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"Der Widerspenstigen Zähmung", dieser Shakespeare-Klassiker muss heute anders inszeniert werden, denn zum Lachen ist die Komödie nicht mehr. Es geht um die Unterwerfung einer selbstbewussten jungen Frau. Am Deutschen Theater wagt Regisseurin Pinar Karabulut einen anderen Blick mit einem rein weiblichen Ensemble.
"Seid ihr ready" ist der häufigste Satz an diesem Probenvormittag im Deutschen Theater. Sieben Schauspielerinnen und eine feministische Regisseurin knöpfen sich Shakespeare vor. Pinar Karabulut hat vor ein paar Jahren gesagt, Intendanten hätten Angst vor ihr. Ist das denn immer noch so?
Pinar Karabulut, Regisseurin
"Ich würde schon sagen, dass es noch diese Angst von Männern gibt, mir gegenüber. Dass die sich einfach bedroht fühlen, sobald ich den Raum komme, aber..."
Menschlich gibt es keinen Grund dazu – auch wenn bei dieser "Zerschreibung" von Shakespeare nicht so viel übrig bleibt.
"Eine Zerschreibung für alleine die Idee von Gefügsamkeit!"
Pinar Karabulut, Regisseurin
"Womit ich in dieser Inszenierung arbeite ist auch wieder Aneignung von Stereotypen. So beginnt zum Beispiel die Inszenierung mit einer Hexenverbrennung – also eigentlich mit dem Klischee oder Vorurteil, dass eine Frau eine Hexe ist. Weil sie bluten kann, einmal im Monat, ohne zu sterben, weil sie Kinder in die Welt setzen kann. Und dieses Mittel der Hexenverbrennung wurde ja damals eingeführt, um quasi Gewalt an Frauen zu erlauben."
"Wollt‘ ich von allen Orten hier landen? Was ist das hier? Ach so, bin in Padua…"
Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung" bildet das Sprungbrett, von dem aus sich die Inszenierung zu anderen Themen katapultiert. Zur Erinnerung: Im Original geht es um die, sagen wir mal, charakterstarke Katharina aus Padua, die dringend verheiratet werden soll.
"Vergiss die Peitsche nicht" wird hier ganz wörtlich genommen – Petruchio hofft auf eine gute Partie und will die Widerspenstige nach Zwangsheirat zähmen.
Er macht sie buchstäblich zur Sau und lässt sie hungern.
Pinar Karabulut, Regisseurin
"Für mich gehört das zu den Warum-setzt-man-das-auf-den-Spielplan-Texten. Was Katja Brunner macht: sie geht eigentlich drei Schritte weiter und denkt, das sind eigentlich die ersten Momente in einer Beziehung, die zu einem Femizid führen können, die zu geschlechtsspezifischer Gewalt von einem Mann an einer Frau führen können – und darum geht es an diesem Abend."
Die schweizerische Dramatikerin Katja Brunner hat also den Shakespeare-Stoff für das Deutsche Theater weitergedacht. Eine Geschichte führt nach Brandenburg, nach Glindow, wo vor vier Jahren Dorota L. von ihrem Mann Wolfgang im Gartenteich ertränkt wurde, nachdem sie sich von ihm getrennt hatte. Inzwischen ist er zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
"Der Wolfgang, das war ein netter, umgänglicher Mensch. Er stand da an der Treppe mit einem weißen Hemd und einer Dönertüte und hat ganz freundlich "Hallo, Dorota" gesagt."
- "Wo ist der Ausgang, lasst mich heim…"
"Dorota. Erzähl, wie es war."
- "Wie was war?"
"Das Ausknipsen Deines Lichts."
- "Ich erinnere mich nicht."
Maren Eggert, Schauspielerin
"Deswegen ist es eher ein Zerdenken, zerlegen, weiterdenken. Zum Beispiel das Thema der Femizide ist ja auch erst in der letzten Zeit erst sorichtig in der Öffentlichkeit angekommen. Und vielleicht liegt das auch daran, dass man solche Konsequenzen der Gewalt oder, wo sowas angelegt wird oder, wenn man’s zu Ende denkt, in Gewalt oder sogar Mord enden kann, dass vielleicht gar nicht so auf dem Plan war."
"Sanft drängte sich der Tag in mich hinein, wie ein Nebel vielleicht."
Sieben Frauen stehen bei dieser Zerschreibung auf der Bühne – ist das die rausgestreckte Zunge an ihn hier – bei dem ausschließlich Männer alle Rollen spielten?
Pinar Karabulut, Regisseurin
"Für mich ist eigentlich immer wichtig, dass, wenn ich inszeniere, Räume zu schaffen – für Stimmen, die nicht gehört werden. Denn da gibt es ja auch Studien darüber, wie wenig Frauen auf der Bühne - und im Film sogar noch extremer – sprechen. Und wenn sie sprechen, sprechen sie nur über Männer. Deswegen war es klar, diesen Abend nur mit Frauen zu machen, weil das so ein Self-Empowerment-Raum sein sollte."
"Was soll ich denn in Ehegeländen, Ende Gelände, Elend Gehende…"
Politisch-komplex und verspielt zugleich ist die Sprache von Katja Brunner in diesem Stück – ein Anschreiben gegen immer noch wirkmächtige patriarchale Sichtweisen auf die Hälfte der Menschheit.
"Schrei und Weil, ab 35 bist du todgeweiht, im Prinzip, verfault an den Eierstöcken."
Ein bisschen was hat sich aber doch getan: Schon vor 95 Jahren steht in dieser Verfilmung am Ende Petruchio als eitler Idiot da – dem die Frauen aber noch erzählen müssen, was er hören will – ein hoffnungsloser Fall. Und Pinar Karabulut, die Frau, vor der manche Intendanten Angst haben – wird bald selber Co-Intendantin in Zürich. Sie ist auf jeden Fall ready.
"Are you ready? - Dann… hit it!"
Autor: Steffen Prell