Interview l Thermoablation - Mit Hitze gegen Schilddrüsenknoten
Etwa jeder dritte Deutsche entwickelt im Laufe seines Lebens Schilddrüsenknoten - manche sind nur lästig, andere gefährlich. Über 80.000 Schilddrüsenoperationen pro Jahr werden in Deutschland durchgeführt. Wann eine OP notwendig ist und welche Verfahren dabei zur Verfügung stehen, darüber haben wir mit Prof. Dr. Frank Grünwald, Direktor der Klinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt am Main, gesprochen.
Die Schilddrüse ist ein kleines Organ - etwa so groß wie ein Daumen - welches knapp unterhalb des Kehlkopfes sitzt und den Körper mit wichtigen Hormonen versorgt. Bei etwa einem Drittel der Deutschen entwickeln sich im Laufe des Lebens Knoten in der Schilddrüse. Sie können harmlos oder gefährlich sein, manchmal auch einfach nur lästig. Wann die Knoten entfernt werden müssen und welche Methoden es dafür gibt, haben wir Prof. Dr. Frank Grünwlad gefragt.
Prof. Grünwald, wie entstehen Knoten in der Schilddrüse überhaupt und wie bemerken Patient*innen, dass sie einen Knoten haben?
Man unterscheidet zwischen "heißen" und "kalten" Schilddrüsenknoten. Diese lassen sich mit Hilfe eines Szintigramms - einer nuklearmedizinischen Untersuchung - bestimmen. Eine wesentliche Ursache für heiße Schilddrüsenknoten - und auch für eine Vergrößerung der Schilddrüse überhaupt - ist Jodmangel. Der Körper reagiert darauf mit einer Aktivitätssteigerung im Gewebe und auch mit einer vermehrten Ausschüttung des Schilddrüsenhormons TSH.
Kalte Knoten können in gleicher Weise entstehen, manchmal liegt ihnen auch eine Zyste oder eine Entzündung zugrunde. In seltenen Fällen können kalte Knoten bösartig sein. Die Knoten machen sich ab einer bestimmten Größe bemerkbar, wenn man sie tasten oder sehen kann. Wenn sie auf die Luft- oder die Speiseröhre drücken, kann es zu Schluckbeschwerden oder Luftnot kommen.
Wie werden Schilddrüsenknoten behandelt?
Es gibt viele Knoten, die man gar nicht behandeln muss, weil sie Patient*innen nicht schaden oder behindern. Knoten, die eine bestimmte Größe erreicht haben, Beschwerden machen oder bösartig sind, kann man operativ oder - im Falle der heißen Knoten - mit Hilfe der Radiojodtherapie entfernen. Dabei bekommen die Patient*innen winzige Mengen radioaktiven Jods verabreicht, welches in den Schilddrüsenzellen angereichert wird und dort gezielt Gewebe zerstört.
Für manche Patient*innen kommt die Radiojodtherapie nicht infrage, da sie zuvor größere Jodmengen erhalten haben, die die Schilddrüse blockieren oder weil sie generelle Vorbehalte gegenüber dieser Therapieform haben. Andere scheuen die Operation, weil das Risiko für Stimmbandverletzungen besteht. Ein drittes Verfahren, die so genannte Thermoablation, kann dann eine Alternative sein.
Wie funktioniert die Thermoablation und welche verschiedenen Verfahren gibt es dabei?
Es gibt drei verschiedene Verfahren, die in Deutschland hauptsächlich angewendet werden: Die sogenannte HIFU (hochintensiver fokussierter Ultraschall)-Therapie, die mit gebündelter Ultraschall-Energie arbeitet.
Dann die Radiofrequenzablation, abgekürzt RFA; diese basiert auf hochfrequentem Wechselstrom.
Und zuletzt die Mikrowellenablation (MWA), die durch elektromagnetische Wellen Wasser in Schwingung versetzt und somit Wärme erzeugt.
Alle drei Methoden basieren darauf, dass das Gewebe mit Hilfe von etwa 60 bis 90 Grad Wärme behandelt wird. Man zerstört bei allen drei Verfahren nie 100 Prozent des Knotens. Drei Monate nach der Behandlung ist dann der Knoten etwa um 60 Prozent kleiner geworden. Allerdings verringert sich das Volumen auch danach noch, weil sich das Gewebe im Laufe der Zeit durch Narbenbildung weiter reduziert. Das Risiko, dass Gewebe wieder nachwächst, ist gering.
