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Im Mamorhaus auf dem Berliner Tauentzien feierte 1920 der legendäre Stummfilm "Das Cabinet des Dr. Caligari" Premiere. Die Original Filmmusik ist schon lange verschollen. Doch Karl Bartos - einst Mitglied der Band "Kraftwerk" und bekennender Stummfilmfan - hat jetzt eine neue geschrieben.
Es ist der erste Psychothriller der Welt und der wohl einflussreichste deutsche Stummfilm aller Zeiten: Das Cabinet des Dr. Caligari. Und der Mann, der sich über 4 Jahre versenkt hat in die schräge Welt dieses Klassikers, ist selbst eine Legende: Karl Bartos. Mit der Band "Kraftwerk" schrieb er Musikgeschichte. Wir sind mit ihm auf den Spuren des Dr. Caligari unterwegs- in die Deutsche Kinemathek.
Karl Bartos, Soundkünstler
"Ich habe den Film lange nicht verstanden, aber die Bilder haben mich so dermaßen fasziniert, dass ich eigentlich mich immer damit beschäftigt habe."
Die Geschichte des Schlafwandlers Cesare, der unter dem Einfluss des dämonischen Dr. Caligari steht, wurde vor über 100 Jahren in Berlin Weissensee gedreht.
"Ich bin zuerst über diese verrückte Bilderwelt eingestiegen. Und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich den Ton immer abgedreht hab. Es gibt unendlich viele Soundtracks dazu, aber ich hab was anderes gehört. Und ich habe die Herausforderung gespürt Wie mache ich aus Stille Kunst?"
Karl Bartos wagt etwas, das im Stummfilm eigentlich tabu ist: Neben Musik, arbeitet er mit Geräuschen und sogar Stimmen. Es entsteht eine Klangkulisse, die er im stillen Kämmerlein zu Hause in Hamburg gebastelt hat.
Karl Bartos, Soundkünstler
"Ich bin also in unserem Haus rumgelaufen, im Heizungskeller und Dann habe ich an alle Türen geklopft, bin überall herumgegangen und in unserem Haus. Ich habe alle Schränke, alle Küchengeräte, alles habe ich aufgenommen und habe angefangen, diese Klänge wieder mit den Quellen zu verbinden."
Karl Bartos, Soundkünstler
"Wie klingt das Böse? Beispielsweise. Das war ein Grundgedanke."
"Haben böse Menschen keine Lieder? Oder: Wie würde ich mir den Sound jetzt vorstellen, in dem Moment, wo ein kranker Mensch einen Mord begeht?"
"Was hört er da? Ist das Böse dissonant? Oder ist es vielleicht ein herrliches DUR der Erlösung?"
Im Oktober 1919 wird "Das Cabinet des Dr. Caligari" innerhalb von nur einer Woche abgedreht. Ein Modell der Deutschen Kinemathek zeigt die Produktionsbedingungen: Um zu sparen, werden die Kulissen aus Sperrholz, Papier und Leim gebastelt.
Karl Bartos, Soundkünstler
"Da waren die Schauspieler, da war der Regisseur, da waren die Künstler, da waren die Kameraleute. Also dieses Team von Menschen schuf das Kunstwerk einer neuen Art und das fand ich faszinierend. Weil der Zusammenschluss von Kreativität, das hatte man in der Klassischen Musik nicht, da war immer das Genie, das eine Symphonie geschrieben hat."
Klaus Bartos studiert Klavier, Vibraphon und Schlagzeug, bevor er ab Mitte der 70er Jahre mit der Gruppe Kraftwerk zu Weltruhm kommt.
Karl Bartos, Soundkünstler
"Also wir haben damals das Album genannt, nach Metropolis. "Die Mensch Maschine". Das war 1978 und da kam ich mit dem Film der Weimarer Republik in Berührung.
Für Bartos ist der Blick auf die 100 Jahre alten Filme auch eine Reflektion der Gegenwart. Caligari entstand nach der Schreckenserfahrung des Ersten Weltkriegs. Er erzählt von Angst, Identitätsverlust, den Missbrauch von Macht. Von einer Gesellschaft, die scheinbar aus Verrückten besteht.
Karl Bartos, Soundkünstler
"Und das, finde ich, ist die Botschaft des Cabinet des Dr. Caligari, das Verschwinden der Wirklichkeit gerade auch im digitalen Zeitalter das digitale Universum trägt ja auch wirklich dazu bei, dass die Wirklichkeit verschwindet. Das ist ja ein Spiegel unserer jetzigen Gesellschaft, aber ein Zerrspiegel."
Als Musiker hat Karl Bartos es in die "Rock ´n Roll Hall of Fame" geschafft. Wer ihn live erleben möchte, muss ins Filmtheater gehen. Wenn Karl Bartos das "Cabinet des Dr. Caligari" neu zum Leben erweckt.
Karl Bartos, Soundkünstler
"Ein Vorteil dieses neuen Kunstwerks und der Digitalisierung ist, dass man das immer schön verändern kann. Also es bekommt ein Update. Das habe ich aus dem Silicon Valley gelernt, aber das gab es auch früher schon. Wir schreiben weiter."
Autorin: Charlotte Pollex