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Die Alte Münze ist ein Gebäudeensemble direkt am Molkenmarkt in Berlin. Große Teile davon gehören der Stadt, ein Teil auch dem Bund. Bis 2006 wurden hier Münzen geprägt. Seitdem wird um die Nutzung und Sanierung dieses Filetgrundstücks gerungen. Nach einem gescheiterten Verkauf, bespielen seit über 10 Jahren Zwischenmieter Teile des Geländes: das Designmuseum "Direktorenhaus" und die "Spreewerkstätten", die einen Club betreiben und an andere Kulturakteure und Start-Ups weitervermieten. 2018 beschloss das Abgeordnetenhaus, die Alte Münze ausschließlich für Kultur zu nutzen. Ein "House of Jazz" sollte entstehen, in einem Beteiligungsverfahren entwickelten alle Nutzer ein gemeinsames Konzept. Die veranschlagten Kosten für die Sanierung stiegen derweil. Nun hat das Abgeordnetenhaus entschieden, die Gebäude langfristig an die Spreewerkstätten zu vermieten. Dem Direktorenhaus wurde gekündigt. Neuer Streit ist damit vorprogrammiert. Was ist da los in der Alten Münze?
Das Direktorenhaus zum Beispiel. Bereits vor 14 Jahren wurde es nach langem Leerstand wieder zum Leben erweckt: von Musikern wie Bonaparte und vor allem vom "Meisterrat", ein Verein, der hier ein Netzwerk von Handwerk und Design und eine Gallerie leitet. Nun ist ihnen der Mietvertrag vom Land Berlin gekündigt worden.
Katja Kleiss, Direktorenhaus
"Das war für uns völlig überraschend, weil es hat sich nichts irgendwie angekündigt vorher. Es gab auch kein Gespräch. Es gab in all den Jahren zuvor auch nie Nachfragen oder Gespräche. Das heißt, die Kündigung war wirklich wie aus heiterem Himmel und hat uns so ein bisschen getroffen wie ein Blitz."
Doch warum die Kündigung? Eine von vielen Fragen, die derzeit für Aufregung rund um die Alte Münze sorgen.
Aber der Reihe nach: Als die Münzproduktion 2005 eingestellt wird, will Berlin das Gelände verkaufen. Es wird an Zwischennutzer vermietet - an das Direktorenhaus, ein paar Jahre später auch an die Spreewerkstätten. Die betreiben einen Club, erschließen weitere Räume und vermieten die an Künstler und Kreative.
Als der Senat doch nicht mehr verkaufen will, werden Ideen gesucht.
Der Jazz-Trompeter Till Brönner schlägt ein "house of jazz" vor, der Bund verspricht dafür 13 Mio. Euro.
2018 beschließt der rot-rot-grüne Senat, dass hier vor allem Kultur stattfinden soll. In einem aufwendigen Verfahren einigen sich Vertreter der Freien Kunstszene und die bisherigen Nutzer auf ein Konzept. Für die Sanierung legt der Senat 35 Mio. Euro zur Seite.
Dann die Neuwahl 2023. Die nun Rot - Schwarze Regierung will sparen. Das Abgeordnetenhaus beschließt auf Antrag der CDU – fast unbemerkt - , dass allein die Spreewerkstätten einen langfristigen Mietvertrag bekommen sollen. Der bislang zuständige Kultursenator wird ausgebremst.
Kultursenator Joe Cialo, 22.02.2024
"Was sie als schwach empfinden, kann ich, möchte ich an dieser Stelle nicht bewerten. Ich kann ihnen allerdings sagen, dass wir als Kulturverwaltung nicht mehr in der Verantwortung stehen, was die Entwicklung angeht, das habe ich vorhin gesagt und damit würde ich das auch gerne bewenden lassen."
Treibende Kraft hinter der neuen Linie: der CDU - Haushaltspolitiker Christian Goiny. Seit Jahren setzt er sich für die Clubkultur - und damit auch für die Spreewerkstätten ein.
Christian Goiny, CDU, Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin
"Die haben ja hier schon 12 Millionen € in den Standort in den letzten zehn Jahre investiert, sonst könnte hier gar keiner was machen. Und da war natürlich die Frage. Klar, das geht auf Dauer nur weiter, wenn man hier einen längerfristigen Vertrag gibt. Wenn die Spreewerkstätten rausgehen würden, dann wäre die gesamte kulturelle Nutzung der alten Münze dahin, weil es niemanden gibt, der das Geld hat, der die nötigen Investitionen tätigen kann, um hier auch nur den Betrieb sicherzustellen."
Ein radikaler Richtungswechsel. Das aufwendige Beteiligungsverfahren: beerdigt. Für die Opposition ist die Direktvergabe der falsche Weg - meint der ehemalige grüne Finanzsenator Daniel Wesener.
