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Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin gedenkt mit einem besonderen Konzert der Befreiung. Gespielt wird auf den "Violins of Hope" – Streichinstrumenten aus dem Besitz von Holocaust-Opfern und Überlebenden, die ein Geigenbauer in Tel Aviv bewahrt hat. Mit einer Uraufführung und Werken von Komponisten, die Auschwitz nicht überlebten oder den Krieg überstanden, wird Geschichte lebendig und tief bewegend hörbar.
Juliane Manyak, Geigerin Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
"Es ist schon ein besonderer Moment, wenn man herkommt und sich sozusagen "seine Geige" holt, das ist jetzt hier die Geige die mit "Auschwitz" bezeichnet wird. Hier steht "Violin that was played in the Auschwitz Orchestra"."
Juliane Manyak, Geigerin Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
"Es ist was Vertrautes da, es ist das Instrument, das ich seit meiner Kindheit spiele. Aber auf der anderen Seite birgt sie natürlich auch ganz viel Kummer in sich. Hat viel erlebt, hat viel gesehen, war an Orten, wo Leid statt gefunden hat, das wir uns gar nicht vorstellen können."
"Wenn ich das jetzt sozusagen an meinem Hals, an meinem Körper habe und mich über das Instrument ausdrücke, so wie wir das ja tun mit unseren Geigen, dann ist das schon was, was uns nachhaltig bewegt und beeindruckt."
Es ist die erste Probe des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin mit den Violins Of Hope - den Violinen der Hoffnung. Es sind mal stumme, mal klangvolle Zeugen des Holocaust. Einige wurden für ihre jüdischen Besitzer mit Davidsternen dekoriert.
Aus Tel Aviv ist Avhsi Weinstein angereist. In dritter Generation ist er Geigenbauer und Sammler der Violinen der Hoffnung. Eine Geige konnte im Grauen der Lager eine Retterin sein.
Avshi Weinstein, Geigenbauer
"In den Lagern gab es viele Orchester, denn die Nazis wollten dort Musik haben, brauchten sie wohl sogar."
"Für Musiker gab es manchmal leichtere Arbeit im Lager, weil die Nazis sie brauchten. Vielleicht ein Stück Brot mehr, einen etwas besseren Mantel. Und das konnte das Überleben bedeuten."
"Wenn Du keine Hoffnung hast, hast Du gar nichts. Die Menschen, die diese Instrumente gespielt haben, hatten etwas Hoffnung – einige haben deswegen überlebt."
"Viele Musiker haben überlebt – aber viele haben leider nie wieder gespielt."
So begann unbewusst die Sammlung der Violinen der Hoffnung. In Tel Aviv verkauften Holocaust-Überlebende ihre Instrumente an Avshis Großvater. Avshis Vater Amnon baute die Sammlung aus – und für ihn wurde sie zum Herzensprojekt – auch er hatte Angehörige im Holocaust verloren.
Avshi Weinstein, Geigenbauer
"Mein Vater hatte keine Familie, als er aufwuchs – und seine Eltern sprachen nicht darüber. Die Geschichten der Geigen bedeuteten ihm alles. Er ließ jeder Geige die größtmögliche Sorgfalt zukommen."
Vladimir Jurowski, Chefdirigent Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
"So, jetzt fangen wir an!"
Das Stück, das geprobt wird heißt: "Aus Geigen Stimmen". Komponiert eigens für diese Instrumente, für 55 Streicher. Eine Uraufführung wird es sein - Berthold Türcke hat es komponiert.
Berthold Türcke, Komponist
"Ich wollte diesen Instrumenten, die die Shoah überlebt haben, ein Stimme geben. So dass gleichsam ihre Seele darin erklingt und etwas mitschwingt von dem, was diese Instrumente erlebt haben beziehungsweise was die Spieler oder Besitzer erlebt und vor allem erlitten haben."
Immer wieder Stille…
…und immer wieder erheben dann einzelne Geigen im Solo ihre Stimme.
Vladimir Jurowski, Chefdirigent Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
"Das macht schon etwas Gewaltiges mit einem. Egal, welche Musik darauf gespielt wird. Ich sehe unser Konzert nicht unbedingt als einen politischen Akt. Uns Künstler interessieren vor allem die Menschen und die menschlichen Schicksale. Und das ist natürlich eine Mahnung an uns Heutigen, dass wir das nie wieder zulassen dürfen. Aber leider passiert es. Es passiert, während wir sprechen."
Über den Besitzer der so genannten "Auschwitzgeige" weiß man nicht viel – er verkaufte sie nach dem Krieg für 50 Dollar an einen Mitarbeiter des Jüdischen Hilfswerks, der sie später an die Weinsteins gab. Auch diese Geige wird ihr kleines Solo haben.
Juliane Manyak, Geigerin Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
"Ist jetzt nix, wo man denkt, wow, Solo, virtuos – einfach so, wie die kleine Stimme, die kann gebrochen sein, oder schmerzvoll…"
"Und das ist so ne Berührung mit der Vergangenheit. Ich bin mir da meiner Rolle, auch wenn sie klein ist, in diesem Kontext schon bewusst. Das ist wichtig."
Autor: Steffen Prell