Interview l Schutz vor Herzrhythmusstörungen - Implantierter Defibrillator: Wem er schadet, wem er nützt
Ein implantierter Defibrillator kann lebensrettend sein. Das Gerät kann gefährliche Herzrhythmusstörungen erkennen und einen elektrischen Impuls abgeben. Doch nicht alle Patient*innen, die ein solches Gerät im Brustkorb tragen, profitieren davon. Wem die Technik wirklich nützt und wer besser darauf verzichten sollte, hat rbb Praxis Prof. Dr. Ingo Eitel gefragt, Direktor des Universitären Herzzentrums Lübeck.
Herr Prof. Eitel, warum bekommen Patient*innen überhaupt einen Defibrillator implantiert?
Viele Patienten entwickeln durch verschiedene Ursachen eine Herzschwäche, eine so genannte Herzinsuffizienz. Es gibt unterschiedliche Formen von Herzmuskelerkrankungen (Kardiomyopathien), die alle dazu führen, dass das Herz nicht mehr gut pumpt.
Wenn eine hochgradig eingeschränkte Pumpleistung des Herzens vorliegt, dann wissen wir, dass diese Patient*innen ein erhöhtes Risiko für bösartige Herzrhythmusstörungen haben. Es gibt in den Behandlungsleitlinien und in der klinischen Praxis eine "magische Grenze" der Pumpleistung von 35 Prozent. Wenn die Pumpleistung kleiner 35 Prozent ist, dann weiß man aus Voruntersuchungen, dass wenn man diesen Patient*innen einen Defibrillator implantiert, dass sie länger leben.
Wie funktioniert das Gerät genau?
Der Defibrillator ist dafür da, bösartige Herzrhythmusstörungen zu erkennen. Bei der Implantation werden Kabel direkt ins Herz gelegt, die kontinuierlich 24 Stunden am Tag den Herzrhythmus analysieren. Der Defibrillator erkennt lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen, zum Beispiel, wenn die Herzfrequenz dauerhaft über 200 Schläge pro Minute beträgt, dann wird der "Rhythmuswächter", also der Defibrillator, alarmiert. Dann prüft das Gerät nochmal, ob es nicht eine gutartige Rhythmusstörung ist, wie zum Beispiel Vorhofflimmern.
Der Defibrillator kann also relativ spezifisch und klar erkennen, ob es eine bösartige Herzrhythmusstörung ist und wenn ja, dann gibt er den elektrischen Impuls ab. Der Defibrillator hat in dem Moment dem Menschen das Leben gerettet, wodurch er in der Folge natürlich auch länger lebt.
Welche Risiken bestehen bei der Implantation und auch beim dauerhaften Tragen des Defibrillators?
Die Implantation solcher Geräte ist mittlerweile ein absoluter Routineeingriff, der teilweise schon ambulant durchgeführt werden kann. Aber es ist dennoch ein invasiver Eingriff mit möglichen Komplikationen. Der Operateur muss große Gefäße punktieren und da kann es zu einer Luftansammlung im Lungenspalt kommen oder der Operateur kann auch Gefäße verletzen.
Eines der größten Probleme ist aber, dass ein solcher Defibrillator ein Fremdkörper ist, der sich infizieren kann. Es kann sein, dass sich an den Sonden Bakterien anheften und die sitzen dann strategisch sehr ungünstig im Bereich des Herzens und können so im gesamten Körper verteilt werden. Die Sonden können auch brechen und Probleme bereiten, so dass sie nicht mehr richtig funktionieren und ausgewechselt werden müssen. Nach einer gewissen Zeit muss auch die Batterie des Defibrillators ausgetauscht werden, was dann einen weiteren Folgeeingriff notwendig macht.
In seltenen Fällen kann es auch sein, dass es zu so genannten Fehlschocks kommt -dass der Defibrillator schockt, obwohl gar keine bösartige Herzrhythmusstörung vorhanden ist. Das ist eine starke psychische Belastung für die Patient*innen, wenn sie dann so einen Schock bekommen.
Welche Patient*innen profitieren von einem implantierten Defibrillator und welche eher nicht?
Es gibt Behandlungsleitlinien, die besagen, dass jeder Patient, der eine eingeschränkte Pumpleistung unter 35 Prozent hat, einen solchen Defibrillator bekommen sollte. Und zwar dann, wenn er mit Medikamenten, die das Herz stärken sollen, gut eingestellt ist und die Pumpleistung des Herzens trotzdem dauerhaft unter diesen genannten 35 Prozent liegt.
