Transkript des Interviews
Wie kam die UFA zur MOSAiC-Expedition?
(O-Ton 00:10) Ja gut, jede große Reise beginnt mit einer anderen Reise. Nico Hofman hatte das irgendwie geahnt, dass da etwas Großes passiert, und mich in die Antarktis geschickt, also genau auf die andere Seite der Kugel. Dort traf ich Professor Antje Boetius, Markus Rex, einen Expeditionsleiter, die „Polarstern“ war vor Ort. Das war quasi die Vorbereitungsreise der „Polarstern“ für diese große Expedition. Im Frühjahr 2019 habe ich dann auch gesehen, was dort passieren wird, man hat sich zusammengesetzt und zum Glück ist man auch zusammengekommen, um das Ganze dann ins Bild zu setzen.
Welchen Stellenwert nimmt das Projekt innerhalb der UFA ein?
(O-Ton 00:50) Für die UFA ist das natürlich ein ganz spannendes Leuchtturm-Projekt, dass man sagt, wir gehen jetzt auch auf den Markt der High-End-Doku. Wir können das als exklusiver Bewegtbild-Produzent an Bord umsetzen, wir haben die Bilder, um die einem internationalen Publikum durch unsere Parte bei Fremantle auch in die Welt zu tragen. Es ist zudem ein ganz spannendes Projekt auch für die Bertelsmann Content Alliance, die dabei sind, und so bekommt diese Expedition, die zehn Jahre in der Vorbereitung brauchte, hoffentlich auch den medialen Stellenwert, den sie verdient.
Sie waren selbst an Bord der „Polarstern“. Was war ihr prägendstes Erlebnis?
(O-Ton 01:26) Naja, die „Polarstern“ ist ja die „Grande Dame“ der deutschen Polarforschung. Das ist ja der Eisbrecher, das Forschungsschiff, das ganz viel Geschichte vereinigt und viel Forschung gemacht hat, viel großartige Forschung. Das ist schon erhebend, mit diesem Schiff aufzubrechen von Tromsø aus und in die Arktis zu fahren und nicht zu wissen, wo man eigentlich dann landen wird. Am Anfang ging es ja darum, eine Scholle zu finden. Und mit diesem Team, auf diesem Schiff, mit der Besatzung, die so viele Jahre und Jahrzehnte an Erfahrung versammelt, diese Aufgabe anzugehen war schon sehr berührend.
Also ich bin es ja nicht schon mal gewohnt, mit einem Eisbrecher durch die Arktis zu fahren, das ist schon mal besonders. Und überhaupt nicht gewohnt war ich es, auf Meereis zu laufen. Das ist ja was Anderes, als wenn man auf dem zugefrorenen Wannsee unterwegs ist. Aber Meereis, das ist ja im Endeffekt so eine weiße Fläche, und das ist einfach gefrorenes Meerwasser. Da tritt man drauf und denkt nach ein paar Stunden „Naja geht doch, das ist ja fast so ein bisschen wie auf echtem Land laufen“. Es kam nach vier Tagen, da ging nämlich so ein markerschütterndes Geräusch, das war da und neben mir tat sich ein Riss auf. Und dann guckt man auf vier Kilometer Wassersäule und einen eiskalten Ozean und man merkt eigentlich, wo man überhaupt unterwegs ist und dass das hier nicht so ganz normal ist, was man da tut. Ich hab davon geträumt und ich hab es aber, glaube ich, auch verarbeitet. Ich würde gerne wieder hin.
Was waren die größten Herausforderungen für Sie als Producer?
(O-Ton 02:55) Das ist ja ein ganz spannender Ansatz, den wir mit diesem Film leisten können, dass wir wirklich dabei sind, wenn Forschung entsteht. Wir sind 380 Tage an Bord, so lange wie die Expedition geht. Wir leben mit den Wissenschaftlern zusammen, wir gehen mit denen zusammen aufs Eis, wir rennen zusammen vor den Eisbären weg, und da entsteht eine ganz eigene Nähe, eine ganz eigene Intensität der Berichterstattung. Und das ist auch wirklich dem AWI zu verdanken, dass sie den Mut haben zu sagen, „wir nehmen ein Filmteam mit an Bord und lassen uns begleiten“. Man will sich ja nicht immer bei seiner Arbeit auf die Finger schauen lassen, vor Allem nicht, wenn man etwas herausfindet. Man weiß ja vorher nicht, was genau passiert. Es gibt Pläne, es gibt Forschungsansätze, es gibt Hypothesen, aber wie es dann am Ende wirklich läuft in dieser hochschwierigen und auch lebensgefährlichen Umgebung, das kann man bis zum Ende nicht voraussehen. Und da zu sagen, „wir haben den Mut, wir nehmen ein Filmteam mit, wir lassen die auch dabei sein und draufgucken, was wir dort tun“, das ist super. Das ist aber auch der Weg, wie Wissenschaft gezeigt werden muss. Wir müssen verstehen, wie die arbeiten, wie die Wissenschaft arbeitet, um auch das notwendige Vertrauen in die Ergebnisse zu haben.
