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Das Hotel Lunik in Eisenhüttenstadt war kein gewöhnliches Hotel. Es war das erste Haus am Platz. Die Bar hatte bis 4 Uhr morgens geöffnet und es galt ein strenger Dresscode – Einlass für Herren nur mit Schlips. Seit 20 Jahren steht das Hotel leer und verfällt. Schauspieler*innen verwandeln es jetzt in eine Theaterbühne. Im Stück dreht sich alles um die Menschen, die hier gearbeitet oder übernachtet haben.
Das Hotel Lunik in Eisenhüttenstadt – hier hat in den letzen Jahren nur der Verfall ein Gastspiel gegeben. Die Fassade blättert, die Fenster kaputt. Ein westdeutscher Investor hatte es ersteigert und dann, nichts. Jetzt reicht es der Stadt und sie hat es zurückgekauft.
Es ist Dana Weidner von der städtischen Gebäudewirtschaft, die das Licht wieder anknipst. Dabei war der erste Besuch wie sie in einem Wort sagt: Gruselig.
Dana Weidner, Gebäudewirtschaft GmbH
"Wir sind über Schutt und Ascheberge gestiegen. Es waren Möbelreste, es war einfach dreckig. Hier lagen verweste Tiere – also all das, was man in einem 20-25 Jahre alten Gebäude, was nicht mehr genutzt wurde, was einfach auch nie irgendeine Instandhaltung erfahren hat, findet."
Alte Fotos zeigen die Eleganz der sozialistischen Aufbauzeit. Heute lässt sich der Charme nur noch erahnen. Die letzten Wochen wurde der ganze Schutt rausgeschafft – containerweise. Denn neue Gäste haben sich angekündigt: Die Theatergruppe "Das letzte Kleinod" Sie beleben beispielsweise wieder das Restaurant.
"Das Lunik hatte ein bisschen Niveau. Das war gehobene Gastronomie. Und die musste man auch beherrschen."
Die Erinnerungen einer der Kellnerinnen aus dem Lunik. Regisseur Jens Erwin Siemssen hat mit vielen Zeitzeugen gesprochen und ihre Geschichten wieder an den Ort gebracht, wo sie einst geschahen. An das Hotel Lunik haben viele in Eisenhüttenstadt gute Erinnerungen.
Jens Erwin Siemssen
"Du warst früher auch schon mal im Lunik?"
Dana Weidner
"Ich kann mich einmal erinnern, dass ich zu meiner eigenen Jugendweihe meine Eltern hier einen Tisch bestellt haben und wir essen waren. Ansonsten ist das übliche Erinnerungsbild eigentlich: eher dieses "Bitte, warten Sie, Sie werden platziert" und hier außen lang an der Terrasse schlängelten sich die Warteschlangen."
Erlebnisreiche Gastronomie bei Tanz und Unterhaltung versprach das Hotel Lunik. Regisseur Jens Erwin Siemssen hatte von dem Kauf durch die Stadt in der Zeitung gelesen. Und sofort gedacht, hier sollte Theater gespielt werden.
Jens Erwin Siemssen, Regisseur "Das Letzte Kleinod"
"Ich bin auf die GEWI, wie die das Gebäude verwaltet, die Gebäudewirtschaft zugegangen und habe gesagt, ich hätte eine Idee. Und dann war das eigentlich nach einer halben Stunde klar, dass wir dieses Projekt machen werden."
An 15 Orten wird im ganzen Haus gespielt. Legendär –die Tanzbar im Keller. Damals immer voll und das Einzige, das in Eisenhüttenstadt bis 4 Uhr morgens geöffnet war.
"Für die Nachtbar war alles da Whisky-Sorten… Lunikspezial…"
Vor allem aber wurde hier getanzt.
"Es gab so eine Vorschrift…"
"Alt wie ein Baum…möchte ich werden..."
So um 3 Uhr gingen die Stasileute ins Bett – dann wurde auch Westmusik gespielt. Sowieso waren auch einige Westler hier zu Gast, die in der sozialistischen Planstadt zu tun hatten.
Jens Erwin Siemssen, Regisseur
"Hier war natürlich sehr viel Kontrolle, auch durch die Stasi. Es gab ja also einen offiziellen Mitarbeiter, der für das Hotel Lunik zuständig war und es gab auch mehrere vier wahrscheinlich inoffizielle Mitarbeiter, die auch geguckt haben. "So, wer ist hier auf Linie und wer ist nicht auf Linie" und so. Also man hatte das war ein Freiraum auf der einen Seite und auf der anderen Seite war es aber auch unglaublich kontrolliert."
Eigentlich gab es im Hotel Lunik fast ausschließlich Einbettzimmer – mit eigenem Bad. Nur im ersten Stock gibt es auch einen Balkon. Hier war eine Suite mit Schlaf und Arbeitszimmer – extra gebaut für Erich Honecker.
Dana Weidner
"Es war ja dann Mai-Umzug oder irgendwas zum ersten Mai Tag der Arbeit meistens, wurden die Fahnen gehisst und dann gab es ja einen Umzug durch die Stadt und dann waren die hier immer oben und haben gewunken."
Zur nächsten Station ins Dachgeschoss geht es nur zu Fuß über die Treppen.
"Hier gab es früher den Bereich der Personalwohnunge, der war dem Restaurant Kräften, Servierkräften, Zimmermädchen vorbehalten."
Denn Wohnungen waren Mangelware selbst in der sozialistischen "Wohnstadt" extra gebaut ab 1950 für das Eisenhüttenkombinat.
"Wir hatten auf der ganzen Etage ein Bad. Gäste durften wir keine mit hochnehmen – da hat die Rezeption genau aufgepasst, ob man niemanden mit hochnimmt."
Jen Erwin Siemssen
"Der Wind fegte durch das Gebäude, Vögel haben sich eingenistet. Und es ist eine Generation vergangen, seit das letzte Mal über das Lunik auch wirklich gesprochen wurde. Und wir setzen jetzt den Dialog in Gang, um Geschichte zu bewahren. Es ist natürlich auch DDR Geschichte. Wie sind wir damals miteinander umgegangen? Was ist hier passiert?"
Die Schrottimmobilie Hotel Lunik ist jetzt erstmal ein Theater, und soll dann in Zukunft wieder ein lebendiger Ort werden.
Autorin: Nathalie Daiber