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Der Bezirk zwischen Ku'Damm und Breitenbachplatz gilt als grün, beschaulich und betucht - gutes, altes West-Berlin! Inzwischen jedoch kündigt sich spannende Veränderung an: Wilmersdorf erfindet sich neu.
Wilmersdorf liegt mitten in Berlin und doch Lichtjahre entfernt von den coolen und rauen Kiezen der Stadt, die Touristen und Künstler inspirieren. Der Bezirk zwischen Ku'Damm und Breitenbachplatz gilt als grün, beschaulich und betucht - gutes, altes West-Berlin! Hier wird Tradition gepflegt und geschätzt. Wie etwa beim Familienbetrieb Erich Hamann in der Brandenburgischen Straße. Mit ihrem unveränderten Design aus den 1920er Jahren ist diese Schokoladenmanufaktur eine typische Wilmersdorfer Institution. Ebenso der beliebte Weinbrunnen am Rüdesheimer Platz, wo seit über 50 Jahren Wein aus dem Rheingau ausgeschenkt wird.
Doch inzwischen kündigt sich Veränderung an: Nicht nur die Kunstszene aus Mitte findet Gefallen an den gepflegten Altbauten des Bezirks und dem traditionellen Stil. Die neuen Wilmersdorfer lieben das alte Wilmersdorf gerade dafür. Aber sie verändern es auch. Der Prozess hat später und weniger massiv als in anderen Stadtteilen eingesetzt und scheint deshalb harmonischer abzulaufen als in den Szenevierteln der Stadt. Am Wochenende zieht es dann die meisten zum Thaimarkt. Wie Dilim Onyia: Der Erzieher, Türsteher und Sportler mit nigerianischen und deutschen Wurzeln genießt das unaufgeregte Leben im Viertel - und vor allem das Grün mitten in der Stadt. Der Streetfoodmarkt im Preußenpark ist ein Muss für Liebhaber asiatischer Küche und vor allem für viele Touristen, seitdem das Bordmagazin einer Fluglinie dieses Großpicknick am Fehrbelliner Platz zum Hotspot erklärt hat.
Weniger bekannt ist, dass sich in Wilmersdorf die älteste Moschee Deutschlands befindet: Der "Mini-Tadsch Mahal" an der Brienner Straße, 1928 erbaut für die liberale Ahmadiyya-Gemeinde. Amir Aziz, der Imam der Moschee, lädt nach dem Freitagsgebet Gäste zum Tee mit seinen Töchtern. Das Gebäude, vor allem aber die christlich-islamisch-jüdische Geschichte dieser Moschee ist faszinierend. Mehrere hundert Berliner konvertierten während der Weimarer Republik zum Islam - unter ihnen Hugo Marcus, ein homosexueller, jüdischer Schriftsteller. Als er 1938 von den Nationalsozialisten inhaftiert wird, rettet ihm die Gemeinde das Leben und hilft ihm bei der Flucht in die Schweiz. Dieser liberalen Haltung fühlt sich Amir Aziz verpflichtet. Davon erzählt der Film Bilderbuch Berlin - Wilmersdorf: ein Streifzug durch einen Bezirk, der mit seiner überraschend bewegten Geschichte flirtet und sich dabei neu erfindet.
Film von Petra Dorrmann
Erstsendung: 13.04.2020/rbb