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Die meist weiblichen Fans stehen Schlange, die jungen Autorinnen werden gefeiert, wie Popstars. Die Bücherwelt der "New Adult"-Romane füllt eigene Abteilungen in den Geschäften - pastellfarben mit Glitzerschrift und Blumenschnitt. Die Bücher handeln von der Welt ihrer jungen Leserinnen um die Zwanzig und es geht meist um die große Liebe gegen alle Widerstände. Ein Büchertrend, der alle Umsatzrekorde bricht.
Auf Tiktok sind sie süchtig nach New Adult Romanen. Die Bücher richtet sich an junge Erwachsene zwischen 18 und 25. Sie werden fast ausschließlich von Frauen geschrieben und von Frauen gelesen. Es geht immer um die große Liebe aber auch viele andere Themen – wie Identitätssuche, berufliche Herausforderungen oder mentale Gesundheit.
Ulrike von Stenglin, Verlegerin
"Die Frauenfiguren sind extrem echt und fühlen sich gut an, wenn man mit ihnen mitgeht in so `ne Geschichte rein. Du fieberst wahnsinnig mit. Es ist sehr hoch identifikatorisch."
Auf booktok, der Bücher-Ecke bei Tik Tok, geben die Leserinnen Empfehlungen und tauschen sich aus. Teilweise haben sie hunderttausende Followerinnen.
Von dieser Fan-Vermarktung profitiert der Buchhandel. New Adult holt eine ganze, junge Generation zurück, die der Buchmarkt längst verloren glaubte.
Antonio Martinez, Büchhändler
"Das hat angefangen, sagen wir so, während Corona. Als es Corona gab, dann natürlich hatten die jungen Leute viel Zeit zur Verfügung und dann haben die angefangen zu lesen. Und wir hatten auch schon gedacht, das kann nicht für immer so bleiben. Aber tatsächlich ist das so, dass nach fast vier Jahren, die Entwicklung bleibt positiv so umsatzmäßig."
Die Gestaltung der Bücher ist besonders hochwertig. Dadurch werden sie auch zu Sammelobjekten, die manchmal doppelt oder dreifach gekauft werden. Wieder gut für die Verkaufszahlen. Bei Händlern, wie Dussmann wird genau beobachtet, was auf Tik Tok gerade Trend ist. Es gibt alle möglichen Genres – von Science Fiction, über Krimi, bis queer. Die sogenannten "Tropes" versprechen die unterschiedlichen Handlungsmotive der Bücher. Wie "Feinde zu Liebenden", "Reicher Boy/Armes girl" oder "Sports Romance".
Der aktuelle Trope des Monats: Dorfromanze.
Antonio Martinez, Büchhändler
"Die Sache ist, dass New Adult so für alle da ist. Und es ist unmöglich, dass eine Person nichts findet, der oder die interessant finden könnte."
Manche Autorinnen, wie die Berlinerin Merit Niemeitz, nutzen soziale Medien, um sich dort zu vermarkten. Sie sind im engen Austausch mit ihrer Community.
Merit Niemeitz’ neuster Roman ist eine "Second Chance Romance". Zwei Menschen, die sich gerne haben, driften auseinander und begegnen sich später im Leben wieder. Aber es geht auch um Verlust, Verantwortungsdruck, Familienbeziehungen.
Merit Niemeitz, Autorin
"Wenn Leute irgendwie sagen: Wo ich krieg ich Inspiration her… so, du musst einfach zuhören. Du musst mit Leuten reden. Du musst auf das hören, was Leute erzählen und vor allem auch glaube ich so ein bisschen auf das, was Leute nicht erzählen, weil das worüber irgendwie geschwiegen wird, oft auch das ist, glaube ich, worüber man unbedingt schreiben sollte. Weil dadurch im Umkehrschluss auch wieder natürlich so drüber gesprochen wird. Also das finde ich an dem Genre auch total schön, dass dadurch, dass wir Sachen schreiben und unsere Zielgruppe ja einfach auch sich viel austauscht und viel darüber redet, ich so das Gefühl habe, die finden manchmal selber dann Worte für Gefühle oder irgendwie Probleme und Themen, die sie vorher vielleicht so nicht hatten."
