gebaut. Generäle und ihre Entourage will man hier gebührend empfangen.
Später geht das Haus in den Besitz der DDR über - Staatsgäste werden begrüßt und verabschiedet. Ein Hotel war das "Generalshotel" nie.
Zwischen den Rollfeldern hat es die Zeiten überdauert. Zuletzt hatte die Bundespolizei hier Büros. Und nun soll dieses Zeugnis der Nachkriegsgeschichte verschwinden?
Es gibt viele Menschen, die sich für den Erhalt einsetzen. Zum Beispiel Helgard Kühn. Ein Besuch in der Metallwerkstatt der Familie in Berlin-Grünau lässt einen in der Zeit reisen. Ihr Schwiegervater, der Metallkünstler Fritz Kühn, hat damals hier die Schmiedearbeiten ausgeführt. Im Fall des Abrisses sollen Elemente seiner Arbeit Museen angeboten werden.
Helgard Kühn, Fritz-Kühn-Gesellschaft
"Es ist plötzlich nichts mehr wert, weil ein anderes Gebäude dahin muss, das ist mir unverständlich. Von solchen großen Geländerteilen würden dann vielleicht drei Meter, vielleicht eine Ecke oder eine Rundung erhalten und das ergibt keinen Sinn. Es ist das Gesamtkunstwerk im Gebäude."
Im Innenraum des Generalshotels ist noch Einiges im Originalzustand erhalten. Doch Helgard Kühn hat schon häufig erlebt, dass Arbeiten von Fritz Kühn dem Abbruch zum Opfer fallen. Auch am Generalshotel ist durch Umbauten schon Vieles verschwunden.
Helgard Kühn, Fritz-Kühn-Gesellschaft
"Einer der beiden Fische am großen Brunnenbecken, eine wunderbare Kupfertreibarbeit. Für mich ist die Frage, warum machen das die heutigen Architekten. Warum können sie nicht Respekt haben vor der Arbeit anderer Architekten? Und warum kann auch die Politik nicht sagen: wir brauchen die Dokumente aus dieser Zeit."
Dort wo das Haus steht, soll Platz für die Flugbereitschaft der Bundeswehr geschaffen werden. Konkret wäre hier ein Parkplatz für ein Flugzeug. Tabula rasa, also.
Bundeskanzler Scholz, selbst auch Bundestagsabgeordneter aus Brandenburg, hat bereits abgewunken und auf die zuständigen Behörden verwiesen. Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch von der Linken sieht ein Muster hinter dem drohenden Abriss.
Gesine Lötzsch, MdB Die Linke
"In den vergangenen Jahren haben wir gesehen, wie man wirklich sehr herablassend mit DDR-Architektur, DDR-Moderne umgegangen ist. Ich erinnere nur an das Schicksal des Palasts der Republik oder solche architektonisch interessanten Sachen wie das Ahornblatt und ich glaube, dass man endlich etwas mehr Respekt, aber auch Geschichtsbewusstsein haben sollte, ansonsten ist man ein Kulturbanause."
Die Debatte um DDR-Architektur und Ostmoderne will der Architekturkritiker Nikolaus Bernau mit dem Gebäude nicht verknüpfen. Was ihn ärgert, ist, dass in Zeiten ökologischer Fußabdrücke überhaupt ein Abriss geplant ist.
Nikolaus Bernau, Architekturkritiker
"Was aber die zentrale Frage ist: wie gehen wir überhaupt mit dem baulichen Erbe um und mit dem gebauten Bestand in unserer Republik? Können wir es überhaupt noch verantworten, ein vollständig intaktes Gebäude, das ohne Probleme für diverse Zwecke genutzt werden kann, abzureißen? Und da bin ich ganz klar der Meinung, nein, das geht heute eigentlich nicht mehr – das ist vollkommen archaisch."
Erst 2034 soll die Flugbereitschaft in Schönefeld ihren Standort beziehen – warum soll jetzt also zügig abgerissen werden? Nikolaus Bernau sind staatliche Behörden zu unbeweglich, wenn Geld für Projekte erst einmal bewilligt ist.
Nikolaus Bernau, Architekturkritiker
"Es wird deswegen abgerissen, weil man das einmal beschlossen hat, nicht deswegen, weil es besonders sinnvoll oder unbedingt notwendig ist. Und das ist ein chronisches Problem der deutschen Planungskultur, dass wir Pläne durchsetzen, weil sie einmal beschlossen wurden."
Passend dazu verkündet Bundesbauministerin Klara Geywitz jetzt, nichts bewirken zu können. Und sie verweist auf alte Pländ. Eine Diskussion im Haushaltausschuss des Bundestages ist beantragt. Hinter den Kulissen wird viel telefoniert. Für Mathias Papendieck, SPD-Bundestagsabgeordenter aus Eisenhüttenstadt, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Mathias Papendieck, MdB SPD
"Haushaltsentscheidungen obliegen uns Abgeordneten. Wir sind diejenigen, die am Ende über den Haushalt entscheiden. Ich halte es klar für möglich, dass man dort ne Regelung findet, dass dieses Objekt, das gut gelegen und auch nicht schlecht erhalten ist auch einer weiteren Nutzung zuführen kann. Da kann man sich Verschiedenstes vorstellen."
Könnte dieses Baudenkmal tatsächlich wegen einer Mischung aus Behördenbräsigkeit und Geschichtsvergessenheit zerstört werden? Die nächste Woche, die letzte Sitzungswoche vor der Sommerpause im Bundestag, dürfte wichtig werden.
Autor: Steffen Prell