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Große Oper an der Deutschen Oper: "Pique Dame", ein spätes Werk von Tschaikowsky beeindruckt mit Opulenz. Zur Premiere wird dick aufgetragen. Und das ist natürlich auch für die Ausstattung eine Menge Arbeit. Das Regieteam kommt aus Großbritannien und die Kostüme hat Stuart Nunn entworfen.
Stuart Nunn, Kostümbildner
"Ich mag es, Charaktere zu entwickeln. Man nimmt Kleidung und verwandelt sie in eine Person. Es ist nicht nur Kleidung, es ist Teil der Figur."
Das hier ist eines von fast 250 Kostümen für "Pique Dame". Der englische Kostümbildner Stuart Nunn hat in seinem Leben vermutlich einige Proteinshakes zu sich genommen. Bei Bariton Dean Murphy muss da noch ein bisschen nachgeholfen werden.
"Sarah, haben wir n Paar Schulterpolster hier, zum drunterstecken?"
Noch ein bisschen nachgestopft – und aus Dean Murphy ist "Fürst Jeletzki" geworden.
Dean Murphy, Bariton
"Es fühlt sich toll an. Ich mag Kostüme, die nicht so alltäglich sind, das gibt es ziemlich häufig. Das hier ist schön."
Jeanett Scherb, Herrengewandmeisterin
"Die werden gegossen. Da gibt’s Formen, da wird so Gummimilch, Silikon reingegossen, dann werden die ausgehärtet, die werden golden angemalt und dann hat man n Orden!"
Stuart Nunn, Kostümbildner
"Es ist ein Disney-Prinz-Kostüm. Es ist durch eine Prada-Kollektion inspiriert. Er ist eine glamouröse Figur, die Erfolg verkörpert. Aber: Erfolg durch Erbschaft, nicht durch eigene Anstrengung."
Peter Tschaikowskys "Pique Dame" an der Deutschen Oper – ein Stück über die Klassengesellschaft. Fürst Jeletzki kommt aus der Welt der Reichen, Schönen, Sorglosen. Und dann ist da Hermann – ein Außenseiter.
Stuart Nunn, Kostümbildner
"Hier sehen wir Hermann in der ersten Szene. Ein ärmlicher Mantel, Lederhose, Welten entfernt von Fürst Jeletzki. Man sieht, dass er ein einfacher Soldat ist. Er trägt keine Orden. Die Kostüme von Hermann sind die einfachsten in der Inszenierung. Das ist der Kern des Stücks, Hermann versucht, in die oberen Gesellschaftsschichten hinaufzuklettern. Aber er ist dort nicht willkommen, er könnte genauso gut ein Monster sein."
Ganze Arbeit in der Kostümabteilung - Chor, Kinderchor und Ballett sind auf der Bühne bei "Pique Dame". Über dem historisch anmutenden Kleid wird hier ein falscher Pelz getragen.
"Und das ist die Mischung zwischen etwas Historischem und etwas eher Modernem."
Es ist für den Star des Abends, Sopranistin Sondra Radvanovsky – hier im prächtigen Ballkleid aus Kreppsatin. Da gehört der Drehtest einfach dazu.
"It’s called the twirl-test…
Yep, that works… She twirls."
Sie singt Lisa – die Verlobte von Fürst Jeletzki. Doch Lisa verliebt sich in Hermann – und der wiederum ist leidenschaftlich in sie verliebt.
Sondra Radvanovsky, Sopranistin
"Sie ist jung – und zum ersten Mal verliebt. Doch sie ist verlobt mit dem vermeintlich "angemessenen" Mann, den sie heiraten soll. Aber… Es ist halt Oper!"
Stuart Nunn, Kostümbildner
"Es ist ein psychologisches Drama, und wir sehen es durch Hermanns Augen. In diesem Moment sieht er sie als einzigartig an, besonders, anders. Auf der Bühne sieht sie in diesem Moment anders aus als alle anderen."
Man kann etwas russisch lernen in dieser Oper – "tri Karti" heißt "drei Karten".
"Tri karti, tri karti, tri karti…"
Durch das Glücksspiel will Hermann Liebe, Reichtum, Ansehen gewinnen – alles nur, um seiner einfachen Herkunft zu entkommen.
Stuart Nunn, Kostümbildner
"Hermann lebt in einer Welt voller Selbstzweifel, Angst, Paranoia. Ich kann mir leicht vorstellen, dass es Parallelen zu Tschaikowskys eigenem Leben gab. Ein schwuler Mann, sehr isoliert, in einer Gesellschaft, die für sein Dasein nicht offen war."
Das kann natürlich alles nicht gut gehen. Ein tragisches und hochemotionales Werk - und ein düster prächtig ausgestatter Opernabend. Wer denkt da schon an soziale Netzwerke? Das Schlusswort gehört dem Regisseur.
Sam Brown, Regisseur
"Was mich berührt, ist der Gedanke, das Leben der anderen sei besser. Wir leben doch im Instagram-Zeitalter, wo alle Bilder posten. Wir sind besessen von anderen Leuten, wollen wie sie sein – genau das ist Hermanns Dilemma und ich halte das für sehr heutig."
Autor: Steffen Prell