Wonach richtet sich, welches Verfahren angewendet wird?
Das hängt vor allem von der Knotengröße ab. Die kleineren Knoten bis zur Größe einer Walnuss kann man am besten mit der HIFU-Therapie behandeln. Die Knoten bis zur Größe einer Mandarine mit der Radiofrequenzablation und sehr große Knoten mit der Mikrowellenablation.
Das hängt damit zusammen, dass letztere die höchste Effektivität hat und somit große Knoten in einer angemessenen Zeit entfernen kann. Die HIFU-Therapie hat den Vorteil, dass sie nicht invasiv ist; bei den beiden anderen Verfahren wird eine Sonde in der Dicke einer Stricknadel in das Schilddrüsengewebe eingeführt. Auch sehr große Knoten können mittels Thermoablation entfernt werden, man braucht dann eventuell mehrere Sitzungen. Oder man kombiniert - bei heißen Knoten oder sehr großen Knoten - die Thermoablation mit der Radiojodtherapie.
In welchen Fällen ist die Thermoablation zur Behandlung von Schilddrüsenknoten geeignet?
Für die Therapieentscheidung ist wichtig zu wissen, ob es sich um einen heißen oder einen kalten Knoten handelt. Das kann mit Hilfe eines so genannten Szintigramms beurteilt werden. Dabei wird den Patient*innen eine schwach radioaktive Substanz gespritzt und man kann sehen, ob der Knoten mehr oder weniger von der Substanz aufnimmt.
Nimmt er viel von der radioaktiven Substanz auf, ist er aktiver und somit "heiß", nimmt er weniger auf, ist es ein kalter Knoten.
Diese kalten Knoten haben ein etwa 2-5-prozentiges Risiko, bösartig zu sein. Deshalb führt man eine Gewebspunktion durch und gegebenenfalls noch eine so genannte MIBI-Szintigrafie, um auszuschließen, dass der Knoten bösartig ist. Denn dann dürfte man eine Thermoablation auf keinen Fall durchführen, da mit diesem Verfahren das Knotengewebe nicht vollständig entfernt werden kann und die Gefahr besteht, das bösartige Reste übrig bleiben und sich weiter ausbreiten. Es gibt auch so genannte indifferente Knoten, die weder "heiß" noch "kalt" sind.
Das heißt, heiße Knoten würde man primär mit der Radiojodtherapie behandeln. Nur wenn Vorbehalte gegen die Behandlung bestehen oder die Patient*innen zum Beispiel jodhaltige Medikamente brauchen, wäre die Thermoablation das Mittel der Wahl. Kalte Knoten können gut mit der Thermoablation entfernt werden, allerdings nur dann wenn ganz sicher ist, dass sich nicht bösartig verändert sind. Bösartig veränderte Schilddrüsenknoten werden in Deutschland immer operiert.
Wie steht es um die Nebenwirkungen der verschiedenen Verfahren?
Das Risiko für eine Schädigung des Stimmbandnervs liegt bei der Thermoablation deutlich unter einem Prozent, bei der Operation beträgt es ein bis zwei Prozent. Bei der Operation kommt es manchmal zu einer versehentlichen Entfernung der sehr kleinen Nebenschilddrüsen, das kommt bei der Thermoablation nicht vor. Das Narkoserisiko entfällt bei der Ablation. Das Risiko einer Infektion durch das Einführen der Sonde ist sehr gering und liegt bei etwa 1:5000.
Zahlen die Gesetzlichen Krankenkassen die Thermoablation?
Man sollte vorher mit der Krankenkasse sprechen, insbesondere, wenn die Behandlung ambulant geplant wird. Wenn die Therapie stationär durchgeführt wird – meist verbunden mit einem 24-stündigen Aufenthalt - gibt es in der Regel keine Probleme bei der Kostenübernahme.
Wo wird das Verfahren angeboten und wie finden Patient*innen geeignete Ansprechpartner?
Ansprechpartner für Patient*innen sind klinische Zentren, in denen insbesondere Nuklearmediziner*innen mit Chirurg*innen eng zusammen arbeiten und in denen alle verfügbaren Verfahren zur Entfernung von Schilddrüsenknoten angeboten werden. Von diesen Zentren wurden in Deutschland inzwischen etwa zehn etabliert. Ein zentrales Verzeichnis wird aktuell vom Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner erstellt.
Vielen Dank für das Gespräch, Prof. Grünwald.
Das Interview führte Ursula Stamm