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Eine junge Rumänin verlässt ihre Heimat und ihr Kind, um in Deutschland Geld zu verdienen, indem sie sich um die Tochter einer deutschen Familie kümmert. Eine beispielhafte osteuropäische Biografie: Clara wird zur Mutter zweier Kinder, eins in der Fremde, eins, schmerzlich vernachlässigt, zu Hause. Als ihr Sohn verschwindet, steht Clara vor schweren Entscheidungen. Wir treffen in Cottbus den Regisseur und den Darsteller des Sohns am Tag der Weltpremiere ihres Films "Clara".
"Ianout ist weggelaufen!"
- "Ionut? Wie?"
Es ist eine Nachricht, die Claras Leben, plötzlich auf eine Zerreißprobe stellt.
Die Rumänin arbeitet als Kindermädchen in Deutschland. Der kleinen Johanna ist sie täglich nah.
Ihr eigener Sohn Ionout lebt mehr als tausend Kilometer entfernt bei seinem Großvater in Rumänien. Als er verschwindet, fährt sie zurück nach Hause und muss sich dem Leben stellen, das sie zurückgelassen hat.
Clara ist der erste lange Spielfilm des rumänischen Regisseurs Sabin Dorohoi und feiert jetzt beim Filmfestival Cottbus seine Weltpremiere. Ein Sozialdrama, das auf wahren Begebenheiten beruht.
Sabin Dorohoi, Regisseur
"Ich bin auf einen Artikel in einer Rumänischen Zeitung gestossen. Es wurde über eine Reihe von Selbstmorden berichtet. – es waren kinder - 10, 11 Jahre alt, die sich von Ihren Eltern verlassen fühlten, die im ausland arbeitetet. Diese Nachricht hat mich nicht mehr losgelassen. Ich wollte etwas über dieses soziale Drama erzählen."
Zum ersten mal in einer Hauptrolle vor der Kamera: der 14 jährige Luca Puia. Er spielt Ionout, Claras Sohn.
Vielen seiner Freunde und Mitschüler geht es ähnlich wie Ionut. Auch sein eigener Vater lebt in England.
Luca Puia, Kinderdarsteller
"Es ist mir nicht schwergefallen, mich in die Rolle von Ionut hineinzu versetzen. Denn seine Situation ist mir sehr vertraut. Ich lebe auch nur mit einem Elternteil und kann seinen Schmerz und seine Trauer nachvollziehen."
11 Jahre lang hat Regisseur Sabin Dorohoi an diesem sehr persönlichen Spielfilm gearbeitet. Einer der Hauptdrehorte - das Haus, in dem er selbst aufgewachsen ist.
5 Millionen Rumänen arbeiten im Ausland. Sabin Dorohoi hat bisher vor allem Dokumentarfilme gedreht. Hier will er eine Geschichte hinter diesen Zahlen erzählen.
"Wer schickt denn Geld für Essen, Kleidung und Schule?"
"Und ich soll eine schlechte Mutter sein?"
Mehr als 300.000 Kinder wachsen in Rumänien bei ihren Großeltern auf – so auch Regisseur Sabin Dorohoi. Die Financial Times beziffert die Arbeitsmigration aus Rumänien als aktuell drittgrößte Migrationsbewegung weltweit. Sie begann mit dem Fall des Eisernen Vorhangs. Kurz nach dem Beitritt Rumäniens zur EU spitzte sich die Situation noch einmal zu – zulasten der rumänischen Frauen.
Sabin Dorohoi
"2008 kam die Finanzkrise und die hatte große Auswirkungen auf die Bauindustrie. Es gab es keine Arbeit mehr für die Bauarbeiter, also die Männer. Das brachte einen großen Umbruch. Die einzige Möglichkeit Geld im Ausland zu verdienen verlagerte sich plötzlich auf Pflegeberufe, die meist von Frauen ausgeübt wird."
Sabin Dorohoi sucht poetische Bilder, Landschaften, die die Gefühle der Figuren spiegeln. Eine der Hauptrollen im Film spielt der Fluss. Die Donau - die beide Welten, Deutschland und Rumänien miteinander verbindet.
"Warum bist du auf die Donau gegangen?"
- "Ich wollte zu Dir."
Sabin Dorohoi
"Das ist die Situation heute. Ich nenne es die Transnationale Familie. Die Eltern sind irgendwo im Ausland, die Kinder leben zu Hause bei den Großeltern. So ist das Konstrukt der modernen rumänischen Familie. Eine Familie, über Grenzen hinweg. Nur noch verbunden über Technologie."
Dass ihr Film auf dem Festival in Cottbus Weltpremiere feiert, bedeutet dem Filmteam viel.
"Clara" zeigt, welchen Preis die Menschen aus Osteuropa zahlen, die hier für uns arbeiten.
Luca Puia hofft für seine Zukunft auf eine Perspektive in der Heimat.
Luca Puia, Schauspieler
"Ich glaube, dass ich in Rumänien bleiben möchte, einfach weil es das Land ist, in dem ich zu Hause bin. Ich möchte in diesem Land bleiben, auch wenn es natürlich nicht gerade rosige Perspektiven bietet."
Autorin: Charlotte Pollex