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"Bin ich schön" - die Frage stellt sich im Zeitalter von Tiktok und Insta noch mal anders. Alle sind da fit, glatt oder beides. Und wenn nicht, wird eben ein Filter drauf gemacht. Mit diesen abgründigen Schönheitsidealen spielt die Künstlerin Gretchen Andrew. "Facetune Portraits", so etwas wie "Getunte Gesichter", nennt Sie ihre Kunst und spielt mit den Internetschönheiten. Für die Berlin Art Week, die ab nächster Woche in zahlreichen Museen und Galerien stattfindet, kommt Gretchen Andrew in die Stadt.
Ist sie nicht wunderschön? Sagen doch alle – seit über 500 Jahren. Aber ein geheimnisvolles Lächeln reicht heute nicht mehr - da geht noch was!! Man muss nur ein bisschen nachhelfen…
Die Künstlerin Gretchen Andrew ist aus London nach Berlin gekommen. In dem Kunstraum Holon in Prenzlauer Berg bereitet sie ihre Ausstellung vor – es geht um wahre Schönheit und Vorstellungen von Schönheit und ein Drucker, der in diesen Tagen aufgebaut wird, wird hier eine entscheidende Rolle spielen – wenn’s klappt.
Gretchen Andrew, Künstlerin
"Der Algorithmus sagt: das hier ist schön. Aber das Foto sagt: so siehst Du aus. Dieser Roboter erlaubt uns, diesen digitalen facetuning-Prozess sichtbar zu machen – ihn wirklich auszustellen."
Moment mal – wir fangen ganz vorne an. Facetune ist eine App, mit denen man Portraitfotos bearbeiten kann – die Champions League des Filters, sozusagen. Neue Augen, andere Gesichtsform, blitzweiße Zähne, alles ist möglich. Facetune und andere Apps finden reißenden Downloadabsatz und auf Instagram und TikTok präsentieren sich zahllose Nutzer und Nutzerinnen mit einem vermeintlich besseren Ich.
Gretchen Andrew, Künstlerin
"Schönheitsideale ändern sich immer wieder. Wir leben in einer Zeit, in der Gleichförmigkeit durch diese Algorithmen belohnt wird – durch Aufmerksamkeit, durch mehr Publikum, durch die Möglichkeit, sich von mehr Menschen gesehen zu fühlen. Es kann sich verselbstständigen - es gibt sogar Leute die mit einem Facetunebild zu Schönheitschirurgen kommen und sagen: so will ich aussehen."
Für ihre Facetune-Portraits sind bei Gretchen Andrew zwei Drucker im Spiel. Der eine steht in New York und druckt Fotos, die sie gemacht hat, aus – aber in Öl, wie ein Gemälde. Später kommt dann Drucker zwei ins Spiel in ihrem Londoner Studio – der druckt die von facetune vorgeschlagenen, vermeintlich besseren Linien auf das ursprüngliche Bild – was steht da am Ende?
Gretchen Andrew, Künstlerin
"Die Gesellschaft fühlt sich unwohl im Umgang mit diesen Apps. Wir nutzen Sie, aber wir geben vor, es nicht zu tun. Mit den Facetuneportraits wollte ich den Schaden, die Narben und die Male zeigen, die diese Apps bei uns hinterlassen. Und ich will die Spannung aufzeigen. Bei diesen Bildern sieht man, wie wir aussehen und wie die KI sagt, dass wir aussehen sollen."
Gretchen Andrew, die in den USA aufgewachsen ist, hat nach ihrem Studium bei google im Silicon Valley gearbeitet – ein Traumjob, dachte sie eine Anfang – doch dann kam der Alltag, die Unzufriedenheit, auch als Frau in der TechWelt – und schließlich kündigt sie.
Gretchen Andrew, Künstlerin
"Ich glaube sehr fest an Technologie – aber ich habe auch gesehen, wie sie benutzt wird, um unsere Aufmerksamkeit zu manipulieren und uns Dinge zu verkaufen, die wir nicht brauchen. Irgendwann habe ich gesagt, ich nutze Technologie, um jemand Neues zu werden. Ich werde Künstlerin."
Über youtube-Videos eignet sie sich zum Beispiel Maltechniken an. Doch nach der google-Zeit sind die Technikthemen geblieben. Für ihre Ausstellung während der Art Week hat sie nun mit Berliner Influencerinnen und Künstlerinnen zusammengearbeitet – und facetune Portraits erstellt. Auch die Sängerin Douniah war dabei – hier sieht sie das Ergebnis zum ersten Mal.
Douniah, Sängerin
"Ich erkenne mich gar nicht in diesem Bild. Ich sehe eine Version, die aber irgendwie mit mir verbunden ist."
- "Dein Haar ist eigentlich das einzige, das überlebt hat."
"Alles andere ist verändert, aber auch zerstört."
Douniah, Sängerin
"Wenn ich irgendwelche Facefilter benutze weil ich sie cool finde oder weil ich sie ausprobieren will. Was das aber im Nachhinein mit mir macht, sprich: wie ich mich danach, nach gewisser Zeit selbst sehe, im Spiegel, durch mein Handy undsoweiter, wie ich mich präsentieren will. Das nimmt starken Einfluss darauf, aber ob ich diesen Einfluss bemerke, das ist eher die Frage."
Eine Frage haben wir noch an Gretchen Andrew – denn auf Instagram zeigt sie auch ihr schönes Leben mit Reisen, Spaß und kosmopolitischer Kunstszene – spielt sie da nicht selber das Spiel mit den Algorithmen, die sie kritisiert?
Gretchen Andrew, Künstlerin
"Ich weiß: wenn ich ein schönes Foto poste, dann werden meine nächsten Posts mehr gesehen. Es ist ein Spiel mit dem System. Und es ist wie im Casino – die Bank gewinnt immer."
Und bei allen berechtigten Fragen rund um Facetune – es gibt auch Menschen, denen diese App wirklich gut tut.