Interview l Vergiftung durch die Luft - Kohlenmonoxid: Gefährliches Gas
Für rund 40 Menschen ist der Besuch in einer Shisha-Bar in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr nicht gut ausgegangen, genauer: mit einer Kohlenmonoxid-Vergiftung. Sie mussten in einer Druckkammer behandelt werden. Und auch hier hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) im Dezember 2018 eine Kampagne gestartet, die sich gerade an Betreiber und Besucher von Shisha-Bars richtet. Wie man sich vor Kohlenmonoxidvergiftung schützt, darüber sprachen wir mit dem Lungenfacharzt Dr. Harald Müller-Pawlowski aus Berlin-Lichterfelde.
Behandlung in einer speziellen Druckkammer des Universitätsklinikums Düsseldorf - so endete für rund 40 Menschen der Besuch einer Shisha-Bar Ende vergangenen Jahres. Der Grund: Kohlenmonoxidvergiftung. Die Gefahr kann bei jeder Art von unvollständiger Verbrennung entstehen. Besonders tückisch: Kohlenstoffmonoxid ist farb-, geruch- und geschmacklos.
Herr Dr. Müller-Pawlowski, was passiert, wenn zu viel Kohlenmonoxid in den Körper gelangt?
Kohlenmonoxid (CO) ist ein Gas, welches sich - viel stärker als Sauerstoff - direkt an die roten Blutkörperchen bindet, aber auch an das Sauerstoff transportierenden Myoglobin im Muskel. Wenn zum Beispiel ein Sauerstoffmolekül und ein Kohlenmonoxidmolekül um den Platz auf einem roten Blutkörperchen konkurrieren, dann braucht man etwa 200 bis 300 mal so viele Sauerstoffmoleküle, um ein CO-Molekül dort zu verdrängen.
Viel CO im Körper führt also zu einer Verminderung der Sauerstofftransport-Kapazität und wenn man zu viel CO im Körper hat, kann das durchaus tödlich sein. Wenn ich das richtig erinnere, sterben in Deutschland ungefähr 500 Menschen pro Jahr an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung.
Was macht das Gas Kohlenmonoxid so gefährlich?
Kohlenmonoxid ist sowohl farb- als auch geruchs- und geschmacksneutral. Das heißt: Sie haben keine Chance zu bemerken, wenn zu viel CO in der Luft ist. Viele Todesfälle sind darauf zurückzuführen, dass ein defekter Gasofen zu einer hohen CO-Konzentration in der Wohnung geführt hat und die Menschen nachts im Schlaf verstorben sind, ohne etwas davon mitzubekommen.
Was sind mögliche Quellen einer erhöhten Kohlenmonoxidkonzentration?
Wenn eine Gasheizung defekt ist, kann das zu einer erhöhten CO-Konzentration führen, aber auch ein offener Kamin. Wenn sie ganz viele Kerzen anhaben und ein bestimmtes Wachs da drin ist, kann das die CO-Konzentration im Raum auch erhöhen.
Inhalationsrauchen und Wasserpfeife (Shisha) rauchen (siehe Kasten) erzeugen ebenfalls Kohlenmonoxid. Und natürlich, wenn irgendetwas brennt: Zwei Wohnungen unter Ihnen fängt etwas an zu brennen und Sie haben die Fenster auf und der Wind steht ungünstig, dann kommt das Kohlenmonoxid zu Ihnen in den Raum und Sie atmen das ein.
Warum ist eine Kohlenmonoxid-Vergiftung so schwer zu erkennen?
Wenn es keine eindeutigen Hinweise auf eine Kohlenmonoxid-Vergiftung gibt, wie zum Beispiel einen Brand, dann denken Sie nicht daran. Wenn Sie zum Beispiel jemanden bewusstlos auffinden, der vielleicht 40 Jahre alt ist und keine Vorerkrankungen hat, dann denken Sie nicht an eine Kohlenmonoxid-Vergiftung, sondern eher an einen Herzinfarkt, einen Schock oder einen Schlaganfall. Deshalb werden solche Kohlenmonoxid-Vergiftungen häufig ganz einfach übersehen.
