- Ausgehetzt: Warum das Compact-Magazin verboten wurde

Mit seinem Compact-Magazin wollte Jürgen Elsässer den "Sturz des Regimes" herbeiführen. Und eine AfD-Machtübernahme vorbereiten. Doch nach dem Verbot durch das Bundesinnenministerium fehlt ihm nun sein wichtigstes Sprachrohr. Compact verstoße gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung sowie die Menschenwürde und trete dabei "aggressiv-kämpferisch" auf, so die Begründung. Das Ministerium stützt sich auf eine umfangreiche Materialsammlung des Verfassungsschutzes.
 
Beitrag von Mitja Blümke, Silvio Duwe und Susett Kleine

Anmoderation: Für Jürgen Elsässer gabs am Dienstag ein böses Erwachen. Er ist der Kopf hinter dem Compact Magazin und dem Online Sender Compact TV. Sie gelten schon seit Jahren als gesichert rechtsextrem es ist das Leitmedium für alle vom Alt Nazi bis zum identitär bewegten Jugendlichen. Compact machte ihnen weis, sie seien eigentlich gemeinsam im Widerstand gegen einen Unterdrückerstaat. Und Jürgen Elsässer wollte ihnen weitaus mehr als nur ein geschlossenes Weltbild verkaufen...

Jürgen Elsässer reckt die Faust am Rande der Razzia in seinen Wohn- und Geschäftsräumen. Elsässer macht auf Donald Trump.

"Fight, Fight, Fight"

Um sechs Uhr morgens erfährt er vom Verbot seines rechtsextremen Compact-Magazins und der dazugehörigen Filmproduktionsfirma. Gleichzeitig finden Durchsuchungen in drei weiteren Bundesländern statt. Geschäftsunterlagen, Datenträger und zahlreiche Compact-Ausgaben – all das wird beschlagnahmt. Elsässer sieht sich als Opfer der Bundesregierung.

"Dieses Regime wird damit nicht durchkommen, dieses Regime wird untergehen, wenn es weiter solche Maßnahmen gibt."

Entscheidend für das Compact-Verbot ist die Bewertung des Bundesinnenministeriums, das Magazin verstoße gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Menschenwürde und trete dabei, Zitat, "aggressiv-kämpferisch" auf.

Grundlage ist eine umfangreiche Materialsammlung des Verfassungsschutzes, der das Magazin seit 2021 als "gesichert rechtsextrem" einstuft.

Hetze gegen Flüchtlinge, Rassismus, Antisemitismus – all das gehört bei compact seit Jahren zum guten Ton.

Rechtsextreme Verschwörungserzählungen werden auch Online über compact tv verbreitet:

"Das Experiment der Umvolkung ist in vollem Gange. Die Deutschen einfach wegzuvolken."

Martin Sellner, Kopf der ebenfalls rechtsextremen Identitären Bewegung, ist seit Jahren eng mit Compact verbunden, schreibt für das Blatt als Kolumnist.

Dennoch ist das Verbot umstritten. Die AfD-Spitze kritisiert die Entscheidung heftig als Angriff auf die Pressefreiheit. Doch auch zahlreiche Juristen und Journalisten sehen das Verbot kritisch.

Compact ist jedoch kein normales Medium, wie Elsässer selbst betont:

"Ein wichtiger Unterschied zu anderen Medien ist also wir wollen einfach das Regime stürzen und nur wenn man das Ziel vor Augen hat, kann man auch entsprechende Texte schreiben."

Die Frage ist: Sind solche Umsturzfantasien tatsächlich von der Pressefreiheit gedeckt? Am Ende werden das Gerichte klären müssen.

Compact entwickelte sich in den vergangenen Jahren zum Leitmedium für die neu-rechte Szene und darüber hinaus. Ein Erfolgsfaktor sei das breite Themenangebot, erklärt der Soziologe Felix Schilk.

Felix Schilk, Soziologe, Universität Tübingen

"Bei Compact kommen alle diese Themen zusammen, die die extreme Rechte beschäftigen. Von Geschichtsrevisionismus zu Reichsbürgerinhalten, zu Antisemitismus, hin aber auch zu einer ganz einfachen populistischen Elitenkritik, zu Corona- und Klimawandelleugnung, zu sexistischen Inhalten. Es ist wirklich alles dabei."

Ob Krieg, Flucht oder Corona – jede Krise nutzte Compact aus, um wüste Verschwörungserzählungen zu verbreiten. Besonders erfolgreich war Elsässer damit während der Pandemie, etwa, als er Bill Gates einen Impfdiktator nannte.

Der Umsturz. Elsässers erklärtes Ziel. Und um ihn herbeizuführen, verbreitet er bewusst Unwahrheiten, wie er schon 2021 freimütig uns gegenüber einräumte.

Jürgen Elsässer (November 2021)

"Es werden Märchen und Allegorien formuliert, die dann wabern. Und das ist sozusagen die Hefe, aus der ein politischer Widerstand im rationalen Sinn erst entstehen muss."

Felix Schilk, Soziologe

"Das Hauptziel von Compact ist es, Misstrauen zu säen. Ist es, die demokratische Ordnung anzugreifen und in Frage zu stellen. Das sagt er durchaus auch selbst, dass es ihm gar nicht so sehr darum geht, ob das stimmt, was er sagt, sondern Hauptsache ist es, dass man damit Protest auf der Straße anheizen kann."

Politisch setzt Elsässer seit Jahren auf die AfD.

