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Auch in dieser Woche sind wieder Tausende gegen Rechtsextremismus und die AfD auf die Straße gegangen. Auch Kulturschaffende in Brandenburg, Mitarbeiter*innen von Theatern, Museen und Jugendclubs engagieren sich. Was befürchten Sie für die Kunstfreiheit, wenn rechtsradikale Kräfte an Macht gewinnen? Wie sehr spüren Sie schon heute ihren Einfluss?
Preisgekrönt und deutschlandweit bekannt. Das Piccolo in Cottbus. Seit 33 Jahren schon können sich die Kinder und Jugendlichen der Stadt hier künstlerisch austoben. Gerade sind die Proben für das Stück Move on Move Over der Jugendtanzcompany. Mitmachen können hier alle, die dazu Lust haben. Für die, die kaum Geld haben, gibt es Stipendien.
Reinhard Drogla, Direktor Piccolo-Theater Cottbus
"Fast alle Kinder in Cottbus waren schon hier oder kommen regelmäßig zu uns. Und ich sehe, das ist inzwischen ein Raum, wie so eine Agora, wo Leute sich austauschen. Und ich halte es für eine Demokratie Raum, dieses Foyer, des Piccolo Theaters und das merkt man auch hier tauschen sich Leute aus, sie sind hier, das ist ein Ort, wo man nicht nur eine Meinung haben kann, sondern haben sollte. Wo sich aber auch Meinung bildet."
"Sie haben gesagt, wir fahren in den Urlaub, in ein anderes Land. Ich hätte niemals gedacht, dass das Ende ist von sich zuhause fühlen sein würde."
Die Fluchtgeschichte einer Syrerin aus der Tanzcompany. Alle haben ihre eignen Geschichten hier mit eingebracht.
Flucht und Krieg – das war schon mal Thema in Cottbus. 2018. Und daraufhin stellt die AfD im Landtag eine sogenannte kleine Anfrage: Wie und warum wird das Piccolo Theater gefördert? Und wie viele Stücke mit dezidiert aktuellem gesellschaftlichem oder politischem Bezug wurden und werden im Piccolo aufgeführt?
Reinhard Drogla, Direktor Piccolo-Theater Cottbus
"Natürlich hat das bei einigen von uns Angst ausgelöst, ganz klar. Erst mal gab es eine Haltung der Entrüstung, des Entsetzens und der Entrüstung "Wie können die" und so, "Wir sind doch so gut in unserer Arbeit" und das stimmt ja auch alles. Aber das ist ja nicht die die Infragestellung gewesen, sondern eine Infragestellung des Wesens unserer Arbeit gewesen, nicht der Form. Wir haben den Jugendclub nochmal zusammengetrommelt für drei Vorstellungen und wir haben den kompletten Landtag eingeladen. Und nun raten Sie mal, wie viele gekommen sind. Niemand."
Dafür aber wollten ganz viele andere das Stück sehen – die Vorstellungen waren restlos ausverkauft.
In der Stadt Brandenburg wollte die AfD gleich allen Jugendclubs die Fördergelder für 2024 einfrieren – wie zum Beispiel dem Haus der Offiziere - Einem ehemaligen Kasino der Sowjetarmee.
Politik steht hier eigentlich gar nicht auf dem Veranstaltungskalender, eher Bar, Konzerte und Gesellschaftsspiele.
Andreas Walz, Geschäftsführer Haus der Offiziere
"Die AfD hat eine sehr konkrete Meinung zu Kultur und wie Jugendarbeit abzulaufen hat. Die würde sich gerne durchsetzen und ich denke, dass wir diesen Rahmen auf jeden Fall sprengen."
Im HdO trifft sich zum Beispiel jeden Dienstag der einzige queere Stammtisch der Stadt.
Sophie Pusch
"Tatsächlich ist das HdO für uns zu einer Art Safe Space, wo wir hier auch sicher unseren Stammtisch durchführen können, ohne irgendwie befürchten müssen queer feindliche Angriffe zu erleben."
Gleich neben der Bar - Jamsession im Probenraum. Wie in so vielen kleineren ostdeutschen Städten hat sich in Brandenburg an der Havel seit den 90er Jahren eine rechtsradikale Szene entwickelt. Das HdO war schon immer der Ort, für die, die da nicht mitmachen wollten.
Lukas Klauss
"Das HdO ist der Ort, wo man auch mal 200 Leute zusammengekriegt hat so sei es für ein Konzert für eine Vorlesung oder einfach für Kicker-Turniere in entspannter Atmosphäre, ohne dass dann Hautfarbe oder Religion eine Rolle spielt. Das war schon immer der Ort, da wusste man, hier ist jeder willkommen."
Damit das HdO ein angstfreier Raum bleibt, sichern Türsteher den Einlass. Ausgehen und Feiern ist hier ein politisches Bekenntnis. In der Bike Box schrauben Ehrenamtliche alte Räder zusammen und verschenken sie. Der Aufstieg der AfD stresst alle hier. Mut dagegen machen ihnen die Demos für Demokratie.
Andreas Walz
"Wir merken natürlich an uns selbst und an Selbstvergewisserung von Leuten, dass wir nicht alleine sind mit ihren Meinungen. Wir haben einen sehr großen Teil an Leuten, die schweigen und eine sehr laute Minderheit, die besonders in sozialen Medien immer präsent ist, in reinen Zahlen auf der Straße, da sieht man eben, dass das Verhältnis ein anderes ist an der Stelle."
In Beeskow ist die AfD im Kreistag die stärkste Kraft. Auf der Burg, im Museum Oder- Spree, geht es gerade ums "Kommen und Gehen". So heißt die neue Jahresausstellung. Oder anders ausgedrückt: Migration gibt es hier schon immer. Hier erzählen sie die unterschiedlichsten Geschichten der Menschen, die im Landkreis leben, ob sie aus Vietnam oder Schlesien kommen.
Arnold Bischinger, Leiter Burg Beeskow
"Wir gehen von einem Kulturbegriff aus, der im ländlichen Raum bewusst sehr breit, sehr alltagsnah sich orientiert. Und solange wir so unterwegs sind und wissen, was wir tun, glaube ich, kann uns auch im Kreistag oder einen Fachausschuss unseres Kreistages das Leben noch gar nicht so schwer machen. Man könnte auch sagen, diese Burg hat natürlich dicke Mauern."
So versuchen sie gegenzuhalten, sagt Arnold Bischinger. Gegen die aufgeheizte Stimmung, gegen Remigrationspläne der AfD.
Autorin: Nathalie Daiber