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Zuletzt hat die Schriftstellerin Katja Oskamp die Geschichten veröffentlicht, die Sie in ihrem ehemaligen Zweitjob als Fußpflegerin gesammelt hat. Das Buch "Marzahn, mon amour" ist ein Riesenerfolg. Jetzt hat sie ein neues geschrieben. "Die vorletzte Frau" nährt sich wieder aus ihrem eigenen Erleben. Es geht um eine große Liebe. Das Buch ist intensiv, gleichzeitig leicht und ganz eigen.
Das Leben ist wie ein Roman, sagen die Dichter. Und manchmal, mit einer neuen großen Liebe scheint das Leben neu anzufangen, kriegt der Roman eine völlig unerwartete, großartige Wendung. Auch die Schriftstellerin Katja Oskamp hat das erlebt - und jetzt einen Roman daraus gemacht.
Er beginnt lange bevor sie uns 2019 mit den, ihren Kunden abgelauschten Stories aus dem Marzahner Fußpflegesalon überrascht - Geschichten voller Melancholie und Witz: die Berliner Welt, das Leben von den Füßen her betrachtet: Marzahn Mon Amour - demnächst auch als ARD-Serie im Fernsehen.
Im neuen Roman erzählt Katja Oskamp, wie sie überhaupt zur Schriftstellerin wurde: Es ist die wunderbar erzählte Geschichte einer Liebe - und was alles geschehen kann, wenn sie unter die Räder des Lebens kommt.
Katja Oskamp, Schriftstellerin
"Jetzt habe ich mich eben in meinem eigenen Leben bedient und bin bestimmten Fragen nachgegangen, die mich beschäftigt haben."
Katja Oskamp ist 30 und studiert in Leipzig Literatur, als sie am Institut einen bekannten Schweizer Schriftsteller kennenlernt. Sie, die Ich-Erzählerin im Roman, ist sofort geflasht von dem 19 Jahre älteren Tosch - wie er im Buch heißt. Beginn turbulenter Beziehungs-Jahre.
Katja Oskamp, Schriftstellerin
"Das ist so die Zeit zwischen 30 und 50 in meinem Leben, und was mich daran auch interessiert hat, war eben nochmal nachzuvollziehen, wieso ich mich eigentlich mit 30 jung und mit 50 plötzlich alt gefühlt habe, wie ich vom einen zum anderen gekommen bin und was da alles so genau stattgefunden hat."
Faszinierend ehrlich sich selbst gegenüber erzählt Katja Oskamp von 19 Jahren, in denen sie als Mensch, als Frau und Autorin zu sich selbst findet. Tatsächlich war sie damals mit dem Schweizer Schriftsteller Thomas Hürlimann zusammen - dass sie ihn im Roman fiktionalisiert, kaufen wir als Leser gern. Wenn Katja und Tosch - beide sind langweilig verheiratet - sich treffen, irgendwo zwischen den Bergen und Berlin, geht es auch ums Schreiben. Aber nicht nur.
Katja Oskamp, Schriftstellerin
"Deswegen ist das vielleicht auch so ein fulminanter Anfang, weil man so gerne alles besser machen will mit dem neuen geliebten Menschen. Also in dieser Beziehung zwischen Tosch und mir, der Ich-Erzählerin, hat sozusagen die körperliche Liebe von Anfang an immer eine ganz entscheidende Rolle gespielt. Und aber genauso wichtig war das Schreiben. Und das waren eigentlich ein bisschen so die beiden Eckpfeiler, auf denen die Beziehung stand. Das waren sozusagen die Kernthemen und die haben sich auch überlappt und gegenseitig bedingt und vermischt. So habe ich das eben versucht, möglichst knapp, man will ja keinen Platz verschwenden, zusammenzufassen. Und das heißt eben Sex und Text im Buch."
Die produktive Magie zwischen den beiden überträgt sich auf den Leser: hoch emotional, ohne Pathos und Bombast, selbstironisch schildert Katja Oskamp ihr Erwachen an der Seite Toschs. Den sie - "dankbar abhängig", heißt es im Buch - als Lehrer und Liebhaber akzeptiert.
Katja Oskamp, Schriftstellerin
"Dass ich auf diesen Satz angesprochen werden würde, habe ich mir eigentlich schon gedacht, er musste trotzdem mal geschrieben werden. Klar wollen wir alle unabhängig und selbstbestimmt sein und das ist ja, also jemand in Abhängigkeit ist ja, also das ist ja nicht erstrebenswert und fürchterlich und muss sofort geändert werden. Ich hatte einfach mit diesem Schriftsteller ein wahnsinniges Glück, dass ich an seiner Seite und sozusagen unter seinem liebenden Blick mich zur Schriftstellerin entwickelt habe. Und deswegen habe ich das Wort Abhängigkeit mal positiv besetzen wollen."
Doch dann schlägt das Schicksal zu: Tosch erkrankt an Prostatakrebs. Rollenwechsel: jetzt tut sie etwas für ihn, "Mann-Pflege" heißt das bei Katja Oskamp. Am Abgrund, der sich in ihrem Leben und im Roman jetzt öffnet, läuft sie zu voller Form auf: Wahrhaftig, gnadenlos ehrlich habe sie schreiben wollen, sagt Katja Oskamp.
Katja Oskamp, Schriftstellerin
"Also Tosch und ich, wir haben es uns eigentlich beide verboten, dass die Krankheit alles dominiert. Natürlich ist sie immer da. Ich selber habe noch nie so eine schwere Krankheit gehabt, aber ich sehe es auch an anderen Leuten, der Umgang mit Krankheit hat eben wirklich sehr viel mit dem zu tun, was man, wie man vorher gelebt hat und wie man sich definiert und ob das Glas eben eher voll oder halb leer ist. Das zeigt sich in solchen Krisenmomenten immer deutlich."
Am Ende des Romans endet auch die Liebe, ganz undramatisch - "vom Leben eben so gewollt". Für die Leidenschaft, die es ihr gegeben hat, ist Katja Oskamp dankbar: das liest man aus ihrem Buch. Ja, es ist schwierig, damals, als sie erstmal Füße pflegt in Marzahn. Und dann geht eine neue Tür auf. Das Leben, ein Roman? Wir freuen uns schon auf den nächsten, Katja Oskamp!
Katja Oskamp, Schriftstellerin
"Ich habe erstmal glaube ich für mich selber ganz persönlich und auch ganz intim meine Frage beantwortet, die ich hatte beim Schreiben, ich habe mir diese 19 Jahre erzählt und hoffentlich so erzählt, dass sie auch jemanden anders interessieren. Und wenn man merkt, die Zeit wird weniger, die Zukunft wird geringer, die Vergangenheit wird immer länger, ist man noch mehr verpflichtet, ein gutes und ordentliches Leben zu führen oder sich auch einfach anständig zu benehmen, aber der Zenit ist überschritten, wir befinden uns im Sinkflug und absolvieren ihn mit Grandezza."
Autor: Andreas Lueg