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2024 ist Kafka-Jahr. Den Anfang macht der neue Film "Die Herrlichkeit des Lebens". Erzählt wird Kafka neu und ungewohnt leicht. Der Film beginnt als Sommerromanze. Kafka zieht, wenngleich schon krank, nach Berlin und lebt hier mit seiner großen Liebe Dora Diamant zusammen. Wir haben die Hauptdarsteller Sabin Tambrea und Henriette Confurius getroffen.
1923. Sommer an der Ostsee. Die junge Erzieherin Dora Diamant hat eine Begegnung: Ein Mann, eine Erscheinung, wie aus einer anderen Welt.
"Guck mal, da kommt er!"
Es ist Franz Kafka – heut mal auf zwei Rädern.
Henriette Confurius, Schauspielerin
"Er kommt mit einem Motorrad am Meer entlang gefahren, in einem Anzug, er passt überhaupt nicht in diese Landschaft und er setzt sich statt in den Strandstuhl auf den Boden zu den Kindern und erzählt eine Geschichte."
Filmausschnitt "Die Herrlichkeit des Lebens", Regie: Georg Maas, Judith Kaufmann
"Kennt ihr die Fabel von der Maus?!
- "Nein!
"Wollt ihr sie denn hören?"
- "Ja!"
Henriette Confurius, Schauspielerin
"Das ist die erste Begegnung und ich glaube, also ich weiß, dass das Eindruck hinterlassen hat bei Dora."
"Ich habe Sie gestern tanzen gesehen am Strand."
- "Wir proben für eine Aufführung in Berlin."
Sabin Tambrea, Schauspieler
"Kafka, der Mann der Worte beobachtet einen Tanz, der ihn fasziniert. Eine Bewegung, die er nicht greifen kann, aber die ihn irritiert und auch inspiriert."
Es ist der Beginn einer unsterblichen Liebe.
"Lass uns zusammen träumen."
Im Rausch des Verliebtseins: Diesen Kafka kannten wir noch nicht. Wo bleibt der angstgetriebene Schmerzensmann?
"Ich schreibe, dass ich gerade sehr glücklich bin. Oder zumindest auf der Schwelle des Glücks."
Sie sind ganz unterschiedliche Menschen. Und haben etwas Wichtiges gemeinsam.
"Sie sprechen sehr gut Hebräisch."
- "Danke."
"Darf ich fragen, wie Sie heißen?"
- "Dora."
Henriette Confurius, Schauspielerin
"Ich hab wahnsinnigen Spaß gehabt, Dora kennenzulernen aber ich hab vor allem auch wirklich Spaß gehabt, Franz Kafka durch die Augen von Dora Diamant kennenzulernen, weil das eben ein ganz anderer Kafka ist als der, den ich bisher so vorgestellt bekommen hab."
Sabin Tambrea, Schauspieler
"Das ist einfach ein Bild das sich etabliert hat und jetzt lebt man damit. Und dann heißt es, man geht gegen dieses Bild, wenn man ihn als einen lebensfrohen Menschen, der auch durchaus Humor hat, zeigt."
Franz Kafka, geboren 1883, wächst in einer Prager jüdischen Kaufmannsfamilie auf. Er leidet unter dem streng-dominanten Vater. Franz Kafkas Roman – Fragmente - handeln von inneren Dämonen und Charakteren, denen "Der Prozess" gemacht wird von unbekannten Mächten.
"Das Urteil", gewidmet der langjährigen Freundin Felice Bauer. Er lebt asketisch, zerrissen zwischen Frauen, Sehnsucht nach Nähe und seiner Literatur, der er alles gibt.
Das ändert sich erst, als er 1923 Dora Diamant kennenlernt. Doch es wird ein kurzes Glück.
"Ich bin ein kranker Mann, Dora. Ich habe Lungen-Tuberkulose. Es ist trügerisch, denn es schwankt."
- "Das ist mir egal."
"Diese Krankheit bestimmt mein Leben."
- "Jetzt auch?"
"Nein, jetzt nicht."
Im Film wird daraus eine schwelgerisch ins Bild gesetzte, fast zeitlose Liebesgeschichte, die wundersamerweise sogar die Welt da draußen, die Krisenstimmung der frühen Zwanziger überstrahlt. Franz löst sich von seiner Familie und zieht in Berlin mit Dora zusammen. Besuch des Schriftsteller-Freunds Max Brod.
"Geht’s euch gut, seid ihr zufrieden, kommt ihr zurecht?"
- "Ja, ja, sehr. Also, die Inflation macht uns zu schaffen."
"Unsere Vermieterin hat schon wieder mit Rauswurf gedroht."
Die Tuberkulose fordert ihren Tribut. Schicksal und Liebe, ein bisschen Hollywoods "Love Story".
Sabin Tambrea, Schauspieler
"Sein Ende klopft kräftig an die Tür – es sind schon andere Vorzeichen, unter denen er jetzt agiert und auch empfindet, was er wichtig findet für den Rest seines Lebens. Und da ist es nun mal diese Frau, mit allem, was er an ihr bewundert, was ihm Kraft gibt."
"Wir fahren ans Meer, gehen schwimmen und klettern wieder rauf zu unserer Bank."
Die Krankheit raubt ihm die Sprache, er kann sich nur noch schreibend mitteilen. Sabin Tambrea alias Franz Kafka und Henriette Confurius als Dora Diamant retten den Film mit ihrem wunderbaren Spiel vor Gefühligkeit und - Kitsch.
"Und abends gehen wir ins Theater."
Das Ende in einem Wiener Sanatorium erspart uns der Film. Franz Kafka wird 41 Jahre alt. Dora Diamant emigriert später aus Nazideutschland und stirbt im Exil. Kafkas Werke überleben, weil Max Brod sie nicht, wie Kafka wollte, verbrannt hat.
"Schon oftmals dachte ich daran, ob ich nicht meine Tür mal einen Spalt weit öffnen, schlangengleich ins Nebenzimmer gleiten und so auf dem Boden kriechend meine Eltern und die Schwestern um Ruhe bitten sollte."
- "Ich find’s gut! Du hast genug, um an einen Verlag heranzutreten."
"Ich muss das alles nochmal überdenken."
Sabin Tambrea, Schauspieler
"Ich bin überzeugt, hätte er gewusst, was seine Texte in den Menschen auslösen, dann hätte er diese Entscheidung nochmal überdacht."
"Die Herrlichkeit des Lebens" zeigt den berühmtesten Junggesellen der Literaturgeschichte in neuem Licht, im Glanz ganz großer Gefühle - mit einer schönen Botschaft für alle.
Henriette Confurius, Schauspielerin
"Eben, die kleinen Momente wahrnehmen und darin die ganze Fülle der Herrlichkeit zu erkennen und wertzuschätzen. Weil wir ja alle dazu tendieren, eher den Dingen nachzutrauern, die wir nicht haben und dabei nicht mitzukriegen, was alles da ist."
"Franz!"
"Am größten ist das Glück, wenn es ganz klein ist. Deshalb würde ich, wenn ich mein Leben aufschreiben müsste, nur Kleinigkeiten notieren. Ich glaube, dass die Herrlichkeit des Lebens immer in ihrer ganzen Fülle bereit liegt. Aber verhängt, in der Tiefe unsichtbar. Ruft man sie beim richtigen Namen, dann kommt sie."
Autor: Andreas Lueg