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Die polnische Autorin Joanna Bator stellt in Berlin ihren vierten Roman "Bitternis" vor. Es ist eine epische Erzählung über mehrere Generationen – erzählt ausschließlich aus der Perspektive von Frauen. Joanna Bator schafft nicht nur starke Frauenfiguren, sie ist auch davon überzeugt, dass der Aktivismus der Polinnen einen großen Anteil am Sturz der rechtspopulistischen Regierung hat.
Direkt aus Warschau ist Joanna Bator ins Literarische Colloquium Berlin am Wannsee gekommen - mit dem eigenen Auto. Es sind gerade glückliche Tage in Polen, sagt sie, seitdem die Opposition die Wahlen gewonnen hat. Im Gepäck hat die Schriftstellerin ihr neues bewegendes Buch: In "Bitternis" erzählt sie eine Geschichte von 4 Generationen starker Frauen – von Müttern und Töchtern.
Joanna Bator, polnische Schriftstellerin
"Ich mag Sagas. Feministische Sagas. Und ich habe mich schon immer mehr für die Frauen und ihre Geschichten interessiert, als für seine Geschichte. Niemand fragt Männer, warum sie über Männer schreiben? Ich habe also nicht das Gefühl, dass ich erklären muss, warum ich über uns schreibe, über Frauen."
"Es ist wahrscheinlich mein persönlichstes Buch überhaupt, alle meine 4 Charaktere zeigen die Gefühle, die ich selbst während meine Kampfes für Freiheit und Unabhängigkeit hatte."
"Alles beginnt mit Berta."
Berta ist die Mutter von Barbara, die das aber erstmal nicht weiß, weil sie im Waisenhaus während des 2. Weltkriegs aufwächst. Barbaras Tochter ist Violetta.
"Violetta ist eine Dramaqueen – sehr tragisch."
Violetta ist wiederum die Mutter von Kalina. Und es ist an Kalina, das dunkle traumatisierende Geheimnis der 4 Generationen Frauen aufzudecken. Am Anfang des Buches zieht sie in ein verlassenes Haus in ein kleines Dorf in Schlesien – Joanna Bator stellt es sich vor wie diese Häuser auf ihrem Instagram Account. Tatsächlich hat im Roman dort auch schon Kalinas Urgroßmutter gelebt – also Berta mit ihrem Vater.
"Alles begann auf dem deutschen Friedhof in Polen, in einem kleinen Dorf namens Unislaw Slasky Langwaltersdorf zu deutschen Zeiten. Dort stieß ich auch Anna Iongic, die ihren Vater umbrachte und aus seiner Leiche Würste machte. die Symbolkraft dieser Geschichte. Sie hat mich beeindruckt. Es war wie ein umgekehrter freudsche Ödipus Mythos. Es ist die Tochter nicht der Sohn, die den Vater tötet. Eine sehr kraftvolle Geste im Kampf gegen das Patriarchat."
Also hat Joanna Bator der Roman-Urgoßmutter Berta auch ein Messer in dir Hand gedrückt. Das Spiel mit Blut, Messern und Empowerment macht ihr sichtlich Spaß. Berta ist eine Metzgers Tochter und auch sie macht aus ihrem Vater ein Würstchen.
"Schöne Berta Koch was sie fühlt, ist Wut. Aber es reicht nicht, um frei zu werden. Sie wird ihre Träume nicht leben können. Sie wird nie das Leben mit ihrem Geliebten haben, von dem sie träumt. Sie hat nur ein Messer, das sie geschickt einsetzt, aber das reicht nicht, um weiterzukommen. Als ich noch sehr jung war, war ich genauso wütend, ich war Berta, könnte man sagen."
Das ist das Trauma, von dem aber Bertas Tochter Barbara nichts weiß. Vielmehr wächst sie ohne Mutter auf – im Waisenhaus:
Joanna Bator, polnische Schriftstellerin
"Ich interessiere mich für Generationentraumata und die Art und Weise, wie sie von Generation zu Generation weitergegeben werden. Denn manchmal, vielleicht sogar häufiger als sonst, wird es ohne Worte weitergegeben."
Diese Familiensaga von Müttern, die ihr Trauma an ihre Töchter weitergeben spielt in Schlesien. Während Berta noch deutsch ist, wird die Waise Barbara zur Polin. nach dem Krieg zieht sie mit ihren Adoptiveltern nach Wroclaw, Breslau - erlebt, was Joanna Bator selbst erlebt hat.
Joanna Bator, polnische Schriftstellerin
"ich bin selbst sowas wie deutsch-polnisch, würde ich sagen. Ich bin im Haus meiner Großeltern aufgewachsen und in der Wohnung wohnten vorher Deutsche und sie hatten all die Dinge die dort waren zurückgelassen. Das ist ein Teil meines Erbes, meiner Identität."
Die selbstbewussten polnischen Frauen standen Schlange vor 2 Wochen, so Joanna Bator, und haben so die rechtskonservative Regierung abgewählt. Schon vorher waren sie zu tausenden gegen die PIS-Partei auf den Straßen. Eine von ihnen hätte auch Kalina sein können, Joanna Bators jüngste Figur.
Joanna Bator, polnische Schriftstellerin
"Die Rolle der Frauen sollte in diesem politischen Wandel in Polen nicht unterschätzt werden, denn wir haben durch unser Märsche auf den Straßen der polnischen Städte und Gemeinden das Bewusstsein der Menschen verändert hat. Derer, die nicht mitmarschiert sind, sie wurden auch wütender und verstanden besser, was in Polen vor sich geht. Ich bin jetzt sehr froh. Ich meine, mir fehlen die Worte."
Genau solchen starken polnischen Frauen begegnet man in Joanna Bators Buch. Sie erzählt von ihrer Emanzipation - ihrem Mut und ihrer Verzweiflung und das mit viel bösem Humor und Fantasie – Es ist wieder ein tolles Joanna Bator Buch – nicht umsonst ist sie eine der wichtigsten Stimmen der polnischen Literatur.
Autorin: Nathalie Daiber