Teure Extras beim Zahnarzt: Frau liegt auf Zahnarztstuhl (Bild: imago/Addictive Stock)
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Interview l Teure Extras, IGeL & Mehrkosten - Zahnarzt: Teure Tricks & Zusatzleistungen - was hilft?

Teure Tricks, Zusatz- und IGeL-Leistungen: Was können Patienten tun bei Ärger mit der Zahnarztrechnung? Antworten vom Medizinrechtsexperten Simon Hollenstein.

Nach dem Zahnarztbesuch kommt oft der Ärger, wenn auf der Rechnung teure Zusatzleistungen und Extras stehen. Sind die IGeL-Leistungen und Extras wirklich notwendig gewesen? Manchmal wächst sogar der Verdacht auf Betrug bei der Abrechnung. Was kann man beim Verdacht auf falsche oder überflüssige Behandlungen tun? Wo kann ich mich über einen Zahnarzt beschweren? Der Berliner Anwalt Simon Hollenstein gibt Antworten.

Was sind die häufigsten Gründe für Ärger bei Zahnbehandlungen?

Das Spektrum für Ärger in der Zahnarztpraxis ist breit. Prinzipiell ordne ich die Ärgernisse in drei Felder ein:
 
Zunächst sind da klassische Behandlungsfehler - wenn der Zahnarzt also den zahnmedizinischen Standard verlassen hat.
 
Das zweite - und bei mir häufigste Thema - sind Probleme bei der Prothetik. Der Patient ist mit einer neuen Brücke oder Krone - und häufig dann auch mit dem Arzt oder der Ärztin- unzufrieden.
 
Das dritte Feld sind Abrechnungsfehler. Oft entsteht der Ärger mit Zahnarztrechnung zum Beispiel durch teure Tricks der Zahnärzte.

Was wäre z. B. ein eindeutiger Behandlungsfehler?

Da war ein neunjähriger Junge, der teilweise schon bleibende Zähne, teils aber auch noch Milchzähnen hatte. Sein Zahnarzt sollte eigentlich zwei Milchzähne ziehen, um Platz für nachrückende, bleibende Zähne zu schaffen.
Der Zahnarzt hat dann aber nicht die Milchzähne, sondern zwei bleibende Zähne - ausgerechnet auch noch Schneidezähne - gezogen.
 
Das war extrem und ein klarer Haftungsfall. Der Zahnarzt aber wollte seinen Fehler nicht einsehen und hat sich bis zuletzt gewehrt. Hier haben wir den Zahnarzt verklagt.
Nachdem nun auch der gerichtliche Sachverständige einen klaren Fehler festgestellt hat, hat der Zahnarzt dann eingelenkt.

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Was tun, wenn der Fall nicht so eindeutig ist?

Es gibt viele Situationen, in denen der Patient unzufrieden ist, weil sich etwas im Mund nach einer Zahnbehandlung ungewohnt anfühlt. Längst nicht immer liegt ein Behandlungsfehler vor.
 
Der Zahnarzt schuldet dem Patienten grundsätzlich keinen Behandlungserfolg. Er muss seine ärztliche Tätigkeit nur so ausführen, wie es dem "zahnmedizinischen Standard" entspricht. Ohne konkrete Anhaltspunkte gestaltet sich die Suche nach dem Behandlungsfehler dann oft schwierig.

Was macht die Lage für Betroffene schwierig?

Der Patient hat oft nur ein Gefühl, dass etwas schiefgelaufen ist. Er weiß aber weder, ob der Arzt wirklich einen Fehler gemacht hat, noch worin dieser liegen könnte.
Wir müssen dann auf die Suche gehen, ob und wo der Arzt eventuell einen Fehler gemacht haben könnte.

Verdacht Behandlungsfehler - wie geht man vor?

Vermutet ein Patient einen Behandlungsfehler, rate ich ihm zunächst zu einer zahnmedizinischen Zweitmeinung - sie kann eine erste Idee liefern, ob und wenn ja, wo ein Fehler passiert sein könnte. Manchmal muss auch ein privater Sachverständiger beauftragt werden.
 
In jedem Fall sollte der Patient seine Behandlungsunterlagen vom Zahnarzt anfordern, am besten ohne dass der den Grund dafür kennt. Denn man kann nie sicher sein, dass die Unterlagen nachträglich manipuliert werden. Das unterstelle ich niemandem, die Gefahr ist aber da.

Manipulation beim Zahnarzt - wann sollte man aufpassen?

Ich erlebe das am häufigsten beim Thema Aufklärung. In der Regel muss der Patient vor ärztlichen Eingriffen mündlich unter anderem über Risiken aufgeklärt werden, damit er selbstbestimmt entscheiden kann, ob er die Risiken eingehen möchte.
 
