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Fast ein Jahr nach dem Massaker der Hamas an israelischen Zivilisten haben über ein Dutzend deutsch-jüdische Autorinnen und Autoren aufgeschrieben, wie es ihnen seitdem ergangen ist, welche Gedanken ihnen durch den Kopf gehen, welche literarischen Ideen sich aufgetan haben. In dem Band "Wir schon wieder" versammeln sich Prosastücke, Erzählungen oder Essays. Am 15. September werden einige dieser Texte bei den Jüdischen Kulturtagen Berlin Brandenburg auf dem Bebelplatz vorgestellt. Wir haben uns mit einer der der Autorinnen, der Schauspielerin, Regisseurin und Schriftstellerin Adriana Altaras getroffen, um mit ihr über das Leben und das Schreiben nach dem 7. Oktober zu sprechen.
Wie fühlen Sie sich seit dem 7. Oktober? Das wird die Schauspielerin und Regisseurin oft gefragt. Ist jetzt alles anders? Fragt sie sich selbst. Und antwortet: Vielleicht nicht, aber ein Riss hat sich aufgetan.
Adriana Altaras, Schauspielerin und Autorin
"Ich habe es zuerst überhaupt nicht begriffen. Ich hab’s auch gar nicht als so tragisch empfunden. Anschläge ist man gewöhnt - klingt bescheuert, ist aber so. Und dann kamen die Nachrichten langsam aus Israel. Ich wohnte bei einer jüdischen Freundin und die hatte schon Alarm geschlagen und gesagt: Du, das ist anders. Das Gefühl zu haben, etwas hat sich grundlegend verändert. Das hat erst nach und nach stattgefunden."
"Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin": Den Titel ihres Beitrags zum Erzählband hat Adriana Altaras bei Heinrich Heine und seiner Loreley ausgeliehen. Mit dem wegen seiner jüdischen Herkunft angefeindeten Dichter fühlt sie sich verwandt...
Die Tochter jüdischer Widerstandskämpfer in Jugoslawien, die in New York und Berlin studierte, hier als Regisseurin, Autorin und Schauspielerin Karriere machte. Theater, Kino - auch aus dem Fernsehen kennen wir sie bestens.
Charité 2049 - ARD Serie
"Es geht nicht um Zahlen, es geht um Menschen."
Nichts ist wie vor dem 7. Oktober, auch nicht für sie in Berlin: Die Situation in Israel, Gaza, in ganz Europa ist alarmierend: Das auszuhalten ist furchtbar, schreibt sie.
Juden schlägt auch hier wieder blanker Hass entgegen.
Adriana Altaras, Schauspielerin und Autorin
"Ich hab nicht um mich selber Angst, nee. Ich habe natürlich Sorge, aber wer hat keine Sorge jetzt? Also, ich finde das auch nicht ein jüdisches Problem, sondern ein allgemeines, dass die Situation so aus den Fugen geraten ist für und wieder und Aggressionen. Also, es herrscht ja ein Umgangston und ein Populismus. Das ist ja zum Kotzen!"
Seit 45 Jahren lebt Adriana Altaras in Berlin - zwischen Juden und Deutschen, zwischen - so schreibt sie im Buch - "Scham, Versöhnung, Schuld, Humor, Hilflosigkeit und dergleichen mehr."
Sie findet die deutsche Sprache "wahnsinnig schön" und versteht, warum Heine im Exil das Heimweh nie losließ.
Adriana Altaras, Schauspielerin und Autorin
"Ich schreibe ja auch: Deutschland ist als Sehnsuchtsland ideal. Und dann erinnere ich mich natürlich an die Shoah und dann habe ich nicht mehr so gute Laune. Oder ich denke an die AfD und dann habe ich noch schlechtere Laune. Und dann wird plötzlich Deutschland madig und nicht mehr so schön."
Die Schockwellen, die der Terror der Hamas auslöste, der Krieg in Gaza, das aggressivere Klima hier: Plötzlich sind alte Fragen wieder da.
Adriana Altaras, Schauspielerin und Autorin
"Israel ist weggefallen als ein Ort der Zuflucht. Wir haben keinen Ort der Zuflucht mehr. Das heißt: Ich werde immer hier bleiben, oder- wo gehe ich hin? Gibt’s noch eine Heimat, wenn ich hier wegmuss, welche könnte das sein? Also das alles sind Themen, die diskutiere ich mit Juden, nicht mit Nicht-Juden."
Bei Pro-Palästina Demos wird Israels Existenzrecht infrage gestellt.
"Zionisten sind Faschisten!"
Zum intellektuellen kommt der praktische Vandalismus gegen jüdische Einrichtungen, sogar gegen ein jüdisch-palästinensisches Lokal. Und jeden Tag erhält Adriana Altaras Medienanfragen: Was denkt sie zum wachsenden Antisemitismus?
Adriana Altaras, Schauspielerin und Autorin
"Ich möchte mich nicht über Antisemitismus gar nicht echauffieren, weil ich andere Probleme habe. Ich würde gern, dass in Israel die Kriegshandlungen aufhören. Ich möchte darüber nachdenken, ob wir zu einer Zweistaatenlösung kommen oder zu einer Einstaatenlösung kommen."
Der Konflikt scheint unlösbar, der Krieg sinnlos: Was soll man denken, was fühlen angesichts dieser Gewalt? Auch Adriana Altaras fragt sich das - und nimmt Partei für die Menschen, Israelis wie Palästinenser, ohne Unterschied.
Adriana Altaras, Schauspielerin und Autorin
"Ich glaube, dass das Herz groß genug ist, um das Leid anzusehen von beiden Seiten. Das Massaker vom 7. Oktober, das ist für mich grausam, die Bilder anzusehen, grausam. Von diesen Terroristen…. Ich finde auch, dass die Hamas eine terroristische Bewegung ist und keine Freiheitsbewegung, das kann man nicht oft genug sagen. Und ich finde die Bilder von den Übergriffen und den Zerstörungen der palästinensischen Dörfer unterirdisch."
Heimat ist ein merkwürdiges Gefühl, schreibt Adriana Altaras, ein schwer zu greifender Schmerz. Bald dreht sie einen neuen Film, spielt eine Jüdin, die mit einem Araber lebt. In Jordanien.
Adriana Altaras, Schauspielerin und Autorin
"Mir geht der Arsch auf Grundeis dahin zu fahren. Es ist überhaupt nicht so, dass ich denke: Wow, toll, Jordanien! Ich wollte schon immer mal nach Petras, ja, würde ich gerne, trau’ ich mich gar nicht. Aber ich will da drehen, weil ich denke: Vielleichts hilft’s ja."
Autor: Andreas Lueg