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Wo sich heute das Humboldt Forum befindet, stand bis 2008 der Palast der Republik. Er war bis 1989 Sitz der Volkskammer und Ort der Repräsentation der DDR aber auch eine Stätte der Alltagskultur mit modernem Design, Kunst, Theater und Diskothek, Restaurants und Cafés. Viele Menschen erinnern sich bis heute begeistert an die kulturelle Zwischennutzung im entkernten Gebäude Anfang der 2000er Jahre. Ab 2006 erfolgte der durch den Bundestag beschlossene Abriss.
Vor 50 Jahren war Richtfest am Palast der Republik. Nur ein Jahr nach Grundsteinlegung. Ein sozialistisches Wunder!
Und so sah es nur 34 Jahre später aus: 2008 – die letzten Reste des Palastes werden abgerissen. Aus der Traum vom "Haus des Volkes" vom "Volkspalast".
Ausgerechnet die Bewohner der Stadtschloss-Attrappe – dem das Gebäude weichen musste – halten jetzt Mahnwache für den Palast der Republik. Ab nächster Woche mit einer Ausstellung und einem Erinnerungsbuch. Es heißt: "Hin und weg – der Palast der Republik ist Gegenwart".
Gesine Danckwart, Theater- und Filmemacherin, geboren 1969 in Westdeutschland hat dafür einen Essay geschrieben.
Gesine Danckwart, Theater- und Filmemacherin
"Ich war drin, ich war als Kind mal drin mit meinen Eltern als wir auf Berlin-Besuch waren. Ich denke mal, dass ich vielleicht so 10, 11 war und ich erinnere mich so an die Einlasssituation, an irgendwas sehr Buntes... ich nehme an, an die große Halle, dass ich mich daran erinnere."
Tobias Kruse. Fotograf. Geboren 1979 in Ostdeutschland. Er hat für dieses Buch eine Fotoserie geliefert.
Tobias Kruse, Fotograf
"Ich war mit meinen Eltern mal in Berlin, 1987 oder so... da waren die 750-Jahr-Feiern. Und da sind wir durch die Stadt gelaufen, haben auch den Palast besucht, auf jeden Fall kann ich mich an so ’ne Situation erinnern, als Kind, dass ich mal in diesem Foyer stand und diese Lampen da hingen..."
32 Jahre gab es den Palast – von 1976 bis 2008. 14 Jahre war er zu DDR-Zeiten geöffnet. Nach dem Mauerfall stand er 14 Jahre leer. Danach war er 2 Jahre offen und dann wurde er 2 Jahre lang abgerissen. Dieses Haus ist betongewordene Teilungs- und Vereinigungsgeschichte. Was will die Humboldtstiftung jetzt? Die alten Wunden noch ’mal aufreißen?
Tobias Kruse, Fotograf
"Ich glaub nicht, dass was aufgerissen wird, was nicht sowieso schon auf ist. Vielleicht ist es eher heilsam, dass da noch mal drüber geredet werden kann, über das, was zugedeckt wurde mit dem Stadtschloss. Ich seh’ das eher positiv, ehrlich gesagt."
Kruse hat für das Buch Menschen fotografiert, die eine Beziehung zum Palast hatten und natürlich noch haben. Zum Beispiel Gabriela Braden-Becker – ehemals DJane in der Disco des Palastes. Gertraude Zillmann, eine der Leiterinnen auf der Baustelle und Ritchie Barton, Keyboarder von Silly, die im Palast spielten.
Gesine Danckwart hat damals einen Film über die Palastruine gemacht. Auch dort kommen Menschen zu Wort, in deren Leben sich das Haus eingeschrieben hat. In ihrem Essay stellt sie jetzt die Frage, ob es nach der Asbestsanierung wirklich nur eine Chance für Berlin gab – den Palastabriss.
Gesine Danckwart, Theater- und Filmemacherin
"Für mich war und ist das einfach ein sehr sehr markanter Platz der Repräsentation von dem, was wir sein wollen, was Deutschland sein will, was die Bürgerinnen sein wollen. Ich finde nach wie vor, wir sitzen jetzt gerade davor, jetzt vor dem wilhelminischen Schlossnachbau. Ich finde es nicht state of the art für Berlin – das wirklich nicht spektakuläre Bauten bekommen hat in der Nachwendezeit – zu sagen, wir bauen da ’ne Rekonstruktion aus dem wilhelminischen Zeitalter dahin. Ich finde, das hat mit Geschichtsvergessenheit zu tun."
Ist es wirklich so, dass der Palast der Republik nur zwei Alternativen hatte: Entweder er ist der spießige Ort für "sozialistische Geselligkeit", Torten und Tanz oder er muss komplett verschwinden?
Tobias Kruse, Fotograf
"Man hätte das schon als Kulturzentrum im Herzen der Hauptstadt stehen lassen können. Und entsprechend für Ausstellungen, Theater usw. nutzen können. Denn das ist ja das, was fehlt – einfach viel Raum für Kultur. Das gibt’s in Berlin Mitte nicht mehr. Es gibt Museen, es gibt Theater, aber es gibt eben nicht diesen Ort, den man vielleicht auch ohne Institution im Rücken nutzen kann."
Gesine Danckwart, Theater- und Filmemacherin
"Es gab ja auch damals durchaus Entwürfe von sehr sehr hochkarätigen Architekten z.B. Rem Koolhaas, die sagten, warum integrieren wir nicht irgendetwas von diesem Gerippe, dieser Ruine, von den Fassadenanteilen, die noch vorhanden sind, kombinieren das vielleicht auch mit Schloßfassaden."
Gemeint sind jene 2 Jahre von 2004 bis 2006 nach der Asbestsanierung, in denen in Honeckers Lampenladen grandiose Kunst stattfand. Und in denen er vermutlich zum einzigen Mal wirklich Volkspalast war. Ein kurzer historischer Wimpernschlag.
Autor: Ulf Kalkreuth