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Der international gefeierte Berliner Fotograf Michael Wesely ist bekannt für seinen außergewöhnlichen Umgang mit Langzeitbelichtungen. In seiner neuen Ausstellung im Museum für Fotografie, legt er seine aktuellen Berlin-Aufnahmen über historische Architekturfotografien. In den Bildern wird auf einen Blick sichtbar, wie Zeit vergeht.
Der Alexanderplatz. 1946 – und heute. Vorher - Nachher. Der Fotograf Michael Wesely hat beide Fotos ineinander montiert und zeigt dabei nicht nur, wie sich die Stadt verändert hat.
Michael Wesely, Fotograf
"Das Bild ist, glaube ich, deswegen interessant, weil hier die Leute aus verschiedenen Jahrzehnten durcheinanderlaufen. So eine Art Science Fiction Situation vielleicht sogar. Man kann es aus der Entfernung angucken, das Bild dann. Dann denkt man eben Oh, da war mal eine Kirche, von der heute keiner mehr spricht aber das gibt zumindest ein Gefühl dafür. Ah, da war mal doch eine andere Definition von Ort und Raum an der Stelle."
Die Weltzeituhr am Alex – heute ein Wahrzeichen – 1946 gab es sie noch gar nicht. Der Tiergarten 1896 und heute. Michael Wesely macht sichtbar, wie emsig seit 1860 in Berlin abgerissen, um- und neugebaut wird. Politik und Stadtplanung – Nationalsozialisten, die SED – alle gestalten die Stadt ihren Ideologien entsprechend. Schon zur Kaiserzeit meinen die Berliner: Der Dom ist zu klein. Da muss was Großes her. 2 Jahre ist Michael Wesely in der Stadt unterwegs und fotografiert.
Michael Wesely, Fotograf
"Für mich war es eine große Lehrveranstaltung, ich fahr viel mit dem Fahrrad durch die Stadt. Man kommt immer an jeder Straßenecke kommt irgendwie so ein Gefühl auf, so dass irgendwas hier nicht stimmt. Und dieses was stimmt hier nicht? Das sind meistens dann abgebrochene Fluchten, Plätze, die nicht mehr oder nur halb da sind. Und da ist Berlin voll davon und da habe ich für mich jetzt einfach so eine Form von Bewältigung gefunden, dass ich jetzt gut gelaunt durch die Stadt fahr, weil ich weiß, wo die Sachen herkommen."
Eine echte Herausforderung ist für Michael Wesely, den Standort des Fotografen der historischen Bilder wieder zu finden. Am Bahnhof Zoo muss er im Parkhaus ganz nach oben.
Michael Wesely, Fotograf
"Also, hier war mal eine Eislaufbahn, hier gab es Tennisplätze und hier gab es einen Triumphbogen-ähnlichen Eingang in den Vergnügungspark. Und dann erfährt man eben unglaubliche Sachen."
Heute denkt wohl kaum einer an Vergnügen am Bahnhof Zoo. Schon gar nicht im April-Regen. Aber weil hier schon immer viel los war und ist, gibt es auch viele Fotos.
Michael Wesely, Fotograf
"Der Bahnhof Zoo war immer ein Sammelpunkt. Da sind die ganzen Züge weggefahren angekommen. Da haben sich Leute getroffen. Da gibt es Zettelwände: Ich bin hier, ich bin dort, ich bin da. Das ist einfach ein ganz wichtiger Ort in Berlin."
Nach dem Krieg ist Berlin nur noch ein Trümmerhaufen. Der Fotograf Michael Wesely erinnert uns daran, wie es damals im Vergelich zu heute aussieht - 1945.
Michael Wesely, Fotograf
"Wir befinden uns ja gerade wieder in zwei Kriege vor unserer Nase, in Israel und in der Ukraine. Und da ist man dann plötzlich ganz nah wieder an dem, was wir vor wenigen Jahrzehnten in Deutschland hatten, nämlich nur Ruinen. Also wir laufen im Prinzip da durch die Trümmer von, die ist nicht vergangen die Vergangenheit, nur weil wir sie nicht mehr sehen."
Das völlig zerstörte Hansaviertel wird zur Internationalen Bauausstellung 1957 komplett neugebaut. Seitdem verändert sich eigentlich nichts - gut - statt einer Citroen DS steht heute ein SUV vor der Tür.
Michael Wesely macht durch seine Fotomontagen auch sichtbar, was einfach verschwunden ist – wie das Café Kranzler - und wie schön und lebenswert die Stadt früher mal gewesen ist. Seine Bilder sollen auch ein Diskussionsbeitrag sein, für die Zukunft Berlins.
Michael Wesely, Fotograf
"Guckt doch mal dahin, das war mal ein schöner Platz, da könnte man unter Umständen was zurückgewinnen, was verloren gegangen ist. Ich sage jetzt hier nur Jannowitzbrücke zum Beispiel, wenn man sich das Bild anschaut, das ich hier benutzt habe von Max Mustermann, dann weiß man, dass die Weisen Brücke und die Jannowitzbrücke eine wunderbare Einheit gebildet haben, da weiß man heute, dass das ein sehr, sehr attraktiver Ort war, um sich dort zu vergnügen. jetzt kann man vielleicht auch tatsächlich mal wieder hingucken und sagen, könnte man was draus machen."
Michael Weselys Fotocollagen sind also auch eine Anregung und soll uns inspirieren. Wie zufrieden sind wir mit Berlin gerade? Wie lebens- und liebenswert könnte unsere Stadt sein?
Autorin: Nathalie Daiber