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Öffentlich zu singen ist den Frauen im Iran verboten. Die Sängerin Faravaz hat es dennoch getan, sie sang, über die Liebe, das Erwachsenwerden. Dafür drohte ihr Gefängnis – und sie floh. Heute lebt Faravaz in Berlin, macht hier Musik und findet: die Stimmen von Frauen können gar nicht laut genug sein.
Faravaz Farvardin wird 1990 in Teheran geboren. Als Kind hat sie keine Ahnung, dass das was sie liebt – das Singen und Musik machen – ihr einmal zum großen Verhängnis werden wird.
Faravaz, Sängerin
"Schon als Kind hab ich begonnen zu singen. Es hat mir einfach großen Spaß gemacht. Mir kam gar nicht in den Sinn, dass das was Schlechtes sein könnte. Denn alle haben gerne meine Stimme gehört. Singen ist doch was ganz Normales, wie soll man da auf die Idee kommen, dass das gefährlich für dich sein könnte."
Heute lebt Faravaz in Berlin. 2018, mit 27 Jahren, sucht sie in Deutschland Asyl - nachdem sie erfährt, dass sie in ihrer Heimat inhaftiert werden soll.
Denn im Iran ist es eine Straftat, als Frau in der Öffentlichkeit zu singen. Faravaz tut es trotzdem. Illegal. Wann immer sie kann. Auf kleinen Untergrund Konzerten oder auf der Straße. So wie viele andere ihrer Freundinnen, die dabei ihre Freiheit riskieren.
Faravaz, Sängerin
"Wenn du etwas liebst, dann kannst du nicht einfach damit aufhören. Und wir alle wissen ja tief in uns drin, dass wir nichts Falsches machen. Als unterdrückte Frau im Iran, war Musik das Einzige für mich, was mich am Leben gehalten und mir Freude bereitet hat. Das ist wie, wenn du jemanden liebst und alles dafür tust, dass diese Person bei dir bleibt. Wenn du Singen so sehr liebst, tust du eben alles um weiter singen zu können."
Lange überredet Faravaz ihre Eltern, bis sie ihr endlich erlauben Gitarren- und Gesangsunterricht zu nehmen. Dass sie westliche Musik hört, weiß der Vater nicht. Als sie einmal geschminkt und in Sandalen vom Musikunterricht kommt, zerstört der Vater wutentbrannt ihre Gitarre. Faravaz macht heimlich weiter. Sie produziert Songs und Videos mit Hilfe ihrer Freund*innen. Veröffentlicht sie auf Youtube und in Sozialen Medien, die im Iran zwar offiziell gesperrt sind, viele aber heimlich nutzen.
Faravaz, Sängerin
"Ich sage immer, als Frau im Iran geboren zu sein, ist ohnehin schon das größte Risiko, was man im Leben haben kann. Auch ohne ein Musikvideo zu veröffentlichen. Alles ist für Frauen verboten: zu tragen, was man möchte; die Haare zu färben; laut zu lachen oder sich in den Park zu legen. Was sollen wir denn tun? Wenn wir die ganze Zeit nur ängstlich sind, dann können wir ja nur noch zuhause sitzen und gar nichts mehr machen."
Als der britische Fernsehsender BBC einen Song von Faravaz spielt, bekommt das Iranische Regime davon mit. Bei einer großen Razzia gegen Musikerinnen wird Faravaz festgenommen. Das Urteil: ein Jahr Freiheitsstrafe. Sie geht in Revision. Als sie zufällig gerade ein Konzert in Berlin spielt, erhält sie die Nachricht, dass die Richter ihr nicht vergeben. Von einem Moment auf den anderen entscheidet sich Faravaz ihr Land, ihre Freunde, ihre Familie auf unbestimmte Zeit zu verlassen und in Deutschland zu bleiben.
Faravaz, Sängerin
"Ich weiß noch, wie ich jeden Tag aufgewacht bin und meinen Koffer gesucht habe. Und dachte: Ich will nach Hause, ich will nach Hause. Was mache ich hier? Es hat drei Jahre gedauert, bis ich verstanden habe: Ok, du lebst jetzt hier und kannst nicht mehr zurück. Ich hab auch lange gar nicht mehr gesungen, weil ich so sauer auf meine Stimme war. Ich habe so viel gelitten wegen ihr und dachte mir: "Fuck You, ich mag dich nicht mehr". Aber dann habe ich gelernt all meine Wut in meine Musik zu packen und das war der Moment, in dem ich das Singen wieder lieben konnte."
Das Exil hat sie verändert. Nicht nur in ihrer Musik lebt sie sich aus. Weiblich sein, wütend sein, provokativ sein, sich selbst lieben. Sie glaubt, würde sie heute in den Iran zurückkehren, würde sie nicht nur ihre Freiheit verlieren, sondern gar ihr Leben.
Faravaz, Sängerin
"Immer wenn ich die Hoffnung verliere, rufe ich meine Freunde im Iran an oder schreibe ihnen. Und dann gewinne ich meine Hoffnung zurück. Denn sie haben Hoffnung und leben schließlich mittendrin. Also wer bin ich, keine Hoffnung zu haben? Selbst wenn wir nichts erreichen können und das Regime sich nicht verändert, kann ich wenigstens, wenn ich alt bin, zu mir sagen: Du hast getan, was du konntest."
Autorin: Lilli Klinger