Sperma auf dem Weg zur Eizelle, Animation (Quelle: imago/ Westend61)
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Kryokonservierung wird von Krankenkassen bezahlt - Familienplanung nach Krebsbehandlung möglich

Ab 1. Juli bezahlen Krankenkassen die sogenannte Krykonservierung, das Einfrieren von Samen- und Eizellen. Was das für junge Krebspatienten und -Patientinnen bedeutet, erklärt Prof. Matthias Freund, Kuratoriumsmitglied der "Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs".

Jedes Jahr erkranken etwa 16.000 Menschen im Alter von 18 bis 39 Jahren an Krebs. Die Krebstherapie rettet vielen das Leben doch sie hat einen Nachteil für Patienten und Patientinnen, die noch vor der Kinderplanung stehen: Sie kann zu Unfruchtbarkeit führen. Eine Alternative ist die Krykonservierung, das Einfrieren von Samen- und Eizellen.

Sehr geehrter Prof. Matthias Freund, wie läuft die Kryokonservierung ab?

Viele Methoden, mit denen junge Menschen bei Krebs behandelt werden, können unfruchtbar machen. Für diesen Fall kann man sich Reserven schaffen. Junge Frauen können Eizellen oder Eierstockgewebe einfrieren, junge Männer Spermien. Wenn man bei den jungen Frauen Eizellen einfrieren möchte, muss erst eine Hormonstimulation durchgeführt werden, was dafür sorgt, dass Eizellen in den Eierstöcken heranreifen.
 
Die kann man dann mit einer feinen Nadel durch die Scheide per Ultraschalluntersuchung entnehmen und dann in flüssigem Stickstoff einfrieren. Die Eizellen können für eine spätere künstliche Befruchtung genutzt werden. Alternativ kann auch Eierstockgewebe eingefroren werden. Eierstockgewebe wird praktisch durch eine Knopflochoperation aus dem Unterbauch genommen. Das geht sehr schnell. Das kann man nach der Behandlung später wieder einsetzen und dann kann die natürliche Fruchtbarkeit wieder hergestellt werden. Bei Männern ist es so, dass das Sperma aus den Spermien gewonnen wird. Die Spermien werden im Kinderwunschzentrum präpariert und eingefroren.

Wie lange sind die eingefrorenen Zellen nutzbar?

Kryokonservierte Zellen werden in Stickstoff bei Minus 196 Grad aufgehoben. Bei solchen Temperaturen finden keine Stoffwechselvorgänge statt. Nach unseren Dimensionen sind sie also unbegrenzt haltbar. Wie sinnvoll es ist, Zellen sehr lange einzufrieren, ist eine andere Frage.

Wenn wir uns noch mal die Kryokonservierung bei Männern anschauen: Produzieren Männer nach einer Krebsbehandlung nicht einfach wieder gesunde Spermien?

Gerade bei den Spermien ist es so, dass sie bei einem gesunden Mann aus Stammzellen nachproduziert werden. Das große Problem ist aber, dass Chemotherapie und Bestrahlung auch schon bei geringen Dosen die Stammzellen schädigen, aus denen die Spermien entstehen. Das Sperma, das nach der Behandlung noch da ist, das ist dann Sekret aus der Vorsteherdrüse. Da sind keine lebendigen Zellen mehr drin.

Ist die Kryokonservierung für alle jungen Krebspatienten geeignet?

Gerade die Spermiensammlung kann bei jungen Männern sehr breit angewendet werden, das ist sogar bei Leukämien möglich. Bei Frauen ist es bei Leukämien mit der Eizellsammlung schwierig, weil die etwa 14 Tage Zeit braucht. Diese Zeit hat man bei Leukämien nicht. Ähnliches gilt bei Leukämien auch bei der Krykonservierung von Eierstoffgewebe. Das kann problematisch sein, weil Leukämien auch die Eierstockgewebe selbst befallen, das gilt auch für manche Tumoren, wie hoch maligne Non-Hodgkin Lymphome. Da kann das Verfahren nicht geeignet sein. Was da möglich ist, das müssen Betroffene im Einzelfall mit dem Onkologen und dem Kinderwunscharzt abklären.

Die Krykonservierung ist bald Kassenleistung – wie zufrieden sind sie mit dieser Entscheidung?

Auf der Grundlage der Gesetzesänderung von 2019 ist ab 1. Juli das Einfrieren von Eizellen, Spermien und von Hodengewebe eine Kassenleistung. Es gibt nun zwei ganz wesentliche Probleme. Beim Einfrieren von Eizellen ist es so, dass bei den Mädchen, die unter 18 Jahren alt sind, die Medikamente, die für die Eierstockstimulation gebraucht werden, nicht bezahlt werden.
 
Da war das Argument der Krankenkassen und Kassenärzte, dass dafür die Zulassung nicht ausreicht. Da kann man sich allerdings darüber streiten, ob das so ist. Letztlich hat man es dazu genutzt, die Mädchen von dieser Finanzierung auszuschließen, was ich sehr bedauere. Der zweite Punkt ist, dass das Einfrieren von Eierstockgewebe durch diese Gesetzesänderung nicht erfasst ist. Aber: Die Krankenkassen wären schon grundsätzlich dazu verpflichtet, Eierstockgewebekonservierung zu finanzieren, da hat es ein Bundessozialgerichtsurteil gegeben von 2010, wo das festgestellt wurde.
 
Nur damals war noch das Argument in einem Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenkassen, dass die Methode nicht ausreichend eingeführt und anerkannt sei. Das hat sich aber mittlerweile geändert. Diese Methode wird auch in den Leitlinien der Fachgesellschaften empfohlen und als etabliert angesehen. Trotzdem ist es so, dass viele Kassen nicht zahlen. Das kann man aber unserer Ansicht per Sozialgericht durchsetzen.

Was sollten junge Menschen beachten, die sich für eine Kryokonservierung entscheiden?

Beim Eierstockgewebe ist eines noch wichtig. Für die Konservierung von Eierstoffgewebe muss wegen der genannten Probleme noch ein Antrag an die Krankenkassen gestellt werden. Da haben wir die Erfahrung gemacht, dass dieser Antrag oft zu spät gestellt wird, nämlich wenn die Eierstockgewebe-Entnahme schon gemacht wurde oder ein Behandlungsvertrag unterschrieben wurde. Unser dringender Rat ist es, den Antrag vorher zu stellen. Das geht auch telefonisch, dann sollte man sich nur den Ansprechpartner, das Datum und die Uhrzeit notieren. Die Entnahme oder der Behandlungsvertrag sollte frühestens einen Tag nach der Antragsstellung erfolgen.

Vielen Dank für das Gespräch Prof. Freund.
Das Interview führte Laura Will.

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