-
Kaum jemand kennt die Nachkriegsgeschichte des Pergamonmuseums besser, als Dr. Liane Jakob-Rost. Ende der 40er Jahre kam sie hier her, bemühte sich sehr um die Rückgabe von Artefakten aus der Sowjetunion. Später wurde sie eine der Direktorinnen des Vorderasiatisches Museums. Für uns ist sie nach langer Zeit, mit Mitte 90 noch einmal zurückgekehrt.
Zum Glück ist Herr Jendritzi da - den kennt sie noch von früher. Liane Jakob-Rost ist lange nicht hier gewesen. Sehr lange.
Liane Jakob-Rost, ehem. Direktorin Vorderasiatisches Museum
"Ich wollte eigentlich nicht. Nie wieder wollte ich hier nen Fuß reinsetzen."
Der Besuch der älteren Dame. In den späten Jahren der DDR ist Liane Jakob-Rost Direktorin am Vorderasiatischen Museum gewesen. Aber dann… Naja, gleich mehr dazu. Über 30 Jahre liegt ihr letzter Besuch zurück. Aber: einmal Direktorin, immer Direktorin, die Artefakte liegen ihr am Herzen.
"Ganz schön voll, oder?"
- "Aber ich bin froh, dass das nicht immer so ist. Die Sachen leiden doch da drunter."
Liane Jakob-Rost ist Jahrgang 1928. Das Museum kennt sie so lange wie wohl kaum jemand sonst. Nach dem Krieg hat sie als unbezahlte Hilfskraft hier angefangen. Für das Altertum hat sie sich schon als Kind interessiert. Ein Professor für Altorientalistik gab ihr schon früh den entscheidenden Wink.
Liane Jakob-Rost, ehem. Direktorin Vorderasiatisches Museum
"Der hatte mal gesagt: Was wollen Sie bei den Ägyptern? Da gibt’s so viele Leute… Kommen Sie doch zu uns! Und dann durfte ich, noch während ich zur Schule ging, noch vor dem Abitur, konnte ich schon Keilschrift lernen."
Die Welt war ein andere, damals. Das Pergamonmuseum hätte es schlimmer treffen können im Krieg, aber dennoch.
Liane Jakob-Rost, ehem. Direktorin Vorderasiatisches Museum
"Und hier hat einer von zwei kleinen Löwen das Gesicht verloren. Oben war ein Bombenloch, da hat’s die Decke durchgeschlagen und dem kleinen Löwen ist ganz sauber das Gesicht abgeschnitten worden."
"Ich bin oft noch auf dem Glasdach rumgekrochen und hab` Wasser geschöpft. Das ist n Doppeltes gewesen und wir haben aus dem Unteren mit irgendwelchen Töpfen oder Schüsseln Wasser rausgeschöpft, damit es hier nicht runterfällt in die Prozessionsstraße."
Anfang der fünfziger Jahre promoviert Liane Jakob-Rost. Einige Zeit später wird ihr ein besonderer Auftrag zuteil. Sie reist nach Moskau und Leningrad um deutsche Kulturgüter aus russischem Besitz entgegenzunehmen. Auch die Friestafeln des Pergamonaltars kehren damals zurück nach Berlin. In Zeiten des Ukraine-Kriegs: ein freundliches Wort über Russland.
Liane Jakob-Rost, ehem. Direktorin Vorderasiatisches Museum
"Die russischen Kollegen waren sehr froh, dass sie die Sachen loswurden. Die haben nämlich die ganzen Jahre, in denen sie sie hatten, nur unsere Sachen gepflegt, restauriert und gemacht, und haben dann ihre eigenen Aufgaben dann in den Hintergrund gestellt. Durch die Hände ist mir gar nichts gegangen. Wir durften nichts anfassen, das haben die russischen Kollegen alles selbst gemacht. Wir durften nur auf dem Stuhl sitzen und die Listen führen."
1978 wird sie Museumsdirektorin. Und ihr wird eine der höchsten Auszeichnung der DDR zuteil: Es gibt eine Sandmännchen-Folge mit ihr.
"Heute haben wir uns wieder mit Frau Dr. Rost im Pergamonmuseum verabredet."
- "Jetzt gehen wir durch die Prozessionsstraße von Babylon."
Liane Jakob-Rost, ehem. Direktorin Vorderasiatisches Museum
"Weil ich so ne hässliche Stimme habe, haben sie mir denn jemand anders unterlegt, nach meinem Text."
"Prozessionsstraße?"
- "Auf dieser Straße bewegte sich zum Neujahrsfest in Babylon ein feierlicher Umzug."
Der Schutz der Objekte, das war ihr großes Thema - und ist es noch. Am Menschen kann man verzweifeln…
Liane Jakob-Rost, ehem. Direktorin Vorderasiatisches Museum
"Wir haben hier die großen Löwen von Zincirli. Und wenn Sie mal drauf achten: Der eine hat n ganz schwarzen Zahn. Die Menschen werden ja nicht vernünftiger. Anfassen ist das Wenigste, aber rumbohren und rumpolken, das ist ne andere Sache!"
Nach der Wende wird Sie in Rente geschickt, gegen ihren Willen. Sie war stinksauer. Und jetzt: hat sie sich doch überwunden und ist extra zum Friseur gegangen. Die Prozessionsstraße lag ihr immer besonders am Herzen. Einmal Direktorin, immer Direktorin.
"Dreißig Jahre nicht gesehen, was ist das jetzt für ein Moment für Sie?"
- "Ich bin froh, dass die Absperrung noch steht. Ja, meine Lieben… schön seid ihr. Wenn man die Kultur liebt, liebt man auch ihre archäologischen Reste. Ich bin doch ganz froh, dass ich’s wieder mal sehen kann. Hab ich mich doch kasteit, sozusagen, in der Zeit."
Nie wieder wollte ich hier n Fuß reinsetzen. Naja… Manchmal ändert man sich eben doch.
Autor: Steffen Prell