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Über Berlin kam der Tango vor 110 Jahren nach Berlin. Im Admiralspalast wurde er 1913 er erstmals in Deutschland auf einem Tanztunier gezeigt. Heute ist Berlin eine der wichtigsten Tangometropolen Europas, mit vielen Tanzschulen, Tangofestivals und herausragenden Musiker:innen. Zum Beginn der Saison sprechen wir mit dem gefeierten Bandonisten Omar Massa.
Omar Massa, Bandoneon-Spieler
"Um die Seele des Tangos zu verstehen, muss man Tango hören oder Tango tanzen oder den Tango erleben, weil man es nicht einfach so erklären kann. Ich glaube, anstatt dass ich Berlin gewählt habe, hat Berlin mich gewählt. Berlin hat die meisten Tangoorte, außerhalb von Buenos Aires im Moment, glaube ich."
Omar Massa spielt das Bandoneon. Das Hauptinstrument des Tangos. Schon als sechsjähriger Junge spielt er in Cafés in Buenos Aires. Seit 2019 lebt er in Berlin und spielt im Kammerorchester. Der Tango und das Bandoneon, ein deutsches Instrument, verbinden Berlin und Buenos Aires. Mit Einwanderern aus Deutschland kommt das Instrument Ende des 19. Jahrhunderts nach Argentinien. Entstanden ist der Tango in den Armenvierteln und den Häfen von Rio de la plata, die Grenzregion zwischen Argentinien und Uruguay.
Omar Massa, Bandoneon-Spieler
"Die Seele des Tangos formte sich. Und es gab diese Mischung, diese geheimnisvolle Alchemie aus verschiedenen Kulturen, Ländern und Lebensweisen, die entwickelten, was der Tango heutzutage ist."
Vor dem ersten Weltkrieg schwappt eine Tangowelle zurück nach Europa - die Tangomanie bricht aus. Der feurige Tanz ist so beliebt, wie verrucht: Kaiser Wilhelm II soll seinen Offizieren untersagt haben, in ihren Uniformen Tango zu tanzen. Seine zweite Welle erlebt der Tango dann in den 80er Jahren. Tangokünstlerinnen und Tänzer flüchten vor Militärdiktaturen in Südamerika nach Berlin. Eine Pionierin damals ist Angelika Fischer.
Angelika Fischer, Tangolehrerin
"Ja, es war eine unheimlich aufregende, spannende und tolle Zeit. Die Kleidung wurde nur improvisiert, es gab noch keine Tango Moden. Aber die Begeisterung, die war da absolut. Und ich, wie gesagt, ich bezeichne das Ganze als die wilden Jahre des Tangos."
Wild auch deshalb, weil der Tango in den Jahrzehnten zuvor zum Spießerschwof verkommen ist. Eine ordentliche Schrittfolge, eingedeutscht und bieder, der Tango als Standardtanz fernab von Emotion. Heute ist der Tango wieder Ausdruck von Melancholie und Sehnsucht.
Omar Massa, Bandoneon-Spieler
"Der Klang des Bandoneons umarmt dich, und der Tango gibt dir die Möglichkeit, dich mit der Melancholie zu versöhnen, die in Berlin und in Buenos Aires herrscht."
Angelika Fischer, Tangolehrerin
"In dem Moment, wenn ich tanze, gibt es eigentlich nur die Musik und den Tanzpartner. Und das ist eigentlich der Moment, der wirklich zu genießen ist. Und ich habe es oft erlebt, auch wenn in Zeiten, wo es schwierig ist im Leben, der Moment ist, immer dann, wo man ausschalten kann, wo man versinken kann. Und er hat mich immer wieder tief berührt."
Wenn die Tage kürzer werden, beginnt die Tangosaison. In der gesamten Stadt gibt es sogenannte Milongas, wie hier in der Tanzschule Bepob. Milonga lässt sich nicht übersetzen. Im Spanischen ist es gleichzeitig der Volkstanz, der Schwindel, die Tanzveranstaltung.
Angelika Fischer, Tangolehrerin
"Das Tolle ist ja auch im Tango, dass es ein improvisierter Paartanz ist. Es ist wie eine Sprache, die man lernt. Dieses egal welche Sprache, ob Italienisch, Spanisch oder welche Sprache du sprichst, du gehst tanzen und du hast immer die Verständigung, diese nonverbale Verständigung. Du nimmst deine Arme, du hast eine Nähe, die du aufbaust und hast du. Du erfährst sehr viel von einem Menschen innerhalb von so zwei, drei Tänzen."
Omar Massa, Bandoneon-Spieler
"Aus irgendeinem Grund übt die Musik von Buenos Aires in Berlin diese Anziehungskraft aus, weswegen es so viele Milongas gibt und so viele Menschen, die Tango tanzen. Und Berlin, Deutschland, hat der Musik von Buenos Aires eine Stimme gegeben: das Bandoneon. Es ist also eine übersinnliche Beziehung."
Autorinnen: Nicole Duarte, Marie Röder