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Oz Ben David und Jalil Dabit betreiben seit einigen Jahren das Restaurant "Kanaan" in Berlin Prenzlauer Berg. Oz Ben David ist jüdischer Israeli, Jalil Dabit ein israelischer Palästinenser aus Ramla. In ihrem Restaurant wollen sie zeigen, wie Toleranz und Verständigung ganz praktisch funktionieren. Seit drei Jahren haben die beiden an einem Kochbuch gearbeitet, das diese Woche endlich vorgestellt werden sollte. Dann ermordete die Hamas hunderte Zivilisten in Israel und nichts war mehr wie vorher. Jetzt haben sich die Kanaan-Macher entschieden, an ihrem Plan festzuhalten. Gerade angesichts der Eskalation der Gewalt in Israel und auch auf den Straßen Berlins soll ihre Botschaft gehört werden.
Oz Ben David hat schlimme Tage hinter sich. Dem israelischen Gastronom gehört das Restaurant "Kanaan" im Prenzlauer Berg. Ein Teil seiner Familie lebt im Kibbuz Re’im, das von der Hamas brutal angegriffen wurde. Ben David versucht ihnen von hier aus irgendwie beizustehen. Doch die meiste Zeit fühlt er sich hilflos.
Oz Ben David, Restaurant "Kanaan"
"Ich habe alles gefühlt. Angst, Sorge, Wut. Ich hab mich erstickt gefühlt, mich dumm gefühlt. Ich dachte: Oh mein Gott jetzt werden alle wütend auf mich sein, weil ich schon so lange jedem erzähle, dass Frieden möglich ist. Und schau dir an, was jetzt passiert ist."
Völkerverständigung und Nächstenliebe, darum ging es, als Oz Ben David und sein palästinensischer Freund Jalil Dabit vor 8 Jahren das "Kanaan" eröffneten. Ihr Restaurant soll zeigen, dass beide Seiten friedlich zusammenleben können, es gibt israelische und palästinensische Gerichte.
Ihre Mitarbeiter stammen aus Syrien, dem Libanon, Pakistan, Iran. Einige von ihnen sind Geflüchtete. Jalil Dabit ist gerade in Ramla bei seiner Frau und seinem Sohn. Solange Krieg ist, wird er dort bleiben. Die Zwei telefonieren mehrmals am Tag. Der Krieg stellte ihre Freundschaft anfangs auf die Probe.
Oz Ben David, Restaurant "Kanaan"
"Egal, wie hart ich mit ihm umgegangen bin, und ich war wirklich sehr hart mit ihm - hab ihm so viel an den Kopf geworfen. Ich meinte: Ihr seid grausam. Ihr seid Tiere. Wie könnt ihr sowas machen? Aber Jalil war einfach großartig. Er blieb ruhig. Er war immer an meiner Seite. Und hat mir Halt gegeben."
Als der Krieg losgeht, schließt Oz Ben David das Restaurant für ein paar Tage, zu groß ist der Schmerz. Dann kommt der Aufruf der Hamas zu weltweiten Protesten aller Muslime und Araber. Viele seiner israelischen Freunde schließen ihre Geschäfte - aus Angst. Daraufhin entscheidet Oz Ben David, dass er sich nicht einschüchtern lassen will und öffnete das "Kanaan" wieder.
Oz Ben David, Restaurant "Kanaan"
"Rias, unser Küchenchef aus Syrien, er ist fast 60, ein sehr großer Kerl, stand an dem morgen, als ich wieder öffnete vor der Tür und rauchte und lächelte mich an. Und ich kam hier an mit schwerem Herzen und total verunsichert. Und fing an zu weinen. Und er umarmte mich und tröstete mich. Sie müssen verstehen, ich habe den Großteil meiner Kindheit in einem Kibbuz auf den Golanhöhen gelebt. Das ist an der Grenze zu Syrien. Und ich erinnere mich noch genau daran, wie wir bei Alarm vor Angriffen aus Syrien in die Schutzräume fliehen mussten, um uns zu verstecken. Das war für uns völlig normal. Und in diesem Moment in den Armen von Rias zu liegen und das Mitgefühl, das ich gebraucht habe, von jemandem zu bekommen, der eigentlich von der anderen Seite ist, das hat mich total überwältigt. Und von dem Moment an, war ich wieder voll fokussiert und habe verstanden, was wir hier wertvolles tun und geschaffen haben."
Oz Ben David versucht Jalil in Ramla zu erreichen. Doch bei ihm ist Alarm. Die Hamas feuert Raketen auf die Region Tel-Aviv. Er muss sich in Sicherheit bringen.
Oz Ben David, Restaurant "Kanaan"
"Ich weiß für Europäer klingt das sehr dramatisch. Aber wir sind das total gewohnt."
Später erreicht er ihn.
Jalil Dabit, Restaurant "Kanaan"
"Ich habe Angst, dass dieser Krieg noch größer wird und es immer mehr Angriffe werden. Ich hoffe einfach, dass so schnell wie möglich alle Geiseln frei kommen und dass sie anfangen eine Lösung zu finden. Und zwar eine andere Lösung. Keine militärische. Denn das haben wir jetzt seit 75 Jahren so gemacht und es hilft nicht, es reicht nicht aus."
Dass sich auch in Berlin Hass und Aggression breit macht, wundert Jalil Dabit nicht.
Jalil Dabit, Restaurant "Kanaan"
"Das war schon die ganze Zeit so. Nur bisher war es nicht so sichtbar. Jetzt können wir es sehen und fühlen. Aber es war schon immer so. Deswegen ist das "Kanaan" in Berlin, weil wir wollen, dass auch hier beide Seiten verstehen, dass da ein Problem ist, das wir lösen müssen."
Zwei Jahre haben die Beiden an einem Kochbuch gearbeitet. Darin stehen neben Rezepten auch Geschichten - aus ihrer Kindheit und zu Traditionen ihrer Familien. Ausgerechnet jetzt ist es veröffentlich worden. Ein schwieriger Zeitpunkt. Doch sie sehen es als Möglichkeit, Trost zu finden und daran zu erinnern, dass Israelis und Palästinenser im Grunde viel gemeinsam haben.
Oz Ben David, Restaurant "Kanaan"
"Wir haben unsere Geschichten aufgeschrieben und dann an unseren Verleger geschickt. Und er schrieb uns zurück und meinte: Wer ist denn wer? Welche Geschichte gehört zu wem? Und da haben wir gemerkt, für Außenstehende sind da gar keine Unterschiede zu erkennen. Es gibt keine."
Für einen kurzen Moment hatte Oz Ben David die Hoffnung verloren. Doch inzwischen hat er sie wiedergefunden, glaubt weiterhin daran, dass Konflikte überwunden werden können. Europa sei das beste Beispiel. Deswegen ist er in Berlin.
Oz Ben David, Restaurant "Kanaan"
"Dass ich als Israeli, 75 Jahre nachdem meinen Leuten hier das Schlimmste angetan wurde, nach Berlin komme, hier die Liebe finde und einen deutschen Mann heirate - Wie viel mehr Hoffnung braucht es in deinem Leben, um daran zu glauben, dass sich Dinge ändern können?"
Autorin: Lilli Klinger