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1998 einigten sich in Washington 44 Staaten, jüdische Opferverbände und zahlreiche NGOs auf Regeln zur Rückgabe von NS-Raubkunst aus öffentlichen Sammlungen. Trotz der Unverbindlichkeit dieser "Washingtoner Prinzipien" wurden seitdem zahlreiche Kunstwerke an die Erben der ursprünglichen Eigentümer zurückgegeben. Welche Geschichten hinter solchen Restitutionen stecken, zeigt das multimediale Erinnerungsprojekt "Kunst, Raub und Rückgabe", das jetzt online geht. Eine Geschichte handelt von Marianne Schmidl, die aus einer jüdischen Familie in Wien stammt. Nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 wurde sie als Jüdin erfasst und musste ihre geerbte Kunstsammlung verkaufen. Später wurde sie deportiert und in einem KZ ermordet.
Johann Schiller
"Mein Name ist Johann Schiller. Ich bin der Großneffe von Marianne Schmidl. Marianne Schmidl war die Schwester meiner Großmutter."
Johann Schiller, Großneffe von Marianne Schmidl
"Marianne Schmidl geboren, 1890 sie war die Tochter von einem jüdischen Rechtsanwalt, der aber zum Zeitpunkt seiner Hochzeit zum Protestantismus konvertiert ist. Das war eine typische Wiener Familie des späten 19., beginnenden 20. Jahrhunderts."
Johann Schiller
"Sie war die erste Frau, die in Österreich 1915 über ein anthropologisches Thema geschrieben hat. Diese Promotion über das Thema Zahlen und zählen in Afrika und hatte dann hier für eine relativ kurze Zeit die Stelle am damaligen Völkerkundemuseum."
"Marianne Schmidl wurde eben 1942 dann deportiert und sie hat einen Stolperstein in Wien. Auf dem Stolperstein steht: hier lebte eine jüdische Person. Und die Frage, die wir uns gestellt haben: Was würde Marianne Schmidl sagen, wenn jemand sagt, sie sei eine jüdische Person? Sie war doch Protestantin, also hat keine Konversion betrieben. Und ich bin der Meinung, dass das durchaus richtig ist, weil letztendlich so ist auch, glaube ich, das israelische Einwanderungsgesetz sagt: "Jüdisch ist, wer immer als solcher verfolgt wird." Und sie wurde als Jüdin verfolgt."
"Es ist ein wenig eine Künstlerfamilie, und zwar auf der mütterlichen Seite von Marianne Schmidl. Da geht die Verwandtschaft dann zurück zu den Olivier Brüdern."
"Wir wussten immer, dass es in der Familie Bilder gab. Wir wussten auch, dass meine Urgroßmutter vor 1938 an die Albertina einige Zeichnungen verkauft haben, die wir auch in Ausstellungen gesehen haben. Aber dass so von einer Sammlung Schmidl gesprochen wurde, das hab ich eigentlich erst 2013 oder so erfahren. Das war insofern interessant, als dass es Beschreibungen enthielt, der Bilder, die bei uns, seit meiner Kindheit in der Wohnung hängen."
"Und diese Sammlungen sind im Wesentlichen Werke von Friedrich Olivier, einige wenige von Ferdinand Olivier, einige wenige besonders schöne von Schnorr von Carolsfeld, auch ein Nazarener – ein Freund der beiden Oliviers. Also 35 Kunstwerke, davon einige wenige Ölbilder und viele Zeichnungen."
"Ich habe eigentlich erst im Zuge der Recherchen und im Zuge der Restitutionen mehr über diese Sammlung erfahren."
"Das ist das welke Blatt aus der Berliner Sammlung, das ist Friedrich Olivier und das ist Schnorr von Carolsfeld aus Washington."
Julia Eßl, Provinienzforscherin
"Mein Name ist Julia Eßl, ich bin Provenienzforscherin und im Auftrag der Kommission für Provenienzforschung seit mittlerweile zwölf Jahren an der Albertina tätig."
"Mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurden Mitte April 1938 Juden und Jüdinnen aufgefordert, ihr Vermögen offenzulegen und es wurde eine sogenannte Judenvermögensabgabe berechnet. Marianne Schmidl hat dann, als sie diesen Zahlungen nicht mehr nachkommen konnte, war sie eben dann gezwungen, die Kunstwerke aus ihrer Familie abzustoßen über eine Versteigerung."
"Hier finden wir die acht Blätter, die die Albertina 1939 bei der Auktion erworben hat und die aus der Sammlung Schmidl stammten."
"Ich hatte eben im Fall Schmidl den glücklichen Umstand, dass heute noch Familienmitglieder in Wien leben und es war wirklich schön zu sehen, dass sich innerhalb der Familie ein paar Dokumente, aber auch noch Kunstwerk erhalten haben."
Franz Schiller, Großneffe von Marianne Schmidl
"Mein Name ist Franz Schiller und die Marianne Schmidl ist meine Großtante."
"Das hier war ein Bescheid, dass also dem Ansuchen ein Mischling ersten Grades zu sein nicht stattgegeben worden ist. Und dieser Bescheid ist endgültig und damit war sie eine Volljüdin, die deportiert werden durfte."
Julia Eßl
"Das Letzte, was wir eben wissen ist, dass Marianne im April 1942 in das Ghetto Izbica in Polen deportiert worden ist. Und wir wissen auch heute weder ihr genaues Todesdatum oder die Umstände."
Franz Schiller
"Es war ein Schatten, der über der Familie gehangen ist. Es ist nicht so sehr gegangen, um was mit den Bildern jetzt geschehen ist, sondern es war eine Wolke, die ja eigentlich – eigentlich erst jetzt durch die Restitution vom Dunkel zu Hell geworden ist und wir jetzt eigentlich annehmen, dass die wirklich verschwinden wird, so dass da wirklich ein dunkles Kapitel der Familiengeschichte abgeschlossen ist."
Johann Schiller
"Diese Zeichnung ist ein Aquarell von Fanny Olivier. Das konnte ich gottseidank erwerben von den anderen Erben. Es liegt mir daran, weil es offensichtlich eine Schlüsselfigur in der ganzen Verwandtschaft war und eben meiner Mutter sehr ähnlich sieht."
Autorin: Vera Drude