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Was ist eigentlich aus dem deutschen Frauen-Indiepop geworden? Mit Inga und Annette Humpe, Nena, Nina Hagen. Die Antwort heißt Christin Nichols. Die Berlinerin zeigt auf ihrem neuen Album "Rette sich wer kann" wie Gitarrenmusik heute klingen kann.
"Alle haben Angst, keiner weiß wie’s geht!"
Zusammen mit dem Rapper Fatoni will Christine Nichols mit dem Titelsong zu ihrem Album den Nerv der Zeit treffen.
Christin Nichols, Musikerin
"Ich dachte einfach, als wir den geschrieben haben, das ist es! Rette sich, wer kann. Das ist das Gefühl, das fast alles zusammen, das passt."
"Rette sich, rette sich, rette sich wer kann!"
Das Gefühl der Zeit? Für Christin Nichols ist es das: Angst.
Christin Nichols, Musikerin
"Ich habe Angst, aber ich glaube, ich habe im Moment mehr Mut als Angst. Aber ich habe mein ganzes Leben lang immer schon mit Ängsten zu tun gehabt, mit Panikattacken zu tun gehabt. Das habe ich relativ – Klopf auf Holz – gut im Griff. Aber ich glaube, dadurch, dass ich relativ resilient bin und auch irgendwie mein Leben und mich selber ganz gerne mag, schaffe ich es oftmals, über die Angst hinwegzugehen oder mich mit der Angst so auseinanderzusetzen, dass ich dann doch mehr Mut aufbringe am Ende."
Christine Nichols litt mehrere Jahre an einer Depression. Im Song "Citalopram" besingt sie fröhlich das Medikament, das ihr geholfen hat mit der Krankheit zurechtzukommen. Damit will Sie auch anderen Mut machen.
Christin Nichols, Musikerin
"Musik hat, wenn man wirklich von Depression oder Angst spricht, glaube ich, leider nicht die Zauberkraft einen da herauszuholen. Das ist leider ein bisschen zu euphemistisch, aber ich möchte glaube ich grundsätzlich Leuten das Gefühl geben, dass es okay ist, sich so zu fühlen, wie man ist. Also ich finde, das Schönste ist, wenn man das Gefühl hat, nicht alleine zu sein, egal mit was."
Christin Nichols ist Deutsch-Britin. Aufgewachsen ist sie in der westfälischen Provinz und im Touri-Hotspot El Arenal auf Mallorca. Nach Berlin kam sie für ihr Schauspielstudium.
Christin Nichols, Musikerin
"Es ist ehrlich gesagt der Ort, wo ich am längsten meinem Leben gelebt habe am Stück und ich mag sehr an Berlin, dass man hier zumindest in meiner Bubble sein kann, wie man möchte und sein seine eigene Identität leben kann, so gut es geht."
Als Schauspielerin kennt man Christin Nichols unter anderem aus der ARD Serie "All you need".
Sie spielte auch schon im Berliner Tatort und Theater an der Volksbühne. Als Frau und Künstlerin hat sie gelernt, sich gegen Männer zu behaupten.
Christin Nichols, Musikerin
"Auf der Schauspielschule wurde mir in der Tat gesagt, da hatte ich ein Unterhemd an einen Rock und dann sagte wirklich ein Dozent. Ich finde es echt mutig, dass du dich mit dem Körper, ich sage noch mal 57 Kilo. Ich finde es mutig, dass du dich mit dem Körper auf die Bühne traust. Bist ja weiblich. Na? Denn ich weiß, an diesem Satz ist alles falsch. Da brauchen wir gar nicht anfangen auseinanderzunehmen, was da alles dran falsch ist. Und das war dann so das Narrativ, mit dem man da aufs Leben losgelassen worden ist. Und für mich war das nicht besonders zuträglich."
Ihre Erfahrungen mit Sexismus verarbeitet Christin Nichols in ihrer Musik. Nicht aufs Maul gefallen zu sein, dagegenzuhalten - das ist ihr Markenzeichen!
Christin Nichols, Musikerin
"Bei der Musik kann ich halt komplett ich selber sein und bin da meine eigene Chefin und kann machen, was ich will. Und beim Schauspiel habe ich das Privileg auch. Ich weiß das es sehr privilegiert ist, dass ich mal jemand anders sein darf."
Bissige Texte, eingängiger Elektro-Pop - Christin Nichols Musik ist eine echte Entdeckung.
Autor: Max Burk