Die Diagnose einer Kohlenmonoxid-Vergiftung ist auch deshalb so schwierig, weil die übliche Messung der Sauerstoffsättigung im Blut durch einen Infrarot-Messfühler am Finger häufig zu gute Werte ergibt. Das liegt daran, dass das Infrarotsensor misst, wieviel Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) mit Sauerstoff beladen ist und wieviel nicht. Allerdings kann der Sensor dabei nicht unterscheiden, ob das Hämoglobin mit Sauerstoff oder mit Kohlenmonoxid beladen ist.
Wie groß muss die Menge an Kohlenmonoxid sein, die zu einer Vergiftung führt?
Das ist individuell unterschiedlich. Es gibt Menschen, die reagieren besonders empfindlich, etwa Säuglinge und Schwangere. Raucher vertragen in der Regel mehr Kohlenmonoxid als Nichtraucher: Wenn jemand stark raucht, hat er vielleicht schon fünf bis maximal zehn Prozent der Sauerstoffbindungskapazität auf den roten Blutkörperchen mit Kohlenmonoxid beladen. Bei einem Nichtraucher würde diese Konzentration an CO im Körper schon zu Schwindel, Kopfschmerzen und Übelkeit führen. Wenn diese Konzentration dann weiter ansteigt, kommt es zu Einschränkungen der Wahrnehmung bis hin zu Bewusstlosigkeit.
Wenn es mir in einem geschlossenen Raum plötzlich schlecht geht und ich den Verdacht habe, dass das an zu viel Kohlenmonoxid liegen könnte, was soll ich tun?
Sofort rausgehen an die frische Luft oder die Fenster aufreißen, wenn der Weg nach draußen zu weit ist. Und am besten gleich die Feuerwehr rufen und nicht selbst in den Keller gehen, um nachzusehen, was mit der Heizung los ist. Weil: Wenn Sie da unten sind und zwanzig tiefe Atemzüge nehmen, kann das ihr Ende sein.
Wie wird eine Kohlenmonoxid-Vergiftung behandelt?
Wenn man jemanden findet und weiß, dass er eine Kohlenmonoxid-Vergiftung hat, dann bekommt er zunächst Sauerstoff und zwar so viel, wie eben geht. Im Krankenhaus werden die Menschen dann mit 100-prozentigem Sauerstoff künstlich beatmet, damit kann man sie häufig stabilisieren. Wenn jemand eine ganz schwere CO-Vergiftung hat, dann muss man eine so genannte hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) machen. Das heißt, man muss den Druck, mit dem man den Sauerstoff in die Lunge bekommt, deutlich erhöhen. Das geschieht in einer Druckkammer, in der kein normaler Atmosphärendruck herrscht, sondern zwei bis vier Atmosphären Überdruck. Damit gelingt es, dass mehr Sauerstoff an das Hämoglobin in den roten Blutkörperchen bindet und das CO, welches ebenfalls an dem Hämoglobin bindet, verdrängt wird.
Das Tückische ist allerdings: Selbst wenn eine CO-Vergiftung tatsächlich diagnostiziert und mit der hyperbaren Sauerstofftherapie erfolgreich behandelt wird, kann es sein, dass Sie nach Hause gehen und eine Woche später plötzliche Symptome bekommen und ein völlig anderer Mensch sind. Das ist dann immer noch auf das Kohlenmonoxid zurückzuführen. Denn wenn das in hoher Konzentration im Körper vorhanden war, hat das CO möglicherweise Nervenbahnen angegriffen, die im Gehirn bestimmte Strukturen zerstören. Und das auch noch längere Zeit, nachdem das CO bereits aus dem Körper heraus ist. Das heißt, es gibt Patienten, bei denen weiß man: Die haben eine schwere Kohlenmonoxid-Vergiftung gehabt und die entwickeln plötzlich innerhalb von drei, vier Wochen ganz komische Symptome, die vorher nie da waren. Da denkt man an neurologische Erkrankungen wie Parkinson, aber in Wirklichkeit ist es die Spätfolge einer Kohlenmonoxid-Vergiftung.
Wie kann ich mich vor einer Kohlenmonoxid-Vergiftung schützen?
In Privaträumen am besten mit einem CO-Melder, vor allem, wenn man einen Kamin hat oder auch eine Öl- oder Pelletheizung. Diese CO-Melder sind nicht so bekannt, aber sie funktionieren relativ gut. Ein normaler Rauchmelder spricht auf Kohlenmonoxid überhaupt nicht an, das wissen aber viele Menschen nicht.
Herr Dr. Müller-Pawlowski, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Ursula Stamm