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Einsamkeit, Sehnsucht, der weite Himmel – in den Gemälden von Caspar David Friedrich finden die gestressten Deutschen offenbar das, was sie vermissen. Nie war der Greifswalder Maler beliebter als heute. Dieses Jahr wird sein 250. Geburtstag gefeiert, zum Beispiel mit einer großen Ausstellung in der Alten Nationalgalerie in Berlin. Wir haben Florian Illies gefragt, warum Caspar David Friedrich unbedingt nach Berlin gehört.
Es sind unendliche Landschaften, die uns Caspar David Friedrich zeigt. Wir sollen uns selbst erkennen in dieser stimmungsvollen Natur, wie in einem Spiegel. So geht es auch dem Schriftsteller und Kunsthistoriker Florian Illies, der über Caspar David Friedrich ein Buch geschrieben hat.
Florian Illies, Schriftsteller & Kunsthistoriker
"Ich liebe eigentlich, dass er es einem nicht einfach macht, deswegen braucht es eine Weile, bis man hineinsteigen kann, in diese Kunst und in diese Bilder und das Aufregende ist, dann kommt man nicht mehr raus. So ging es mir zumindest, als ich hineingestiegen bin in diese Geheimnisse und versuchte sie zu ergründen, dann merkte ich, jede Antwort, die man scheinbar findet, die wirft wieder neue Fragen auf."
Eindeutig dagegen ist, dass Caspar David Friedrichs Karriere in Berlin beginnt. Auch davon erzählt die Ausstellung in der Alten Nationalgalerie.
Geboren wird er als sechstes von zehn Kindern 1774 in Greifswald. Über seine Jugend weiß man wenig. Mit 20 Jahren beginnt er ein Kunststudium in Kopenhagen und findet seinen eigenen Stil.
Birgit Verwiebe, Kuratorin
"Im Grunde genommen ist er ein monolithischer Künstler. Er hat sich selbst geschaffen und es gibt kein Vorbild. Ich kenne keinen Lehrer, der so ähnlich wie er etwas gemalt hätte, von dem er inspiriert war. Nein. Er hat etwas völlig Neues geschaffen und das liegt an seiner Persönlichkeit. Er konnte zeichnen hervorragend, er konnte sehen, präzise sehen. Seine Augen, was die gesehen haben: Er konnte sich das sich auch merken, er hat das verinnerlicht."
1798 kommt er nach Greifswald zurück und geht bald darauf nach Dresden. Er heiratet und bekommt drei Kinder. Nach Berlin reist er nur einmal - die Stadt gefällt ihm gar nicht. Dann besucht der Berliner Theologe und Philosoph Friedrich Schleiermacher den Künstler im Atelier und sieht das Bild "Mönch am Meer".
Florian Illies, Schriftsteller & Kunsthistoriker
"Er wünscht sich dieses Bild für Berlin. Dann hängt dieses Bild hier und wir wissen, dass es für Furore sorgt. Erstmal, weil es verlacht wird, verspottet aber der junge 15 jährige Kronprinz, der sieht darin ein Bild des Trostes, der hat gerade seine Mutter, die Königin Luise verloren, und er fühlt sich davon in einer bestimmten Weise verstanden und gesehen und er überzeugt seinen Vater, dieses Bild zu kaufen, und so kommt es dazu, dass der konservatives König Europas das innovativste modernste Bild Europas kauft."
Das Bild "Abtei im Eichwald" kauft König Friedrich Willhelm III gleich mit. Heute gehört das Bilderpaar zu den Highlights der Alten Nationalgalerie. Caspar David Friedrich wird durch den Ankauf schlagartig berühmt.
Dann in den 1820er Jahren entsteht "Das Eismeer". Es zeigt eine arktische Landschaft, die der Künstler nie gesehen hat. Er malt es in einer Lebensphase als sein Erfolg langsam verblasst. 1840 stirbt Caspar David Friedrich.
Über 60 Jahre später: Die sogenannte "Jahrhundertausstellung" von 1906 in der Nationalgalerie wird zum Triumph für Caspar David Friedrich. Eine solche umfassende Präsentation seiner Werke hat es bis dahin noch nicht gegeben.
Der Museumsdirektor Hugo von Tschudi liebt den "melancholischen Grundton" im Anblick der Unendlichkeit. In Caspar David Friedrich sieht er einen Vorreiter der Moderne.
Florian Illies, Schriftsteller & Kunsthistoriker
"Plötzlich sah man diese Bilder hier und den Menschen fiel es wie Schuppen von den Augen. Es gibt sehr viele überraschte begeisterte irritierte Kommentare in dieser Zeit, weil einfach Friedrich jemand wie ein neuer Künstler für diese Zeit war, er war vollkommen vergessen, er war nicht präsent in Kunstgeschichtsbüchern und er ist mit dieser Ausstellung ins Bewusstsein gekommen."
Später versuchen die Nationalsozialisten den Künstler als Volks- und Naturmaler zu vereinnahmen. Doch Friedrichs Kunst übersteht die ideologische Umklammerung. Über Jahrzehnte werden seine Bilder in Berlin immer wieder ausgestellt. Wie jetzt.
Florian Illies, Schriftsteller & Kunsthistoriker
"Im Jahr 2024 steht Caspar David Friedrich am Gipfel seines Ruhms und das ist natürlich eigentlich unvorstellbar, dass jemand unsere Sehnsüchte, unsere Hoffnungen, unsere Träume schon gemalt hat, 200 Jahre bevor wir geboren wurden."
Autorin: Margarete Kreuzer