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Er ist der Kunst-Star des 20. Jahrhunderts. Seine Abbildungen von Marilyn Monroe oder Tomatensuppenbüchsen sind weltbekannte Ikonen der modernen Kunst. Jetzt zeigt die Neue Nationalgalerie über 250 Werke von Andy Warhol, die eine unterdrückte Seite seiner Persönlichkeit offenlegen: sein Ringen mit der Homosexualität. Seine Suche nach männlicher Schönheit zieht sich wie ein roter Faden durch Andy Warhols Karriere. Die Werke die dabei entstanden wurden zu seinen Lebzeiten als unmoralisch, sogar pornografisch angesehen. Warhol starb 1987 mit nur 58 Jahren. Ein offizielles "coming out" hatte er nie. Die Ausstellung in Berlin bietet nun die Chance, diese selten ausgestellten Werke zum ersten Mal zusammen zu sehen.
Nackte Hintern. Im Siebdruck und als Polaroid. Es sind selten ausgestellte Werke, die einen anderen Andy Warhol zeigen, als den mit Elvis oder Marylin Monroe. Lisa Botti, die gemeinsam mit Klaus Biesenbach die Ausstellung zusammengestellt hat, erinnern diese Werke an die Alten Meister.
Lisa Botti, Co-Kuratorin Neue Nationalgalerie
"Wenn ich diese Werke sehe, das sind die sogenannte Torso-Serie, die hat er 74 begonnen. Wir sehen nackte Hintern, wir sehen in allen Formen in allen Posen in allen Positionen und das ist fast dieses Festhalten des menschlichen Körpers und davon ein Ausschnitt. Also das ist in der Renaissance passiert, in der Antike passiert."
Die Polaroids nutzt Andy Warhol einst nur als Vorstudien für seine Siebdrucke.
Andy Warhol, Künstler
"Für mich sind Akte Landschaften, ich finde sie sehen mehr nach Landschaften als nach Akte aus."
Diese Werke erzählen von Warhols männlichem Schönheitsideal. Und von seinem sexuellen Begehren.
Die Idee, diese weniger bekannte Seite von Warhol zu zeigen, hatte Klaus Biesenbach. Er arbeitet in den 90er Jahren in New York, Warhols Heimat. Dort entdeckt er sein fotografisches und filmisches Werk - und sein Tagebuch.
Klaus Biesenbach, Direktor Neue Nationalgalerie
"Da habe ich im MoMa im PS1 gearbeitet und kriegte so eine Kuratoren-Gästewohnung und da war nur ein einziges Buch drin, das waren die Andy Warhols Diaries, weil es das einzige Buch war und damals war man noch nicht online und ich hatte noch kein Kabelfernsehe und da habe ich das glaube ich das fünfmal gelesen."
Seitdem beschäftigt sich Klaus Biesenbach mit Warhol und ist von seinen Zeichnungen fasziniert. Seit den 1940er Jahren zeichnet Warhol immer wieder junge nackte Männer.
Und Berühmtheiten - wie den Schriftsteller Truman Capote, den er sehr bewundert. Und seinen ersten James Dean.
Klaus Biesenbach, Direktor Neue Nationalgalerie
"Warhol hat in den 40er Jahren angefangen diese Zeichnungen, die hier auch in der Ausstellung sind unsere erste Zeichnung ist von 1948 und da war es absolut illegal solche Zeichnungen überhaupt auszustellen. Es war auch illegal Fotos, die diese Motive zeigen, zum Entwickeln zu bringen, weil da hätte einen der Herr im Fotolabor anzeigen müssen, weil es illegal war."
Bis zu Warhols Tod 1987 ist Homosexualität in den USA ein Tabu. Wohl deshalb hat er sich nie öffentlich geoutet. Seit den 1960er Jahren ist er ein Star und der Liebling der Celebrities. Er porträtiert sie im Siebdruck: Mick Jagger mit vollen Lippen und großen Augen entspricht Warhols Schönheitsvorstellungen.
Klaus Biesenbach, Direktor Neue Nationalgalerie
"Er bezieht sich auch ganz in der Zeit liegend sei es Marilyn Monroe oder Mick Jagger auf die Schönheitsideale. Er hatte damals mit Mick Jagger ein Idol einer ganzen Generation weltweit. Warhol hat sich mit Mick Jagger angefreundet aber Warhol geht dann ganz direkt nicht nur Popstar, sondern auf seinen Freund Mick Jagger zu und nimmt ihn als Polaroid, Nahaufnahme Gesicht, aber auch Nahaufnahme Torso. Und was dann entsteht ist dieses weltbekannte Album, was die meisten gar nicht wissen, "Sticky Fingers" das hat Andy Warhol, das hat Andy Warhol designt."
1962 gründet er die Factory, sein berühmtes Atelier in New York. Dort tummeln sich Künstler und Talente.
Einem von Ihnen, Joe Dallesandro, gibt er Rollen in seinen Filmen "Flesh" und "Trash". Das unbekannte Aktmodell wird zur Berühmtheit. Ob Männer oder Frauen, alle sollen zu Warhols Schönheitsideal passen.
"Und man sieht eigentlich die gleichen charakteristischen Gesichtszüge oder man geht einfach weiter und sieht dann Joe Dallesandro. Das ist eigentlich ein Moment, wo man denkt Joe Dellesandro sieht eigentlich aus wie Nico."
Dieses Schönheitsideal seiner frühen Zeichnungen zieht sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie.
"Ich hoffe, dass Menschen die diese Ausstellung sehen auch das Vielfältige und die Möglichkeiten in sich selbst sehen und letztendlich in Warhol auch eine Inspiration sehen, den Mut, den man als Künstler aufbringt: Er hat ja wirklich 40er, er ja 40er/ 50er, 60er, 70er, 80er Jahre wirklich gegen den politischen, gesellschaftlichen, moralischen Mainstream gearbeitet."
Jenseits der bekannten Popart-Ikonen, kann man hier den anderen Warhol entdecken: den Rebell gegen die Durchschnitts-Moral seiner Zeit.
Autorin: Margarete Kreuzer