-
Schriftsteller*innen unter sich, unterwegs in Berlin. Sie sprechen über Bücher, die ihr Leben verändert haben. Das ist die Essenz des neuen Literaturformats "Longreads" mit Helene Hegemann in der ARD Mediathek. Entspannt und sehr unterhaltsam zugleich.
Helene Hegemann, Moderatorin
"In dieser Sendung unterhalten wir uns mit einem Gast über 1 bis 2 Bücher, manchmal aus Versehen auch über was anderes. Es gibt keine Regeln. Hauptsache, diese Bücher sind gut und machen irgendwas mit uns."
Helene Hegemann
"Hattest du irgendwie einen Anflug von Du machst da gerade was Verbotenes, während du das gelesen hast?"
Samira El Ouassil
"Manchmal, ja."
Helene Hegemann
"Wahrscheinlich hilft Lesen ein bisschen besser gegen Orientierungslosigkeit, als einfach so im Bett liegen zu bleiben."
Helene Hegemann und die Regisseurin Lena Brasch treffen ihre Gäste in Berliner Buchläden. Kein gewöhnlicher Talk, sondern ein dokumentarisches Format. In der ersten Episode besucht sie den Autor und Journalisten Thilo Mischke in der Buchhandlung seiner Eltern in Friedrichshain.
Helene Hegemann
"Herzlich willkommen in der Buchhandlung deiner Mutter."
Thilo Mischke
"Danke schön."
Helene Hegemann
"Wann warst du hier zum Ersten Mal? Und wie viel Zeit hast du hier verbracht?"
Thilo Mischke
"Ich kann ja mal kurz zu meiner Mutter rüberrufen. Warst du mit mir im "Guten Buch" schwanger oder warst du mit mir hier schon schwanger?"
Frau Mischke
"Am Alex."
Thilo Mischke
"Dann mit null. Ich bin 81 geboren, war dann offensichtlich das erste Mal bestimmt hier 1981."
Helene Hegemann
"Hier reingeboren worden."
Helene Hegemann
"In den letzten Jahren hat er mit Drogen- und Menschenhändlern geredet, mit Rechtsradikalen und Dschihadisten genauso wie mit Freiheitskämpfern. Er war in vielen Kriegsgebieten und in noch mehr lebensbedrohlichen Situationen."
Thilo Mischke
"Menschen können nicht nachvollziehen, was ich erlebt habe oder ganz wenige Menschen können es nachvollziehen und ich helfe ihnen, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie es ist, im Krieg zu sein, jemand zu verlieren, den Tod zu riechen. Der Geruch von Tod ist Wirklichkeit und Alltag für so viele Menschen, nur nicht für uns. Und das motiviert mich auch, davon zu erzählen, zu wissen, dass ein Großteil der Menschheit leidet. Und uns geht es gut, weil wir sie leiden lassen."
"Und wenn ich das so erzählen würde, dann hätte ich wahrscheinlich in der taz eine Kolumne und würde von taz-Leuten gelesen werden. Aber ich will ja dass Andere mich lesen. Ich will, dass andere das wahrnehmen. Ich möchte, dass wir alle darüber diskutieren. Und ich habe eine größere Freude, schwierige Themen mit Menschen zu debattieren, die kein Interesse daran haben, sich mit schwierigen Themen auseinanderzusetzen. Ich versuche, einen Weg zu finden, diese Leute zu erreichen, ohne sie abzustoßen."
Thilo Mischke
"Was man nicht unterschätzen darf, ist das Einschweißen von Büchern. Der beste Verkaufstrick meiner Mutter ist. Haben Sie dieses Buch noch eingeschweißt? Ich guck mal hinten im Lager. Damit schweißt es schnell ein: Ja, ja, im Regal haben noch hinten eins gehabt."
Helene Hegemann
"Lena hat mir erzählt, dass du eigentlich wie aus der Pistole geschossen dieses Buch hier vorgeschlagen hast. "Nichts" von Janne Teller. Was denn im ersten Eindruck so ein bisschen kokett wirkt."
Thilo Mischke
"Wirklich? Das Besondere an diesem Buch ist: Ich habe es vor zehn Jahren gelesen. Ich denke bestimmt einmal in der Woche an dieses Buch. Ich denke bestimmt einmal in der Woche, was dieses Buch verhandelt, nämlich, was ist wichtig im Leben. So und das halte ich für so eine dermaßen große Leistung. Was kein einziges Buch in meinem Kulturwissenschaft-Studium geschafft hat, was kein einziges Buch, was ich im Deutsch-Leistungskurs durchgenommen habe, geschafft hat. Dieses kleine Buch hat mich bewegt."
"Um kurz zu erzählen, worum es in diesem Buch geht: Ein Mitschüler einer Schulklasse sitzt in einem Pflaumenbaum und sagt: Nichts hat Bedeutung, egal was ihr machen würdet: nichts hat eine Bedeutung. Und diese Schulklasse versucht dann in einer Art Eskalation zu belegen, dass es bedeutsame Dinge im Leben gibt."
"Im Prinzip treibt mich das Gleiche an wie Lukas: die Angst davor zu erkennen, dass es um Nichts geht. Und ich suche die Antwort darauf: Worum geht es eigentlich im Leben? Und versuche sie in verschiedensten Facetten zu finden und gucke es mir an und das große Glück, das ich habe mit meinen Eltern, ist, dass sie mir – eine gewisse Eitelkeit lässt sich nicht ablegen – Aber sie haben mich so erzogen, dass es nicht in diesen Geschichten und im Leben um dich selbst geht."
Helene Hegemann führt unaufgeregt durch die Sendung und quer durch Berlin. In einer weiteren Folge ist die Journalistin und Autorin Samira El Ouassil zu Gast. Sie hat bereits als Kind die Graphic Novel von Art Spiegelman aus dem Bücherregal ihrer Eltern gezogen: "Maus".
Samira El Ouassil
"Von dem Moment, wo ich angefangen habe zu blättern, wusste ich, dass da etwas sehr Wichtiges in meinen Händen ist, etwas, das für mich extrem relevant ist, erschlossen zu werden."
Helene Hegemann
"Juden werden als Mäuse dargestellt, die Nazis als Katzen, die Polen als Schweine und die Befreier, am Ende die Amis, als Hunde. Und das wurde natürlich auch total beanstandet."
Samira El Ouassil
"Den Reflex verstehe ich, weil das kein zwangsläufig schlechter ist. Er hat glaube ich nur nicht sich die Zeit genommen – so ist das ja mit Reflexen – zu verstehen, warum das in der Erzählung so wirkmächtig ist, eine Fabel draus zu machen."
Die Boxerin Zeina Nassar hat weltweit die Wettkampfregeln verändert: Sie hat hat durchgesetzt, dass Frauen auch mit Hijab im Ring stehen.
Zeina Nassar
"Ich fand das so cool, dass sie gar nicht gezuckt hat. Also komm, nochmal! Und voll viele spüren so den Luftzug schon. Und sie so okay?"
Was Boxen mit Literatur zu tun hat, fragt Helene Hegemann in der dritten Episode von "Longreads". Eine Interviewtechnik habe sie keine, aber kompetente Gäste. Sie untertreibt maßlos!
Helene Hegemann
"War das ok? Passt das so? Ok, sehr cool. Oh Gott!"
Autor: Max Burk