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Man sieht es ihr gar nicht an aber vor 100 Jahren wurde die Büste ägyptischer Schönheit in Berlin präsentiert und verzaubert seitdem mit ihrer Aura. Warum sie auch in der Popkultur zum Schönheitsideal geworden ist und wie und warum die Königin überhaupt nach Berlin kam, darüber hat jetzt der Historiker Sebastian Conrad ein Buch geschrieben.
"Die Schöne ist gekommen" heißt Nofretete übersetzt. Sie ist schon fast 3.000 Jahre alt, als sie in Ägypten ausgegraben wird. Ihr Fund 1912 ist eine Sensation. Heute ist sie im Neuen Museum in Berlin ein Publikumsmagnet.
Sebastian Conrad forscht zur Kulturgeschichte der Globalisierung und erzählt jetzt, wie die Königin aus Ägypten zur Berühmtheit wurde.
Sebastian Conrad, Historiker
"Ich bin im Grunde dann selber überrascht gewesen, wie stark die Nofretete nicht nur die Emotionen erweckt, sondern auch wie breit weitverbreitet in der ganzen Welt sie rezipiert wurde. Also ich hatte fast das Gefühl, ich entdecke die Nofretete noch mal neu."
Vor 100 Jahren gräbt der Archäologe Ludwig Borchard im ägyptischen Tell el-Amarna die Büste aus: die Geburtsstunde der Nofretete als weltweite Ikone. Der Berliner Kunstmäzen James Simon finanzierte die Ausgrabung. Danach steht sie einige Jahre auf seinem Kaminsims, bevor sie 1924 im Neuen Museum ausgestellt wird.
In den 1920er Jahren macht Nofretete schnell Karriere: sie wird das Schönheitsideal der sogenannten "neuen Frau". Das "Modern Girl" hat ein androgynes Aussehen – das schmale Gesicht der Nofretete mit dem markanten Kinn ist das Ideal.
Sebastian Conrad, Historiker
"Man hat sie in der Presse damals häufig als eine, ja ägyptische oder manchmal schon deutsche Antwort auf Greta Garbo interpretiert."
Im Kolonialismus ist sie eine Trophäe für die Deutschen. 1924 fordert erstmals Ägypten ihre Rückgabe.
Anlass für eine Berliner Satirezeitung sich darüber lustig zu machen. Hier verhandelt König Fuad mit einem Esel, dem damaligen preußischen Kulturminister Adolf Grimme über die Rückgabe einer erstaunlich hellhäutigen Nofretete.
Sebastian Conrad, Historiker
"Man findet eigentlich keine, in den europäischen Quellen, keine Thematisierung der Hautfarbe. Und das zeigt, dass sie umstandslos, sozusagen vereinnahmt werden konnte. Das ist ja häufig so, dass das Weiße an Skulpturen, an Personen gar nicht thematisiert wird, weil es für die Norm gehalten wird."
Die Schöne überlebt zwei Weltkriege in Deutschland. 1956 wird sie in Wiesbaden einfach in einen Plastikbeutel verpackt und nach Berlin Dahlem gebracht. Seit 2009 ist sie wieder im Neuen Museum in Berlin. Und sie ist ein Verkaufsschlager: In der Gipsformerei der Staatlichen Museen werden handbemalte Kopien hergestellt. Dabei kennen wir, die Geschichte der echten ägyptischen Königin kaum. Deswegen bietet sie so viel Fläche für Projektionen.
"Nofretete – Das Original" nennt die berühmte Künstlerin Isa Genzken ihre schöne Ägypterin. Immer ist sie cool und trägt Sonnenbrille.
Einblendung: "Nofretete - Das Original", 2012
Sebastian Conrad, Historiker
"In der Kunstwelt gibt es eine ganze Reihe von Aneignungen, die auch Verfremdungen häufig sind. Zunächst lese ich das als Beweis für diesen ikonischen Charakter. Man kann auf die Art und Weise eben auch Gewissheiten infrage stellen. Das ist, glaube ich, ganz zentral."
Isa Genzken zeigt uns viele Büsten, weil jeder und jede die Ikone heute anders sieht.
Die Pop Ikone Beyoncé inszeniert sich als stolze afroamerikanische Nofretete im Video "Sorry".
Sebastian Conrad, Historiker
"Die Vorstellung von Schwarz ist schön. "Black ist beautiful", aber auch für eine Form, des Empowerment für schwarze Frauen und dieses feministische afroamerikanische Anliegen hat sie unmittelbar mit der Nofretete verbunden. Aber Beyoncé ist tatsächlich sehr fasziniert von der Nofretete, kam auch nach Berlin, sie hat sich also vor der Büste ablichten lassen und sich in gewisser Weise als moderne Wiedergängerin der Nofretete inszeniert."
Sebastian Conrad erzählt uns in seinem Buch über eine globale Berühmtheit, die selbst wenn sie eines Tages wieder nach Ägypten zurückkehren würde, doch eine Königin bliebe, die die Welt schon längst für sich vereinnahmt hat.
Nofretete ist eine Celebrity, die uns allen und niemanden gehört.
Autorin: Margarete Kreuzer