Daniel Wesener, Die Grünen, Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin
"Hier ist offenbar die Idee die Leitidee gewesen, dass man damit Geld spart. Und das ist ein Punkt, der mich persönlich ganz besonders ärgert, weil meine feste Überzeugung ist, die Entwicklung der alten Münze, so wie sie ursprünglich geplant war, wäre nicht nur kulturpolitisch sinnvoll, sondern sie wäre auch im wirtschaftlichen Interesse des Landes Berlins. Das Land Berlin spart durch diese Unter der Hand Vergabe. Das ist es ja letzten Endes, wird übrigens auch von der IHK kritisiert, kinen Cent."
Auch die soganannte freie Szene - eigentlich die Gewinner des einstigen Beteiligungsverfahrens, fühlen sich düpiert. Sie fürchten, fortan nur Bittsteller zu sein.
Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer
"Und wenn man jetzt das Ziel hat, hier Vielfalt zu ermöglichen, Vielfalt von kulturellen Nutzerinnen, dann ist es noch wichtiger, diesen Prozess so zu gestalten, dass alle auch ein Stück vom Kuchen eventuell abkriegen. Wenn Sie sich auf ein Verfahren bewerben."
Die Spreewerkstätten indes halten die Sorgen für unbegründet, nach ihrem Konzept sollen in der Alten Münze weiterhin alle ihren Platz finden. Und: sie wollen kostendeckend arbeiten. Auf dem Papier ist für alle was dabei.
Felix Richter, Spreewerkstäten
"Oberste Prämisse ist, so viel wie möglich öffentliche Formate da zu platzieren, aber eben auch geschlossene und wirtschaftliche Formate, weil wir eben für unsere Kostendeckung eben auch mal Empfang oder eine Verleihung bei uns haben, die technisch begleiten und daraus natürlich auch eine gewisse Wirtschaftlichkeit ziehen, die wir wiederum in der Subventionierung verwenden können für andere freie Kulturprojekte."
Wie in einem Brennglas zeigt sich an der Alten Münze, wie unterschiedlich die Parteien mit landeseigenen Kulturorten umgehen. Nun also privatwirtschaftlich. Es bleiben Fragen: Wie wird der Mietvertrag aussehen? Wird wirklich gespart? Die Behauptung, preiswerter als das Land zu wirtschaften, ist leicht gesagt. Was passiert mit den inzwischen 50 Millionen, die für die Sanierung fest zugesichert wurden? Wird auch nichtkommerzielle Kunst hier ein festes Zuhause finden können? Und: Muss dafür das Direktorenhaus wirklich geräumt werden?
Daniel Wesener, Ehem. Finanzsenator, Die Grünen
"Wenn man schon der Meinung ist, mehr Kreativwirtschaft und mehr Bestandsnutzer, die jetzt schon auf dem Gelände sind, dann wäre es nur konsequent gewesen zu sagen, auch das Direktorenhaus bekommt eine langfristige Perspektive oder eventuell sogar weitere Flächen zugesprochen. Aber genau das ist nicht passiert."
Auf eine parlamentarische Anfrage nach dem genauen Kündigungsgrund antwortete der Senat schriftlich.
Zitat aus Anfrageantwort des Berliner Senats an MdA Daniela Billig (Grüne) am 6.2.2024
"Die Kündigung des Direktorenhauses war für die wirtschaftliche Umsetzung eines ganzheitlichen Konzeptes für das gesamte Areal erforderlich und steht im Einklang mit dem vom Abgeordnetenhaus geforderten Gesamtkonzept zur Nachnutzung der alten Münze durch die Spreewerkstätten."
Christian Goiny bezeichnet das als Missverständnis.
Christian Goiny, CDU, Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin
"Das ist nicht richtig. Der Abgeordnetenhausbeschluss umfasst ausdrücklich die bisher von den Spreewerkstätten genutzten Flächen und keine zusätzlichen. Es geht um das, was die Spreewerkstätten bisher nutzen."
Die Spreewerkstätten mieten bisher allerdings gerade mal ein Drittel der Fläche.
Warum berufen sich dann Kultur- und Finanzsenat auf genau diesen Beschluss für ihre Kündigung des Direktorenhauses? Und was wird dann mit dem übrigen Gelände?
Christian Goiny, CDU, Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin
"Wir haben gesagt, wir wollen an diesem Standort die clubkulturelle Nutzung dauerhaft sicherstellen. Was mit dem Haus eins ist, ist, glaube ich, oder was mit dem Direktorenhaus passiert, das weiß ich nicht. Da sind wir offen für Diskussionen und Vorschläge. Da gibt es jedenfalls von unserer Seite politisch keine Vorfestlegung."
Dann ist vielleicht das letzte Wort für das Direktorenhaus noch nicht gesprochen.
Autor: Dennis Wagner