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Im Modeatelier VEB Berliner Schick herrscht Betriebsleiter Herr Kuckuck. Der lässt massenhaft Waren produzieren, die kein Mensch tragen kann. Ein Erfolg bei der bevorstehenden Modemesse in Leipzig ist wichtiger. Neben ihm gibt es da aber auch noch Gisela, eine Mitarbeiterin mit Bodenhaftung und Normalmaß. Zum heißbegehrten Messeschlager in Leipzig wird schließlich nicht der Entwurf aus der Chefetage, sondern der von Gisela. Der bekennende Ost-Berliner und Opern- und Filmregisseur Axel Ranisch hat sich jetzt dieser "DDR-Operette" angenommen, mit Thorsten Merten als egomanem Betriebsleiter Kuckuck und Gisa Flake als Mode-Könnerin Gisela. Ein gut gelauntes Plädoyer für Menschen mit Format.
Ausschnitt, DDR Fernsehen 1960
"Ein dankbarer Operettenstoff. Die Mode als Produkt der Gesellschaft."
Es ist eine große Kunst, alles leicht aussehen zu lasssen – blendende Stimmung auf der Bühne und im Interview. "Messeschlager Gisela" ist für Regisseur Axel Ranisch ein Stück wie ein Silvesterabend vor langer Zeit.
Axel Ranisch, Regisseur
"Diese großen schönen Bowlegläser mit der vollgesaugten Erdbeere, voll mit Cognac, diese frivolen Witzchen und im Fernsehen "Ein Kessel Buntes", alle waren gut angezogen, alle waren gut drauf, ich habe nicht alle Witze verstanden, aber ungefähr so – und gute Musik und ne gute Stimmung. Das ist für mich so wie "Messeschlager Gisela"."
Andreja Schneider, Schauspielerin
"Man kann nur sagen: operette sich, wer kann!"
Wir sind im "VEB Berliner Chic" – dort regiert der Betriebsleiter Robert Kuckuck, leider die Inkompetenz in Person.
"Wo warn se denn die janze Zeit?"
- "Im Bett. Ich habe auf Einfälle gewartet."
"Und?"
- "Nüscht!"
Torsten Merten, Schauspieler
"Der Kuckuck kann nüscht. Und spielt hier aber den Chef. Ich bin das Arschloch! Der Antisympathieträger."
Und dann gibt es Gisela, jung und talentiert – und ihre Mode hat den ganz gewissen - "Pfiff".
Gisa Flake, Schauspielerin
"Für mich steckt in diesem Stück die Hoffnung auf ein besseres Deutschland, auf ein neues Deutschland, was wir alle zusammen kreieren. Deswegen ist das gar nicht negativ oder so, sondern es ist positiv, es geht voran. Und man scheitert dann ein paar Bürokraten und Chefs, die nicht so viel können."
"Gisela ist das Beste, was dem Betrieb passieren konnte."
- "Aber sie untergräbt meine Autorität."
Gisa Flake, Schauspielerin
"Aber jedenfalls ist so ne Aufbruchsstimmung da – das ist auch in den Liedern zu spüren. Das ist noch was Anderes."
Torsten Merten, Schauspieler
"Ich habe das blind zugesagt, den Natschinski, den fand ich geil durch "Heißer Sommer!" und sowas."
DDR Fernsehen (1984)
"Ungezählte Noten wurden durch ihn zu unvergänglichen Melodien. Über mehr als 70 Filmmusiken, Bühnen- und Orchesterwerken steht seit über 30 Jahren der Name Gerd Natschinski."
Axel Ranisch, Regisseur
"Das ist eine Katastrophe, dass diese Melodien, die so eingängig sind, solche Ohrwürmer sind, so ewig nicht zu hören waren."
Die Uraufführung war 1960 im Metropoltheater – noch war die Grenze offen – auch in diesem Stück.
"Also, im Kintopp warta jewesen. Drüben? Na klar, watt sonst…"
- "Le melon de Robert Kückück."
Und bei den Seitenhieben im Stück verstand Mancher schon früh keinen Spaß.
DDR-Fernsehen 1960
"Typisch für unser Leben im Sozialismus ist weder dieser Herr Kuckuck, der keine Minute als Betriebsleiter eines volkseigenen Berliner Modebetriebs möglich wäre, noch seine hypermodernistische Sekretärin mit dem Tick zum Hollywoodstar."
Axel Ranisch, Regisseur
"Nach dem Mauerbau wurde das Stück dann umgeschrieben, zum Teil vom Spielplan genommen und diese ganzen Frechheiten sind dann rausgenommen worden. Da haben wir uns natürlich gefreut, die alle wieder reinzunehmen."
"Ich werde nicht so wie der Chef sein. Ich lasse euch nicht im Stich! Ihr habt also ne Modenschau organisiert?"
Showdown in Leipzig auf der Messe – auf der Bühne siegt noch das Gute.
"Unser Mannequin Margerita präsentiert Ihnen die neueste Kreation des "VEB Berliner Chic" – Modell Gisela…"
Nur noch eine Frage – was wurde eigentlich aus dem "Berliner Schick"?
"Darf ich den Berliner Chic von heute vorstellen?"
- "Nein, um Gottes Willen, das ist mir so peinlich, ich hab vergessen, dass wir drehen und habe mir ne Jeans und… Naja."
"Das ist aber wirklich der Berliner Chic von heute. Hauptsache man sieht fantastisch aus, so wie unser Kollege Axel Ranisch."
Autor: Steffen Prell