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Ofer Waldman und Sasha Marianna Salzmann ist mit ihrem Buch "Gleichzeit" etwas sehr Besonderes gelungen; darin ihre Briefe, die sie sich nach den Terroranschlägen des 7. Oktobers und dem darauffolgenden Krieg in Gaza bis zum Beginn dieses Jahres geschrieben haben. Sie zeugen von der Vielzahl an existenziellen Nöten, in der sich die Menschen der Region, aber auch die, die mit ihr verbunden sind, seither befinden. Es ist ein eindringliches und nachdenkliches Gespräch der beiden zwischen Israel und Europa. Über den Krieg, das Leid, die Prosteste, aber auch über den erstarkenden Hass.
Sasha Marianna Salzmann, Autor*in
"Weißt du eigentlich, dass wir mit diesem Buch direkt hierherkamen, als wir es abgeholt haben? Das war das Erste, was wir getan haben."
Ofer Waldman, Autor
"Also ich kann mich ganz gut daran erinnern, dass ich ganz schnell so ein Bedürfnis hatte, dir zu erzählen, was ich vor meinen Augen hatte, also so unmittelbar vor meinen Augen."
Sasha Marianna Salzmann, Autor*in
"Ja, und das hat mich angesteckt."
Ofer Waldman, Autor
"Das hat dich angesteckt."
Sasha Marianna Salzmann, Autor*in
"Ja, weil ich dachte, ich werde nie wieder schreiben nach dem 07. Oktober."
Ofer Waldman, Autor
"Also wenn ich mir diese Frage stelle, wie ich an den 7. Oktober, wie ich mich daran erinnere, denke ich vor allem daran, dass ich an den 6. Oktober nicht mehr denken kann. Ich schaue zurück und alles, was dahinter ist, ist aus einer Zeit, die so weit weg liegt, dass sie ihre Konturen komplett verloren hat."
Sasha Marianna Salzmann, Autor*in
"Ich bin Sasha Salzmann. Ich schreibe Theaterstücke, Romane, Essays, kuratiere Festivals. Und ich habe mit Ofer das Buch Gleichzeit rausgebracht."
Ofer Waldman, Autor
"Ich bin Ofer Waldmann, freier Autor und Journalist. Ich lebe zwischen Deutschland und Israel oder in Deutschland und Israel."
"Das war in den ersten Tagen, Wochen, Monaten des Krieges ist meine Welt so klein geworden, also wir nicht mal bis zum nächsten Dorf gefahren. Und dann merkst du, dass du anfängst wirklich zu suchen, du gehst durch deine sehr klein gewordene Welt, also wirklich klein gewordene Welt. Du sagst okay da ist ein Bunker, da ist ein Bunker, da ist ein Bunker, wenn jetzt ein Alarm kommt, ich muss in der Nähe des Bunkers bleiben."
Sasha Marianna Salzmann, Autor*in
"Also ich glaube, dass die Zeitrechnung neu angefangen hat. Das heißt, es gibt nicht punktuell Veränderungen in meinem Leben seit dem 7. Oktober, sondern es gibt ein neues Leben nach dem 7. Oktober. Alles ist anders nach dem 07.Oktober. Ich habe das Gefühl, es ist wie das Wechseln eines Films. Es ist von Farbfilm in Sepia gewechselt."
Ofer Waldman, Autor
"Jetzt kommt unser Essen."
Sasha Marianna Salzmann, Autor*in
"Yum, yum, yum. Yallah! Grazie!"
Ofer Waldman, Autor
"Es ist erstaunlich, dass du und ich uns eigentlich nicht so gut gekannt haben vor dem 7. Oktober, wir haben uns ein paar Mal gesehen, aber mit diesem Tag ist unsere Freundschaft so eng geworden. Die Welt brach zusammen in 1.000 Scherben. Aber zumindest das, das hat funktioniert."
Sasha Marianna Salzmann, Autor*in
"Für mich ist die Freundschaft eine Wirbelsäule der Welt. Ich weiß, dass ich weitermachen, weiterleben möchte, weil es diesen Freundeskreis gibt."
"Ich kann den Begriff der Freundschaft gar nicht so gefühlsduselig verstehen, dass man immer einer Meinung ist und dann Hände haltend über die Wiesen hopst. Es geht schon darum, ständig in einer Auseinandersetzung zu bleiben."
Ofer Waldman, Autor
"Meine Generation hat so einen Krieg - so wie meine Eltern ihn kannten und wie die jetzige Generation ihn kennt - nie erlebt. Das kennen wir nicht, dass in jeder Schulklasse, in fast jeder Straße Menschen gestorben sind, schwer verletzt sind. Ich schaue meine Neffen und Nichten an und denke, ich hab nicht mal das Recht, sie anzusprechen."
"Sie haben so viele Menschen verloren, sie haben so viele Freunde verloren. Sie haben so viele Freunde verloren. Das ist… Wir haben gerade über Freundschaft gesprochen, sie haben so viele Freunde verloren."
Sasha Marianna Salzmann, Autor*in
"Wenn ich an Gaza denke. Es ist nicht so weit weg. Es fühlt sich nicht an wie weit weg. Und der Moment, wo ich verstanden habe: Dieser Krieg hört nicht auf. Und die Geiseln kommen nicht einfach so zurück. Es gibt kein, noch nicht mal ein Happy End. Es gibt kein Ende dieser Geschichte."
"Welche Partei was tut in dieser Region, ist nicht zu vergleichen miteinander. Das Leid der Menschen ist das gleiche. Menschen leiden. Und ich fand es total wichtig, was Jouanna Hassoun neulich meinte, bei einer Veranstaltung, bei der du auch warst: „Das Leid ist dasselbe. Die Bedingungen sind sehr unterschiedlich."
Ofer Waldman, Autor
"Tatsächlich? Also so oft werde ich gefragt noch Hoffnung. Und manchmal will ich sagen: Ne, habe ich keine. Ich hab keine. Und dann denke ich und das muss man immer wieder sagen, Maoz Inon sagt: Hoffnung hat man nicht, Hoffnung schafft man. Aus diesem „Nie wieder“. Nie wieder 07. Oktober. Nie wieder Zehntausende von Toten in Gaza. Nie wieder ein Krieg, der vorhersehbar ist, so wie jetzt im Südlibanon und in Nordisrael. Und der trotzdem ausbricht. Nie wieder! Aber wirklich nie wieder!"
Sasha Marianna Salzmann, Autor*in
"Ich kann dich sehen, Ofer."
Ofer Waldman, Autor
"Du schreibst mich in die Welt zurück, Sasha."
Autorin: Marie Röder