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Keine Rechtsverbindlichkeit, nicht einseitig anrufbar: Die Kommission zur Rückgabe von NS-Raubkunst klagt zu ihrem 20. Jubiläum über die eigene Machtlosigkeit. Die Rückgabe von Raubkunst bleibt für die Betroffenen ein bedrückender Kampf, mehrere Bundesregierungen lassen das Thema seit Jahren liegen. Warum, fragen wir bei Kulturstaatsministerin Claudia Roth nach.
Ein anderer Fall um Nazi-Raubkunst beginnt hier, mit dem KaDeWe. Betrieben wurde es unter anderem von Max Emden. Ein Kaufmann, der viele Warenhäuser hatte und als Erfinder des Großhandels gilt. Und obwohl Emden schon als 19-jähriger seinen jüdischen Glauben ablegt und zum Christentum konvertiert – verliert er nach 1933 Stück für Stück alles: Seine Kaufhäuser, seine Grundstücke und seine Kunstsammlung.
Maeva Emden ist die Urenkelin von Max Emden. Sie und ihr Vater haben einen 14-jährigen Kampf gegen die Bundesrepublik Deutschland hinter sich, um zumindest 2 Bilder aus dem Familienbesitz zurückzubekommen.
Maeva Emden, Urenkelin Max Emden
"Ich merke wie tief das saß. Und für uns auch als Familie, das war ein Hoch und Nieder der Emotionen. Und dass man als Opfer dann noch Bittstellungen machen muss und Geld in die Hand nehmen muss, um einen Rechtsanwalt zu bezahlen und das noch mal durchzugehen, das zu beweisen – ist schon anstrengend."
Festempfang vor wenigen Tagen im Jüdischen Museum Berlin. Geladen sind auch Erbinnen wie Maeva Emden. Gefeiert wird das 20jährige Bestehen der "Beratenden Kommission". Und so rätselhaft harmlos dieser Name klingt – so harmlos ist auch das Wirken dieser Kommission. Sie soll dafür sorgen, dass Leute wie Maeva Emden Familienbesitz zurückbekommen, den die Nazis ihren Vorfahren geraubt haben.
Juli 2003: "Die Beratende Kommission NS-Raubgut" wird gegründet – mit prominenten Mitgliedern. Aber es bleibt eine Kommission ohne Durchgriffsrechte: Sie hat immer nur die Macht des Appells an das gute Gewissen von Politik und Museumsbetrieb.
Die Kommission steht von Anfang an vor einem großen Problem: Sie kann nur dann Streitfälle lösen, wenn auch die Museen, die NS-Raubkunst zurückgeben sollen, dem zustimmen. Ein absurder Konstruktionsfehler. Bei der Geburtstagsparty platzt dem Kommissionsvorsitzenden und dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, der Kragen.
Hans-Jürgen Papier, Vors. "Beratende Kommission NS-Raubgut"
"Die seit 20 Jahren bestehende Beratende Kommission hat keine eigene Rechtspersönlichkeit und sie hat auch keine rechtsverbindliche Grundlage. Sie bewegt sich, wenn sie so wollen – das sage ich jetzt mal als Verfassungsrechtler – in einem rechtsfreien Raum."
Ein Eklat mit 20-jähriger Ansage. Maeva Emden erlebt das 14 Jahre mit. 2005 ruft sie die Kommission an, weil sie erfahren hat, das eins ihrer Bilder – ein Barockgemälde des Dresdner Zwingergrabens von Canaleto – im Palais des Bundespräsidenten hängt. Der trennt sich schnellstens vom toxischen Kunstgut und übergibt es dem Militärhistorischen Museum in Dresden – nun hat das Verteidigungsministerium die heiße Ware am Hals. Familie Emden aber läßt nicht locker – also wandert das Bild ins Finanzministerium. So beschreibt es Maeva Emden. Diesem Treiben musst sie über 10 Jahre lang zuschauen – weil der Bund sich weigert, den Streitfall von der "Beratenden Kommission" entscheiden zu lassen.
Seit 2013 war Monika Grütters Kulturstaatsministerin. Sie versichert, von dem Canaletto-Fall nichts gewusst zu haben.
Wir treffen Monika Grütters, um sie zu fragen, warum sie in ihren 8 Amtsjahren bis 2021 keine Reform der Beratenden Kommission zustande gebracht hat? Warum die Nachkommen der NS-Opfer die Kommission nicht endlich einseitig anrufen können.
Monika Grütters, ehem. Kulturstaatsministerin
"Ich hab in meiner Amtszeit versucht, die einseitige Anrufung durchzusetzen, aber da es eine Bund-Länder-Einrichtung ist, müssen alle 16 Länder einer solchen Reform zustimmen und es waren nicht alle Länder dazu bereit."
Seit 6 Jahren ist Hans-Jürgen Papier Kommissionsvorsitzender. An Reformen glaubt der Jurist überhaupt nicht mehr – vorige Woche stellte er die Maximalforderung: Ein Restitutionsgesetz.
Hans-Jürgen Papier, Vors. "Beratende Kommission NS-Raubgut"
"Der Bund könnte z.B. die Kommission einrichten, als eine Behörde, als eine Bundesoberbehörde, die dann verbindlich entscheidet, ob Restitutionsansprüche bestehen oder nicht."
Ein Restitutionsgesetz aber würde Jahre brauchen und auch dem müssten die Länder zustimmen. Ausgang ungewiss.
Es wäre also schon ein großer Erfolg, wenn die Erben die Museen nicht mehr als Bittsteller um Erlaubnis fragen müssten - wenn die ‚einseitige Anrufbarkeit’ der Kommission endlich möglich wäre. Solche moderateren Töne hört man seit einigen Tagen von hochrangigen Kommissionsmitgliedern.
Wolf Tegethoff, stellv. Vors. "Beratende Kommission NS-Raubgut"
"Ich glaube, dass wir auf dem Weg der einseitigen Anrufbarkeit schon ganz gut vorangeschritten sind, das ist noch nicht alles in trockenen Tüchern, das bedarf noch der Abstimmung mit den Ländern. Soweit ich gehört habe, ist das im kommenden Monat geplant."
Kulturstaatsministerin Claudia Roth ist seit Dezember ’21 im Amt. Viel Zeit ist also vergangen. Sie sagt, dass sie seit Monaten Telefon-Diplomatie mit den Ländern mache, um sie zu dieser ersten Reform zu überreden.
Claudia Roth, Kulturstaatsministerin
"Ich will mich ja nicht schreihalserisch gegen die Länder aufstellen, weil das nützt mir ja gar nichts. Ich brauch’ die Zustimmung der Bundesländer. Und es gibt ’ne große Offenheit und ’ne große Bereitschaft und auch ’ne Einsicht, dass wir agieren müssen. Und ich höre, dass die Länder bereit sind, tatsächlich zu agieren."
Alle 16 Länder müssen mitmachen! Und aus Roths Ministerium hört man, dass diese erste Reform bis Ende Oktober durch sein soll. Wir werden sehen.
Familie Emden hat ihren Canaletto 2019 zurückerhalten. Sie hat ihn sofort versteigern lassen. Warum? Sie brauchte das Geld, um die horrenden Anwaltskosten für den 14-jährigen Rechtsstreit mit Deutschland zu bezahlen.
Autor: Ulf Kalkreuth