Tatort: Nichts als die Wahrheit - Interview mit Regisseur Robert Thalheim
Inwiefern ist die Inszenierung der "Neuen Rechten" eine Herausforderung und wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Uns war es wichtig in dieser Geschichte eben nicht den einzelnen Neonazi psychologisch zu erklären, sondern uns mit dem fortgeschrittenen Netzwerkcharakter der "Neuen Rechten" zu beschäftigen. In ganz unterschiedlichen Schichten und Milieus der Gesellschaft gibt es Menschen, die unsere Gesellschaftsordnung nicht nur ablehnen sondern versuchen sie aktiv zu unterwandern und zu zerstören. Wie es ja die in letzter Zeit an die Öffentlichkeit gekommen Fälle zeigen, sprechen wir nicht mehr über einzelne Spinner, sondern über ein organisiertes Umfeld. Das Drehbuch von Katja Wenzel und Stefan Kolditz legt diese Verbindungen auf sehr elegante Weise offen. Eine rechte Chatgruppe in einer kleinen Polizeieinheit oder einen rassistischer Zwischenfall in einer Polizeischule, das sind vielleicht Vorfälle, die sich als Einzelfälle verharmlosen lassen, aber wie sich daraus ein Netz knüpft, das sich bis in die wichtigsten Organe der bundesdeutschen Justiz zieht, dass war uns wichtig zu thematisieren. So haben wir versucht die Charaktere und ihre Pläne sehr genau zu verorten und die vielen Ereignisse, die wir in der Recherche gefunden haben zu verdichten und in einen Zusammenhang zu stellen. Am Ende zeigt sich wie bedrohlich das für unsere Gesellschaft sein kann, aber auch wie ein solches Umfeld einen Einzelnen dazu bringen kann zu töten.
Wie wichtig war es für Sie, dass diese Geschichte, die die rechte Unterwanderung unserer Gesellschaft thematisiert, in Berlin spielt?
Ich fand es grundsätzlich spannend einen Tatort in meiner Heimatstadt zu erzählen. Das ist schon etwas anderes, wenn man Szenen, Charaktere und Milieus auch emotional selbst nachvollziehen kann in so einer Stadt. Das Reizvolle für unser Thema ist natürlich, dass hier eben die einfache Polizeiwache genauso existiert, wie das Regierungsviertel und man dadurch den Netzwerkcharakter gut verdeutlichen kann. Der Verfassungsschutz trifft sich ja beispielsweise mit seinem Informanten in Rufweite des Reichstages und des Kanzleramtes. Das finde ich besonders spannend, wenn ich auch über Orte etwas miterzählen kann, was ich in der Geschichte nicht aussprechen muss. Auch die Drohneneinstellungen, die Berlins Straßen und diese Orte wie in einem Netz miteinander verbinden, passen natürlich dazu. Am Ende läuft alles am Potsdamer Platz zusammen, dem früheren Mittelpunkt der Stadt. Aber die Vorkommnisse in der Polizei, wofür es ja konkrete Beispiele in Berlin gibt, könnten genauso gut in jeder anderen Stadt spielen und sind ja auch an anderen Orten passiert.
Die Erzählung ist komplex und vielschichtig angelegt, es gibt viele Akteure, zwei Teile, ein neues Duo – wie war Ihre Herangehensweise an das Projekt, was war Ihnen besonders wichtig? Und welcher Fokus lag dabei auf dem neuen Ermittlerduo?
Als ich das erste Mal von Mark gehört habe, dass seine neue Kollegin Corinna Harfouch werden wird, war ich sofort begeistert von der Idee. Ich bewundere sie sehr als Schauspielerin klar, aber mich hat die Konstellation sofort besonders interessiert. Eben nicht die nächste noch jüngere Kollegin ins Rennen zu schicken, sondern die Grande Dame des deutschen Kinos. Und dieses Versprechen hat das Drehbuch und auch die Zusammenarbeit voll eingelöst. Ich finde das wirklich interessant erzählt, wenn die Professorin Bonard nach den Vorfällen an der Polizeischule auf die Straße zurückkehrt und auf einen Kommissar Karow trifft, der ihrem universitären Umfeld zu recht erst einmal mit Skepsis begegnet. Das finde ich auch menschlich sehr spannend. Bonard könnte in Rente gehen, aber die Dinge die sie in der Hochschule erlebt, dieser offensichtlich rechte Kollege, der geschickt seine Netze knüpft unter den Studenten, wie in der Führungsebene, dass sie das aufreget, dass sie das nicht zulassen will und dafür noch mal einsteht. Und es war dann auch einfach toll zwei so große Schauspieler bei ihrer Annäherung als Kollegen, aber eben auch als Kommissare zuzusehen und zu begleiten. Und das war für mich auch der Ansatz, um dieses komplexe Netzwerk und die verschiedenen Handlungsebenen miteinander zu verbinden: Dieses Duo das trotz unterschiedlicher Voraussetzungen beginnt die Fäden zu entwirren, die gemeinsam mit dem Zuschauer langsam und mit steigendem Unbehagen begreifen, wie alles auf bedrohliche Weise miteinander zusammenhängt. Das war für mich der Schlüssel die Geschichte auch als spannenden, vielschichtigen Thriller zu erzählen, der thematisch eine große Brisanz besitzt und einen gebührenden Auftakt bildet für dieses wirklich besondere neue Team.