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In knapp 4 Wochen wird in München die Fußball Europameisterschaft eröffnet. Kurz darauf starten die olympischen Spiele in Paris. Ein Sommer voller Sport liegt vor uns. Aber der Sport, wie er uns heute so selbstverständlich erscheint, ist gar nicht so alt. Er entstand erst im 19. Jahrhundert, in Clubs von meist adligen Gentlemen. Frauen durften nicht mitmachen, Arbeiter nicht, Schwarze und People of Color nicht, von Menschen mit Behinderung ganz zu schweigen. Die Geschichte des Sports, des organisierten Sports, lässt sich auch als Kampf gegen Ausgrenzung erzählen. Und genau das macht jetzt der Berliner Sportjournalist Martin Krauß.
Es ist ein Spießrutenlaufen als 1992 die Berliner Fußballer von "Türkiyemspor" gegen "Energie Cottbus" antreten. Türkiyemspor ist damals eine der wenigen deutschen Fußballmannschaften, die von türkischen Migranten gegründet wurde. Das war 1978 ein Meilenstein. Sie müssen sich nicht nur gegen radikale Cottbusser Fans behaupten, sondern auch innerhalb des organisierten Sports.
Martin Krauß, Journalist & Autor
"Türkiyemspor ist eine der bekanntesten migrantischen Vereine. Die migrantischen Vereine Türken, Griechen und so weiter haben sich gegründet, weil sie in normal deutschen Vereinen nicht geduldet oder nicht gewollt waren. Entweder hat man sie gar nicht erst reingelassen, der deutsche Sportbund hat sogar 1981 noch geschrieben, dass man darauf achten muss, dass die deutschen Sportvereine nicht kulturell überfremdet werden. Oder aber sie haben sich diskriminiert gefühlt, das war ein guter Grund zu sagen und wir machen unsere eigenen Vereine."
Martin Krauß war früher Leistungsschwimmer und Schwimmtrainer. Später wird er Journalist und beschäftigt sich mit Sport. In seinem Buch "Dabei sein wäre alles" erzählt er jetzt detailreich, wie Sportlerinnen und Sportler bis heute gegen Ausgrenzung kämpfen.
Martin Krauß, Journalist & Autor
"Mein Buch ist eine andere eine neue Geschichte des Sports. Es gibt große soziale Gruppen Arbeiter, Frauen, People of Colour, Schwarze, Behinderte, Queere, die alle um Teilhabe kämpfen müssen, zum Teil immer noch müssen und deren Geschichte erzähle ich als die Sportgeschichte."
Sport ist heute vor allem eine Freizeitbeschäftigung. Die Geschichte des modernen Leistungs-sports beginnt 1894 in Paris. Dort konstituiert sich das "Internationale Olympische Komitee". In Athen kommen dann zwei Jahre später Sportler aus aller Welt zu den ersten olympischen Wettkämpfen seit der Antike zusammen. Alle sollen sogenannte Amateure sein.
Amateure, das waren ursprünglich reiche, weiße Männer, die im England des 19. Jahrhunderts die ersten Sportclubs und Ligen gründen. Leistungen werden jetzt in Zentimeter oder Sekunden gemessen. Diese Elite will unter sich bleiben.
Martin Krauß, Journalist & Autor
"Das ist Amateursport, da gibt es kein Geld, sondern wir können es uns leisten. Als Profis gelten diejenigen, die mit ihrer Händearbeit, wie es in der Definition hieß Geld verdienen, das waren die Arbeiter, die wollte man nicht dabei haben."
Also organisieren sich die Arbeiter in eigenen Vereinen, richten eigene Wettkämpfe aus. In Deutschland ist der Arbeitersport sozialistisch geprägt. Er existiert von 1893 bis zur Machtergreifung der Nazis.
Martin Krauß zeigt uns den Werner Seelenbinder-Park. Der war ein berühmter Ringer und Kommunist, der von den Nazis ermordet wurde. Er ist hier beerdigt.
Bei der ersten "Arbeiterolympiade" 1925 gewinnt er Gold. Unter den Nazis verweigert er den Hitlergruß, geht in den Widerstand. Wird verhaftet. Weil er so gut ist, wird er dennoch 1936 zu den Olympischen Spielen zugelassen - und hat einen Plan.
Martin Krauß, Journalist & Autor
"Er sollte dort, wenn er Gold holt, beim Siegerinterview dann die internationale Presse über die Zustände in Deutschland informieren. Das war der Plan. Er war perfekt vorbereitet, alles, er wurde aber nur Vierter er hat das Halbfinale verloren und damit ist dann der Plan geplatzt."
Der Sprinter Jesse Owens. Für Martin Krauß ein anderes Beispiel für den Kampf um Anerkennung. 1936 läuft der Afroamerikaner in Berlin Weltrekord. Trotzdem wird der Sport-Superstar Jahre später in Amerika respektlos behandelt.
Martin Krauß, Journalist & Autor
"Dann hat man ihn laufen lassen gegen Pferde und andere Jahrmarktsveranstaltungen nach seinem großen Erfolg."
In seinem Buch zeigt Martin Krauß die Kehrseite der Sport-Erfolgsgeschichten, wie sie uns von den Funktionären gern erzählt werden.
Martin Krauß, Journalist & Autor
"Ich liebe den Sport. Was ich zeigen will ist, dass der Sport besser ist, wenn er diverser ist, wenn er sich öffnet, wenn alle Menschen die das wollen, ihn auch betreiben können ohne Diskriminierung, dann wird der Sport besser, garantiert und diese Botschaft, die würde ich gern vermitteln."
"Dabei sein wäre alles" - die passenden Lektüre für diesen Sportsommer.
Autorin: Margarete Kreuzer