Mit dem Schreiben beginnt Merit Niemeitz schon als kleines Kind. Mit 18 fängt sie an New Adult Geschichten zu verfassen, ohne zu wissen, dass es dieses Genre überhaupt gibt. Sie schreibt nur für sich selbst, will eigentlich gar nichts veröffentlichen.
Merit Niemeitz, Autorin
"Das war eher tatsächlich so ein pragmatisches Ding nach dem Abi dann so ein bisschen, beziehungsweise nach dem Studium eigentlich eher, dass ich kapiert habe, ich brauche einen Job und wenn ich `nen Vollzeitjob irgendwo habe, werde ich super wenig Zeit zum Schreiben haben. Und ich fand den Gedanken so schlimm, weil mir das halt so viel gibt und ich das auch irgendwie in meinem Leben brauche und haben möchte, dass ich dachte: Ok, jetzt kannst du zumindest mal versuchen irgendwie da auch so `nen Job draus zu machen, zumindest zur Hälfte."
Wie viele New Adult Bücher spielen auch Merit Niemeitz’ Romane im englischsprachigen Raum und haben englische Titel.
Merit Niemeitz, Autorin
"Ich glaube, dass das schon viel auch so ein bisschen mit Sehnsuchtsorten zu tun hat. Und ich glaube, natürlich wir versuchen irgendwie Geschichten zu schaffen, die sehr nah am Leben sind und die auch irgendwas vermitteln und so, aber es sind natürlich auch immer noch irgendwie – es ist immer noch ein bisschen Eskapismus und ein bisschen Realitätsflucht. Und du willst dich irgendwie für `ne kurze Zeit auch in `ne andere Welt irgendwie fallenlassen. Und ich glaube tatsächlich, dass das vielen Leser*innen leichter fällt, wenn das dann nicht um die Ecke stattfindet, sondern irgendwie ein bisschen woanders."
Manche Kritiker*innen stempeln "New Adult" als trivial und oberflächlich ab. Handlungen und Charaktere seien außerdem stereotypisch und anti-feministisch.
Ulrike von Stenglin, Verlegerin
"Wenn du `n Ballerspiel spielst und du bist `n Egoshooter, der in `nem Kriegsgebiet durch die Gegend rennt, ist auch eine Art irgendwas auszuagieren, was in dir ist. Und vielleicht ist eben so `ne Unterwerfungsfantasie in `nem Roman auch ein Weg, irgendwas zu fühlen, was im Alltag vielleicht nicht mehr möglich ist oder sanktioniert ist. Und vielleicht wollen auch all diese emanzipierten, starken Persönlichkeiten mal irgendeinen Moment haben, wo sie loslassen können und sich sagen können so: Hey, entscheide du doch einfach, wie es läuft. Und ich finds irgendwie nicht cool, dass das immer so geframed wird."
In der Lebensphase Anfang 20, in der die Leserinnen mit vielen Herausforderungen konfrontiert sind, geben New Adult-Romane den Leserinnen Rückhalt und Orientierung. Und die Communities, online und offline, sind ein Safe Space, in dem die jungen Frauen sich gegenseitig zur Seite stehen können.
Merit Niemeitz, Autorin
"Wir sind’s ja gewöhnt, ein bisschen belächelt zu werden. Ich finds schön, dass das langsam so ein bisschen zumindest aufhört. Oder dass Leute da, glaube ich, mal ein bisschen anfangen, nachzudenken, warum’s denn so – also warum es so beliebt ist. Und warum das irgendwie jungen Menschen auch viel gibt."
Autorin: Lilli Klinger