3D Grafik Mann fasst sich an schmerzenden Rücken (Bild: imago images/Science Photo Library)
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Wann liegt ein Bandscheibenvorfall vor? - Bandscheiben: Stoßdämpfer unter Druck

Wenn der Rücken schmerzt, denken viele Menschen gleich an die Bandscheiben. Doch Studien zufolge, ist für weniger als zehn Prozent der Rückenschmerzen ein Bandscheibenvorfall verantwortlich, welcher Druck auf die benachbarten Nerven ausübt. Und auch ein solcher muss nicht gleich operiert werden.  

Warum die Bandscheiben "schlapp" machen

Die Bandscheiben fungieren wie Stoßdämpfer zwischen den Rückenwirbeln. Und ähnlich wie bei den "echten" Stoßdämpfern am Auto, verlieren sie mit der Zeit ihre Elastizität. "Verschleiß an den Bandscheiben ist ein bisschen so, wie Falten kriegen, das gehört einfach mit dazu", sagt Dr. Kay Niemier, Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin an der Klinik für Manuelle Therapie in Hamm.

Auch 20 Prozent der Jüngeren haben schon degenerative Veränderungen an den Bandscheiben, doch bei den meisten verursacht das keine Probleme. Allerdings kann mangelnde Bewegung und die dadurch fehlende muskuläre Stabilität der Wirbelsäule diesen Verschleiß befördern. Denn die Bandscheiben werden ähnlich wie Gelenkknorpel nicht durchblutet und brauchen daher das Wechselspiel zwischen Entlastung und Belastung. "Das kann man sich so vorstellen, dass in der Entlastungsphase Flüssigkeit und Nährstoffe in die Bandscheiben hinein gelangen. Und in Druckphasen wird die Bandscheibe ausgequetscht wie ein Schwamm," sagt Kay Niemier. Wenn ich also nur Entlastung oder nur Belastung habe, dann werden die Bandscheiben schlecht ernährt und gehen die früher kaputt.  

Wenn es im Rücken schmerzt: Bandscheibe, Hexenschuss oder Ischias?

Eine falsche Bewegung und schon schießt der Schmerz in den Rücken ein und man kann sich kaum noch bewegen. Das sind typische Symptome eines Hexenschuss. Ursache sind häufig Blockierungen im Bereich der Wirbelsäule, die durch muskuläre Verspannungen und Dysbalancen ausgelöst werden. So ein Hexenschuss ist schmerzhaft, geht aber in vielen Fällen von allein wieder weg. Manchmal strahlt der Schmerz aber auch ins Bein aus, dann spricht man von einer Ischialgie. Gerade im Bereich des Ischiasnervs gibt es muskuläre Trigger-Punkte, die dadurch entstehen, dass Muskeln überfordert sind. "Aktiviere ich diese Trigger-Punkte, dann strahlt der Schmerz ins Bein aus", weiß Schmerzspezialist Dr. Niemier. Auch ein Bandscheibenvorfall kann den Ischiasnerv reizen und für ins Bein ausstrahlende Schmerzen sorgen. Kommen dann neurologische Ausfallerscheinungen hinzu, muss unter Umständen operiert werden (siehe Kapitel "Wann eine Operation sein muss"). 

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Bei einer sehr schmerzhaften Blockierung der Wirbelsäule, wie etwa bei einem Hexenschuss, kann eine Schmerzspritze, die die muskuläre Verspannung lösen soll, für Entlastung sorgen. Wichtig ist, dass die Patienten sich möglichst schnell wieder normal bewegen, weil eine länger andauernde Schonhaltung die Beschwerden nur verschlimmert.

Auch manuelle Therapie kann in solchen Fällen helfen, wobei das landläufig als "Einrenken" bezeichnete Procedere eher der Vergangenheit angehört. Vielmehr werden Bewegungsstörungen und verhärtete Muskeln mit den Mitteln der Chirotherapie, manuellen Therapie oder Osteopathie gelöst. Schmerzspritzen und auch Schmerzmedikamente, wie Ibuprofen, Diclofenac oder Acetylsaliylsäure können in akuten Situationen kurzfristig helfen. Zur Behandlung des chronischen Rückenschmerzes sind sie allerdings nicht geeignet. "Medikamente und auch Spritzen sind im chronischen Schmerz hoffnungslos überschätzt. Bei uns entziehen wir eher Patienten Medikamente als dass wir neue einstellen", berichtet Dr. Kay Niemier von der Schmerzklinik in Hamm.

Bei chronischen Rückenschmerzen werden dann eher Schmerzmittel eingesetzt, die den Schmerz modulieren und die körpereigene Schmerzabwehr stärken. " Das sind Medikamente, die zur Gruppe der Antidepressiva gehören, die allerdings in Dosen verabreicht werden, die keine antidepressive Wirkung haben", so Niemier.

Wann eine Operation sein muss

Eine Operation an der Bandscheibe wird dann notwendig, wenn es zu Lähmungserscheinungen in den Beinen kommt und bestimmte Körperfunktionen wie die der Blase oder des Darms nicht mehr kontrolliert werden können. Denn das ist ein klares Anzeichen dafür, dass die vorgefallene Bandscheibe den angrenzenden Nerv dauerhaft schädigt." Das heißt, da muss ich eher frühzeitig operieren", weiß Kay Niemier. "Das gleiche trifft zu, wenn in der Halswirbelsäule eine Bandscheibe aufs Rückenmark drückt, dann habe ich im schlimmsten Fall eine Querschnittlähmung."

Es gibt allerdings auch Grenzfälle, in denen es nicht zu einer Lähmung, sondern eher zu Taubheitsgefühlen in den Beinen kommt. In Studien hat man untersucht, ob es einen Vorteil hat, solche Grenzfälle sofort zu operieren. Dazu wurde eine Gruppe sofort operiert, bei der anderen wurde drei bis vier Wochen abgewartet und nur dann operiert, wenn die Beschwerden nicht besser geworden waren. Es zeigte sich, dass das Ergebnis bei denen, die später operiert worden waren, nicht schlechter war. Das heißt, man kann in solchen Fällen auch abwarten und manche unnötige Operation vermeiden.

Beitrag von Ursula Stamm