Es gibt viele Studien, in denen man [genauer auf die Ursache der Herzschwäche geschaut und] untersucht hat, welche Patient*innen besonders von der Implantation eines Defibrillators profitieren. Das sind vor allem Patient*innen, deren Herzschwäche durch eine Durchblutungsstörung des Herzens entstanden ist, die unter einer so genannten ischämischen Kardiomyopathie (Herzschwäche) leiden.
Durch die schlechte Durchblutung pumpt bei ihnen die linke Herzkammer schlechter. Man hat gesehen, dass diese Patient*innen stärker von der Implantation eines Defibrillators profitieren als Patient*innen, bei denen eine so genannte dilatative Kardiomyopathie vorliegt. Bei dieser Gruppe liegt eine Pumpschwäche vor, ohne dass die Durchblutung des Herzens gestört ist (nicht-ischämische Kardiomyopathie).
Ein Beispiel ist eine große Studie, die so genannte DANISH Studie, die 2016 im "New England Journal of Medicine" veröffentlicht wurde, die genau das gezeigt hat. Patient*innen, die unter einer dilatativen Kardiomyopathie litten und medikamentös gut eingestellt waren, haben wahrscheinlich durch die mittlerweile deutliche bessere medikamentöse Therapie nicht zusätzlich von einem implantierten Defibrillator profitiert. Obwohl man genau davon bislang immer ausgegangen war.
Sie sind Studienleiter einer neuen Studie zu dem Thema. Um welche Patient*innengruppe geht es da?
Bei dieser neuen Studie (CMR-ICD), die gerade erst beginnt und die vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung in Berlin mit drei Millionen Euro finanziert wird, wollen wir uns die Patient*innen mit der nicht-ischämischen dilatativen Kardiomyopathie [Anm. d. Red.: krankhafte Erweiterung des Herzmuskels] noch genauer ansehen. Das sind rund 30 bis 40 Prozent aller Patient*innen mit einer Herzschwäche.
Unsere Hypothese ist, dass diejenigen, die unter Vernarbungen (Fibrosen) am linken Herzmuskel leiden, doch von einem implantierten Defibrillator profitieren. Und zwar deshalb, weil diese Vernarbungen eine häufige Ursache von bösartigen Herzrhythmusstörungen sind. Das kann man mit einem so genannten Herz-MRT untersuchen. Rund die Hälfte aller Patient*innen mit einer dilatativen Herzschwäche haben solche Vernarbungen am linken Herzmuskel.
Wir wollen 760 Patient*innen mit dilatativer Kardiomyopathie und Fibrosen einschließen, von denen eine Hälfte einen Defibrillator bekommt und die andere Hälfte weiterhin nur mit Herzmedikamenten behandelt wird. Wir hoffen, dass wir in etwa fünf Jahren mit Hilfe dieser Studie noch genauer sagen können, wer von der Defibrillator-Therapie profitiert und wer nicht. An der CMR-ICD Studie werden alle großen Herzzentren in Deutschland teilnehmen.
Bei den bisherigen Studien zu dem Thema handelt es sich nicht um kontrollierte, randomisierte Studien, die es dem Zufall überlassen, wer welche Therapie bekommt. Deshalb erhoffen wir uns von der CMR-ICD Studie besser verwertbare und belastbare Ergebnisse.
Welche Therapie bekommen dann die Patient*innen mit einer schweren Herzschwäche, die keinen implantierten Defibrillator bekommen?
Die medikamentöse Therapie der Herzschwäche hat sich in den letzten Jahren ständig verbessert. Es gibt immer mehr neue Medikamente, die zu einer deutlichen Abnahme des plötzlichen Herztodes - verursacht durch gefährliche Herzrhythmusstörungen – geführt haben. Deshalb ist diese Studie auch so wichtig, weil wir wissen wollen, ob auf dem Hintergrund der verbesserten medikamentösen Therapie der Herzschwäche der Defibrillator überhaupt noch diese Rolle spielt, wie vor 10, 20 Jahren.
Wenn Patient*innen geraten wurde, sich einen Defibrillator implantieren zu lassen, was raten Sie Ihnen?
Im Moment gibt es noch die klare Leitlinie, dass alle Patient*innen mit einer Herzleistung unter 35 Prozent einen Defibrillator bekommen sollten. Wer an der Studie interessiert ist, kann sich direkt beim Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck melden.
Das gilt aber nur für Patient*innen, die unter einer dilatativen Herzschwäche leiden und zusätzlich Vernarbungen am Herzmuskel aufweisen. Für die große Gruppe derjenigen, die an einer ischämischen Herzschwäche leiden, gilt nach wie vor, dass bei einer schlechten Pumpleistung unter 35 Prozent ein Defibrillator lebensrettend sein kann.
Prof. Eitel, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Ursula Stamm