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Porajmos - Das Verschlingen. So nennen viele Roma den Völkermord durch die Deutschen im Nationalsozialismus. Auch Sinti und Roma wurden damals brutal verfolgt und ermordet. Die Künstlerin Luna de Rosa hat erst vor wenigen Jahren davon erfahren, obwohl ihr Vater Rom ist. Seitdem beschäftigt sie sich mit der Diskriminierung und Ausgrenzung von Roma, die bis heute anhält.
Auf dieser Collage zeigt die italienische Romni Luna de Rosa die Seeschlacht von Lepanto. Vor über 400 Jahren siegen die christlichen Mittelmeermächte überraschend gegen die Osmanische Flotte. In Spanien und Italien werden für die Schlacht Roma verhaftet und müssen als Sklaven an die Ruder. Es ist der Ausgangspunkt für die systematische Verfolgung der Minderheit, die ihren Höhepunkt im Holocaust findet.
Was de Rosa besonders belastet – Roma kämpfen in der Schlacht auf beiden Seiten – also gegeneinander.
Luna de Rosa, Künstlerin
"Ich war natürlich schockiert, als ich das herausgefunden habe und gleichzeitig habe ich mich gefreut, denn es gibt so viel Unwissen über die Geschichte der Roma. Ich fühlte mich privilegiert, dass ich mehr darüber erfahren kann. Was damals passiert ist, ist Teil der Dynamik von Diskriminierung gegen Roma und die ist tief verwurzelt."
Alle Kunstwerke in der Ausstellung beschäftigen sich mit dieser Seeschlacht, wie diese Figur des Künstlers Kálmán Várady. In Venedig wird traditionell Maria Rosaria für den Sieg in der Seeschlacht gedankt. Doch diese Madonnen-Prozession der Roma-Künstler*innen soll an ihre getöteten Vorfahren erinnern. Luna de Rosa ist in Italien aufgewachsen. Ihre Kindheit in einer kleinen Stadt in den Abruzzen war geprägt von Ausgrenzung.
Luna de Rosa, Künstlerin
"Während meiner Schulzeit durften viele Kinder nicht mit mir spielen. Das war natürlich sehr schmerzhaft für mich. Ich habe angefangen, die ganzen Stereotypen, die uns Roma umgeben, zu glauben. Meine Familie hat ums Überleben gekämpft. Für meinen Vater war es unmöglich, Arbeit zu finden. Da habe ich angefangen, meine Identität zu verstecken."
Der Kurator der Ausstellung Moritz Pankok ist ein "Gadjo", so nennen Roma Menschen, die nicht ihrer Minderheit angehören. Doch die Geschichte der Sinti und Roma begleitet ihn schon sein ganzes Leben. Inspiriert von seinem Großonkel, dem Maler Otto Pankok, der in den 1920er Jahren Sinti porträtierte, arbeitet er heute als Galerist mit Roma- und Sinti-Künstlern aus ganz Europa. Er hatte die Idee zur Ausstellung, denn die Seeschlacht steht für ihn im direkten Zusammenhang zur Verfolgung in der Nazi-Zeit.
Moritz Pankok, Kurator
"Diese willkürliche Verhaftungen von Gitanos in Spanien, die da in der Zeit 1571 ihren Anfang nahm und dann mehrere Pogrome führte, in den folgenden Jahrzehnten, das war quasi die erste systematisch Verfolgung von Sinti und Roma in Europa, eine rassische Verfolgung, wo man damals natürlich noch nicht ahnen konnte, dass das in einer derartig existenziellen Vernichtungsstrategie der Nationalsozialisten enden würde."
Wie hier in Berlin Marzahn müssen in den 1930ern in Nazi-Deutschland Roma und Sinti in kommunalen Lagern leben. Der Arzt Robert Ritter und seine Mitarbeiter erfassen systematisch die Angehörigen der Minderheit. Anhand von angeblich rassischen Merkmalen werden sie katalogisiert.
Ab 1940 werden Roma und Sinti in die Vernichtungslager deportiert. Etwa 500.000 von ihnen sterben.
Luna de Rosa erfuhr erst vor etwa neun Jahren vom Genozid an den Sinti und Roma. Ihre Familie schwieg darüber, es ist wie eine Erinnerungslücke.
Luna de Rosa, Künstlerin
"Ich begann zu verstehen, was es bedeutet marginalisiert zu sein, an den Rändern der Gesellschaft zu leben. Ich verstand woher die psychologische Belastung kommt, die wir tragen: du fühlst dich immer unsicher, du hast Angst, deine Roma-Herkunft zu offenbaren."
Auch heute noch werden Roma ausgegrenzt, leben in Camps, ihren Kindern wird eine gute Schulbildung vorenthalten. Darüber will Luna de Rosa in ihren Arbeiten aufklären. Sie spricht jetzt offen über ihre Roma-Identität und kämpft als Aktivistin für ihre Rechte.
Luna de Rosa, Künstlerin
"Es ist wichtig, dass wir nicht vergessen, dass wir in der Diaspora leben, und dass jeder von uns viele Kulturen in sich trägt. Ich wünsche mir für die nächste Generation, dass sie das Trauma in sich heilen kann, dass sie sich wohl damit fühlen, die Menschen zu sein, die sie sein wollen."