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Hundert Jahre nach seinem Tod ehrt das Jüdische Museum Berlin Franz Kafka mit einer Ausstellung. "Access Kafka" konfrontiert Kafkas Motivwelt mit zeitgenössischer Kunst - und fragt, was seine Literatur uns heute noch zu sagen hat.
Was haben Franz Kafka und zeitgenössische Kunst gemeinsam? Seit 3 Jahren geht Kuratorin Shelly Harten dieser Frage nach und hat nun eine Ausstellung zusammengestellt, die Werke Kafkas mit zeitgenössischen Kunstwerken in Verbindung setzt. "Access Kafka" heißt sie.
Shelley Harten, Kuratorin "Access Kafka"
"Kafka beschäftigt sich mit vielen Themen, die für uns heute relevant sind. Und ein Thema, dass sich durchzieht durch sein Werk, das ist das Thema des Zugangs, der Unzugänglichkeit."
Die Kunstwerke setzen sich mit Zugang und Zugehörigkeit auseinander- zu unserer Gesellschaft, zu Politik, Religion oder digitalen Räumen.
Dazu sind Zeichnungen, Briefe und Manuskripte aus dem Nachlass von Kafka zu sehen. In seinem Roman "Das Schloss" versucht die Hauptfigur K., ins Schloss, dem Machtzentrum des Dorfes, zu gelangen. Die Straße dorthin führt zwar immer geradeaus, doch K. wird sein Ziel nie erreichen. Videoarbeiten von Mary Flanagan greifen das auf, zeigen Wanderungen im digitalen Raum, in denen Landschaften endlos erscheinen.
In der Parabel "Vor dem Gesetz" wartet ein Mann sein Leben lang auf "Eintritt" in das Gesetz und wird immer wieder abgewiesen. In einer Animation von Alona Rodeh werden Altare aus Sand, die in Stein gemeißelte Gesetze symbolisieren sollen, vom Meer weggespült.
Der Künstler Cory Arcangel hat ein Super Mario Spiel so manipuliert, dass Mario auf einem Cube feststeckt, anstatt von einem auf den nächsten zu springen.
Shelley Harten, Kuratorin "Access Kafka"
"Weder der Spieler, die Spielerin kann diese Figur bewegen, noch kann sich die Figur selbst befreien aus dieser Situation. Dieser Frust ist etwas, was wir aus Kafkas Schriften zu Hauf kennen."
Kafkas Figuren sind meist Außenseiter. Desorientiert und auf der Suche. Viele seiner Geschichten handeln von körperlicher Kunst. Für Kafka selbst war auch das Schreiben an sich eine körperliche Herausforderung. Der Künstler Tehching Hsieh führte in den 80ern Performances durch, die ihn mental und körperlich extrem beanspruchten. Unter anderem lebte er ein Jahr als Obdachloser in New York.
Shelley Harten, Kuratorin "Access Kafka"
"Diese Konzentration, die Tehching Hsieh in seinen Einjahres-Performances zeigt, diese Aufopferung, diese Obsession ist auch bei Kafka zu sehen. Und im gleichen Raum zeigen wir einen Tagebuch-Eintrag von ihm, wo steht, dass die Konzentration auf das Schreiben, alles Körperliche in ihm schrumpfen lässt. Und das alles verkümmert – also das Essen, das Trinken, das Geschlecht, sogar der Sinn für Musik und Philosophie. Alles verkümmert für das Schreiben."
Kafkas Geschichten sind geprägt von Widersprüchen, die unauflösbar scheinen.
Ihn selbst hat immer die Frage beschäftigt, ob seine Kunst sinnvoll ist, was sie bedeutet.
Shelley Harten, Kuratorin "Access Kafka"
"Kafkas Werk zeichnet aus, dass man selbst auch sehr schwer Zugang dazu gewinnt, obwohl man sich immer irgendwie verstanden fühlt. Man kann es nachvollziehen, aber trotzdem bleibt Kafkas Werk irgendwie verschlossen. Und mit der Gegenwartskunst ist es oft auch so, dass man vor einem Kunstwerk steht und denkt: Was will es mir eigentlich sagen? Was wollte der Künstler, die Künstlerin mir sagen? Und da findet Kafka und die Kunst auch eine gemeinsame Sprache, weil sie eben nicht Eindeutigkeit vorgibt, sondern Vielfältigkeit."
Auch wenn mancher Zusammenhang in der Ausstellung etwas abwegig erscheint. Sie regt an, wieder einmal neu über Kafka nachzudenken. Über ein Werk, das schon so viel interpretiert wurde und so schwer zu entschlüsseln ist.
Autorin: Lilli Klinger