"Das Volk braucht einen Knüppel, mit dem es die Altparteien und die Regierung schlägt und dieser Knüppel ist einfach nur die AfD!"

Regelmäßig treten Parteifunktionäre bei seiner Online-Sendung auf. Um der AfD 2024 zum Wahlerfolg zu verhelfen, organisierte Compact sogar eigens eine große Veranstaltungsreihe.

Die blaue Welle rollt!

Auf Kontraste- Anfrage distanzierte sich die AfD-Bundespartei im März von der Kampagne – die unter dem Verdacht stand, eine illegale Parteienfinanzierung zu sein. Das hielt AfD-Politiker aber nicht davon ab, auf den Bühnen der "Blauen Welle" aufzutreten, wie hier der Landtagsabgeordnete Oliver Kirchner aus Sachsen-Anhalt.

Wie die AfD hat auch Jürgen Elsässer ein ganz besonderes Verhältnis zu Putins Russland.

"Ich bin kein Putin-Versteher, sondern ich bin ein Putin-Unterstützer. Jeden Kilometer, den die russischen Truppen vorrücken, kommt der Tag der deutschen Freiheit näher."

Vergangenen November veranstaltet Compact eine Konferenz – Titel: "Frieden mit Russland". Einer der Redner: Wladimir Sergijenko. Er war Mitarbeiter zweier AfD-Abgeordneter im Bundestag.

Nach Spiegel-Recherchen chattete Sergijenko immer wieder mit einem russischen Geheimdienstoffizier. Demnach gibt es einen "konkreten Verdacht", Sergijenko sei als russischer "Einflussagent" tätig.

Brisant: mehrfach entdeckten Zollbeamte bei ihm große Mengen Bargeld, die er von Russlandreisen nach Deutschland brachte.

Wie gut der Draht von Compact zum Kreml ist, zeigt auch dieses Interview mit Marija Sacharowa, der Sprecherin des russischen Außenministeriums. Fast 90 Minuten lang steht Sie dem Compact-Moskau-Korrespondenten Hansjörg Müller, einem ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten, zur Verfügung.

"Wir sind stolz darauf, dass uns Frau Sacharowa das Interview gegeben hat."

Während der Durchsuchung wird Elsässer vom ZDF gefragt, ob Compact aus Russland finanziert wurde – er bestreitet das kategorisch.

"Kann ich völlig ausschließen. Wir haben keinerlei Unterstützung aus Russland. Nichts, null, nada, kein Euro, kein Rubel, kein Garnichts."

Am Abend. Solidaritätskundgebung vor seinem Haus. Es sammeln sich Dutzende Elsässer-Anhänger aus dem Spektrum von Die Basis, Identitärer Bewegung und AfD.

weitere Themen der Sendung

Klage gegen neues Klimaschutzgesetz

Ein Extremwetter jagt das nächste, Überschwemmungen, zerstörte Häuser, Tote – und dennoch unterschreibt Bundespräsident Steinmeier ein Klimaschutzgesetz, das eher weniger als mehr Klimaschutz bedeutet. Die Politik scheint klimamüde zu sein – und das obwohl für die Mehrheit der Deutschen der Schutz des Klimas eines der wichtigsten Themen ist. Konnten Vizekanzler Habeck und „Klimakanzler“ Scholz mit diesem Thema noch die Wahl gewinnen, so glauben inzwischen zwei Drittel nicht mehr daran, der Krise was entgegen setzen zu können. Und seitdem klar ist, dass Klimaschutz jeden Einzelnen etwas kostet, nimmt so mancher wohl lieber die Klimakatastrophe in Kauf. "Es ist eben nicht so, dass morgen die Welt untergeht.", sagt Friedrich Merz. Was er nicht sagt: Übermorgen könnte es zu spät sein. Der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung ist Anfang Juni zu dem Schluss gekommen, dass wir unsere Klimaziele womöglich verfehlen werden. Ein breites Bündnis aus Umweltverbänden, Fridays for Future und Einzelpersonen will nun vor dem Bundesverfassungsgericht Klage gegen Bundesregierung und Bundestag einreichen. Ihre Forderung: Ein verfassungskonformes Klimaschutzgesetz.

Beitrag von Anne Grandjean, Chris Humbs und Viviane Menges

Die Schuldenbremse – eine Zukunftsbremse?

Der Haushalt 2025 steht. Und wie erwartet: Ohne Aussetzung der Schuldenbremse, Finanzminister Lindner hat sich durchgesetzt. Dabei sehen viele Expertengremien die derzeitige Schuldenbremse als hochproblematisch an. Ob es der IWF, die OECD oder auch die Bundesbank ist - sie alle halten eine Reform für sinnvoll. Marode Schulen, eine kaputtgesparte Bahn, eine kriegsuntüchtige Bundeswehr und grassierende Wohnungsnot – Deutschland braucht dringend Investitionen. Laut Deutschen Institut für Wirtschaft fehlen in den kommenden zehn Jahren 600 Milliarden Euro. Doch das wird es so nun nicht geben. Das Ausland blickt zum Teil mit Häme auf die „bizarre Haushaltspolitik“ der Deutschen. Internationale Ökonomen sehen die deutsche Sparpolitik gar als Wachstumsbremse, mit der Deutschland ganz Europa schade. Spielraum für höhere Investitionen wäre da, denn im internationalen Vergleich liegt Deutschland mit einer Verschuldung von etwa 64 Prozent des BIP weit unter der von Frankreich, Großbritannien oder der USA.

Beitrag von Kaveh Kooroshy, Markus Pohl und Carla Spangenberg