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Der erstarkende Antisemitismus in Deutschland macht auch vor den Hochschulen nicht Halt. Dagegen will die "Jüdische Kunstschule Berlin" ein starkes Zeichen setzen. In unterschiedlichen Ateliers in der ganzen Stadt geben international renomierte Künstler*innen in den kommenden Monaten Workshops und Masterclasses. Wir waren beim Auftakt dabei.
Nimrod Mugzach, Fotografie-Student
"Ich bin nicht mit Kunst großgeworden, aber ich habe mich schon immer für die Kamera interessiert."
Nimrod Mugzach ist noch verhalten, schüchtern. Es ist der Anfang der Fotografie-Klasse und gleichzeitig der Jüdischen Kunstschule. Nimrod Mugzach ist früh am Morgen aus Leipzig angereist, er will dabei sein.
Als erster präsentiert er seine Arbeiten, dabei geht es auch um die Geschichte seiner eigenen Familie im Berlin der Nazizeit. Er ist in Israel geboren, lebt aber schon seit 2017 in Deutschland.
Nimrod Mugzach, Fotografie-Student
"Fotografie war irgendwie meine Art von Poesie."
Die Stimmung ist angespannt. Auch unsere Kamera verunsichert. Schließlich soll die jüdische Kunstschule ein Safe Space sein. Für alle, die sich seit Ausbruch des Krieges in Nahost an den Unis und im Kunstbetrieb nicht mehr wohl fühlen. Dort, wo eigentlich Austausch stattfinden soll, ist der Hass seit mehr als einem Jahr deutlich zu spüren.
"Wir werden euch jagen. Wir werden euch in eurem Schlaf jagen."
Gebäude werden besetzt, antisemitische Schmierereien, Störungen von Kulturveranstaltungen. Aus der Klasse will nur Nimrod Mugzach mit uns über die Situtation sprechen.
Nimrod Mugzach, Fotografie-Student
"Ich habe mich nicht so ganz wohlgefühlt, meine Arbeiten zu präsentieren, vor allem wenn sie mit Themen wie Antisemitismus sich beschäftigen."
"Ich habe nach einem Raum gesucht, wo ich mich sicherer fühle, wo es Menschen gibt, die vielleicht was ähnliches erlebt haben oder in der gleichen Situation stecken."
"Ewiges Andenken" heißt eine seiner Arbeiten. Ein fiktives Gespräch zwischen Nimrod und seiner Großmutter. Ihr ist es gelungen, vor den Nazis zu fliehen. Die Archivfotos zeigen seine Familie – oftmals ohne Gesichter.
Nimrod Mugzach, Fotografie-Student
"Es war mir wichtig, es gleichzeitig persönlich, aber auch unpersönlich zu machen."
"Es ist meine Geschichte aber es ist auch eine Geschichte von Millionen anderen Menschen. Und dass die Gesichter nicht da sind, macht es ein bisschen anonymer. Es könnte auch die Geschichte ihrer Nachbarn sein."
Der Seminarleiter ist extra aus Israel angereist. David Adika unterrichtet sonst an der renommierten Bezalel Universität in Jerusalem.
David Adika, Fotograf
"Manchmal ist es wichtig, wenn man sich mit etwas Persönlichem beschäftigt, auch mal von außen darauf zu schauen."
Menschenrechte und Identität – das sind die Themen, zu denen Adika mit seinen Schüler:innen in den nächsten Wochen arbeiten will.
David Adika, Fotograf
"Gerade in diesen Tagen ist es sehr wichtig, an Werte wie Humanismus und Gleichheit zu erinnern."
"Und wenn es innerhalb der ganzen harten Realität, dem Krieg und all den vielen negativen Dingen, die passieren, einen Lichtblick durch Kunst und Fotografie geben kann, dann freue mich, ein Teil davon zu sein."
Hinter der Jüdischen Kunstschule steckt das Institut für Neue Soziale Plastik. Wie groß der Andrang war, hat auch Projektleiterin Mia Alvizuri Sommerfeld überrascht.
Mia Alvizuri Sommerfeld, Leiterin Jüdische Kunstschule
"Wir wurden nach so kurzer Zeit mit so vielen Bewerbungen überschüttet."
"Wir haben 5 verschiedene Klassen und wir konnten tatsächlich, weil manche Klassen mehr Kapazitäten haben als andere, knapp 50 Studierende annehmen. Das ist einfach großartig."
Das Programm der Schule ist vielseitig: Von Schauspiel, Malerei, Gesang, Literatur bis Fotografie. International anerkannte Künstler:innen unterrichten, darunter Schauspielerin Adriana Altaras, und Sängerin Victoria Hanna. Die Sorge, dass sich durch das Projekt jüdische Studierende abschotten, kann die Leiterin nicht nachvollziehen.
Mia Alvizuri Sommerfeld
"Wir hören davon, dass deutschlandweit Studierende nicht mehr in ihre Ateliers gelassen werden von Kommilitonen, die können einfach nicht mehr an den Orten arbeiten, die eigentlich dafür vorgesehen sind, ihre künstlerische Praxis auszuüben."
"Wenn du da nicht arbeiten kannst, wo du eigentlich arbeiten möchtest, dann braucht es einen anderen Ort, an dem du erstmal arbeiten kannst und dann kannst du an den Ort zurückkehren - vielleicht mit einem anderen Selbstbewusstsein."
Die aktuellen Kurse der jüdische Kunstschule laufen bis Februar – dann soll es eine große Abschlussausstellung mit Arbeiten aller Teilnehmenden in der Alten Münze geben.
Autorin: Marie Röder