Tatsächlich finden diese Aufklärungen häufig nicht statt. "Verwirklicht" sich bei einer Behandlung ein Risiko, über das der Patient nicht aufgeklärt wurde, muss der Arzt gegebenenfalls Schadensersatz leisten, selbst wenn dieser fachlich alles richtig gemacht hat.
Der Arzt hat also ein Interesse daran, dass sich in seinen Behandlungsunterlagen ein Hinweis auf ein Aufklärungsgespräch befindet.
 
Schreibt man den Arzt an und wirft ihm gleich vor, dass er nicht aufgeklärt hat, ist die Gefahr gegeben, dass er seine Unterlagen ergänzt um Hinweise wie "Aufklärung erfolgt".

Kann auch die Krankenkasse helfen?

Ja, bei Verdacht von Behandlungsfehlern kann die gesetzliche Krankenkasse angeschrieben werden mit dem Wunsch nach einer Begutachtung.
 
Verfasst werden diese durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Die Gutachten bieten eine Einschätzung, ob etwas schiefgelaufen ist oder nicht.

Prothese: Was sind die häufigsten Probleme?

Typisch ist: Ist ein Patient unzufrieden mit einer neuen Krone oder Brücke, versucht der Zahnarzt die Mängel zu beseitigen. Schafft er es nicht, den Patienten zufriedenzustellen, will der irgendwann den Zahnarzt wechseln.
 
Will ein Betroffener aus dem Vertrag mit dem Zahnarzt aussteigen, geht das aber nicht so einfach: Denn in der Regel hat der Zahnarzt zwei Jahre lang das Recht, Mängel beseitigen zu dürfen, ohne seinen Vergütungsanspruch zu verlieren.
Der Patient muss ihm in diesem Zeitraum die Möglichkeit geben, Mängel zu beseitigen - bis ihm das nicht mehr zuzumuten ist.

Mängel in der Prothetik: Was können Betroffene tun?

Das hängt vom Einzelfall ab. Wer unzufrieden ist mit der ärztlichen Behandlung, sollte immer erst mit dem Zahnarzt ins Gespräch kommen. Häufig lassen sich so schon Probleme aus der Welt räumen. Das gelingt aber nicht immer.
 
Besteht Streit zwischen dem Patienten und dem Zahnarzt, ob überhaupt ein Mangel vorliegt, sollte der Patient bei der Krankenkasse ein Mangelgutachten anfragen. Die Krankenversicherung kann dann einen Gutachter beauftragen. Stellt der Mängel fest, muss der Zahnarzt diese beseitigen.
 
Hat der Patient das Gefühl, dass der Zahnarzt den Mangel nicht beseitigen kann, sollte er sich mit seiner Krankenversicherung in Verbindung setzen, die Umstände schildern und darum bitten, den Zahnarzt wechseln zu dürfen.
Wechselt man einfach so den Zahnarzt, bevor die Krankenversicherung ihr OK gegeben hat, können beim nächsten Zahnarzt Kosten entstehen, die man notfalls selbst tragen muss.

Abrechnung: Was tun, wenn es hier Ärger gibt?

Die Fälle laufen oft ähnlich ab: Der Zahnarzt schlägt dem Patient ein bestimmtes Behandlungsprocedere vor, der Patient willigt ein. Hinterher kommt die große Überraschung: Die Rechnung fällt höher aus als erwartet.
 
Der Patient argumentiert dann natürlich zurecht: Wenn ich gewusst hätte, wie teuer die Behandlung wird, hätte ich die Therapie nicht durchführen lassen. Im Regelfall muss der Patient vor der Behandlung in Textform darüber aufgeklärt werden, was ihn die Behandlung kosten wird. Wenn man mit dem Arzt keine Lösung findet, landen solche Fälle meistens vor Gericht.

Verdacht überteuerte Abrechnung - was tun Sie dann?

Ich schaue mir immer an, wie der Zahnarzt abrechnet. Der Zahnarzt darf mehr abrechnen, wenn ein bestimmter Behandlungsschritt zum Beispiel besonders aufwendig war. Das muss er dann aber in der Rechnung begründen.
 
Wenn es Zweifel an der Abrechnungspraxis gibt, wird hier genau nachgefragt: Warum soll gerade dieser Schritt besonders schwierig oder aufwändig gewesen sein? Häufig stellt sich dann heraus, dass ein besonderer Aufwand nicht vorgelegen hat und der Zahnarzt mehr abgerechnet hat, als er durfte.
Häufen sich bei einem Zahnarzt solche Vorfälle, besteht Betrugsverdacht. In solchen Fällen informiere ich die Zahnärztekammer und Staatsanwaltschaft.

Herr Hollenstein, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Beate Wagner

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