Wie haben Sie unter diesen Bedingungen produziert?
(O-Ton 04:10) Es hat ein paar Superlative und eine Menge „firsts“. Die Produktion von „Expedition Arktis“ war herausfordernd wegen drei Dingen eigentlich: Die Dunkelheit am Anfang, die Kälte und, als Drittes, die Länge der Expedition an sich. Dunkelheit kann man ästhetisch lösen, das haben die Kollegen an Bord hervorragend gemacht, Kälte... bis Minus 20, sagt jeder Hersteller, läufts, da oben hat es teilweise Minus 50, da sagt dir keiner mehr, dass es funktioniert. Also haben wir einfach ein bisschen mehr mitgeschickt. Eine Tonne, sogar ein bisschen mehr als eine Tonne, an Equipment, alles mindestens zweifach, dreifach, vierfach. Wir haben viel improvisiert, wir haben viel gelernt in den ersten Tagen, Wochen. Vieles hat also am Anfang nicht funktioniert, aber man findet Mittel und Wege. Und auch da kommt die Besatzung der „Polarstern“ wieder mit rein, die mit Rat und Tat zu Seite steht und Dinge auch mal wieder zusammenbaut, wenn sie auseinandergebrochen sind. In der Kälte bei Minus 30 Grad brechen Kabel – da fängt es schon mal an. Wir haben Lösungen gefunden, Akkus gingen auch, Speicherkarten haben auch funktioniert... wobei es eine eigene Herausforderung ist, Daten solange zu speichern. Wir haben 1,2 Petabyte an Datenspeicher dabeigehabt, die können nur alle drei Monate zurückgebracht werden, weil wir natürlich auf die Logistik der Expedition angewiesen sind und nicht über Satelliten senden können. So musste man eigentlich für jedes Problem es erstmal identifizieren und eine eigene Lösung finden und konnte sehr wenig auf Erfahrungen zurückgreifen, sondern man musste es selbst finden.
Was erwartet den Zuschauer in „Expedition Arktis“?
(O-Ton 05:50) „Expedition Arktis“ ist ein Film, der sehr nah dran ist an einer Welt, die man sonst nicht kennt. Eigentlich an zwei Welten: Einmal die Arktis, ein Ort, den es so bald nicht mehr geben wird und an dem auf die Art und Weise noch nie gedreht wurde. Zum Zweiten sind wir ganz nah dran an einer Schlüssellochperspektive auf eine Wissenschaft, die sonst im Verborgenen passiert. „Expedition Arktis“ ist die nördlichste Langzeit-Doku der Welt, sowas gabs noch nicht. Es hat noch kein Filmteam die Polarnacht kurz vor dem Nordpol verbracht. Wir werden eine Arktis sehen, die es bald nicht mehr geben wird; das sind die letzten Bilder, die wir davon sehen werden. Wir sind unterwegs mit einer Expedition, der größten Arktisexpedition aller Zeiten, die mit dem deutschen Eisbrecher „Polarstern“ dort hochgefahren ist und dort ein ganzen Forschungscamp, ein Observatorium aufs Eis gesetzt hat. Wir erleben, was es heißt, zu forschen unter diesen Bedingungen. Bei Minus 50 Grad und kompletter Dunkelheit den Ozean zu erforschen, die Atmosphäre zu erforschen, das Eis zu erforschen. Wir sind mit dem Eis ein Jahr auf Reise, um zu verstehen, was dieser Ort da oben, dieser vermeintlich ferne, eiskalte Ort mit unserem Leben hier zu tun hat.
Können wir den Klimawandel noch stoppen? Ihre persönliche Einschätzung.
(O-Ton 07:08) Was ich als Filmmacher beobachten durfte, ist, dass wir unsere Meere mit Plastik versaut haben, wir stehen einem gigantischen Artensterben bevor, wir haben die Atmosphäre vollgemüllt. Den Klimawandel stoppen? Das können wir sicher nicht mehr. Wir können ihn aber gestalten. Ich denke, wir haben noch die Chance, ihn abzumildern. Wir haben die Chance, faktenbasiert damit umzugehen, was passieren wird, und uns darauf einzustellen, dass wir unseren Kindern und Kindeskindern vielleicht eine Welt hinterlassen, mit der sie noch umgehen können. Also sollten wir in die Puschen kommen und darauf hören, was dort oben erforscht wird.